"Ukraine, wir sind mit Dir" skandierten Demonstranten vergangene Woche in mehreren polnischen Städten. Keine Massenbewegung und dennoch – sagt der Vertreter der ukrainischen Minderheit im polnischen Sejm, Miron Sycz - ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit dem Nachbar im Osten. Zumal die Unterstützung für die ukrainische Opposition auch vom polnischen Parlament kommt:
"Ich will hier meine große Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Sowohl der Regierungskoalition gegenüber als auch allen Parlamentariern von der rechten und der linken Seite. Keine Nation in Europa hat sich bisher so aktiv engagiert für die ukrainische Bürgergesellschaft wie die polnische."
Das Engagement kommt nicht von ungefähr. Allerdings nicht alleine weil Teile der Westukraine bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges polnisches Staatsgebiet waren. Nein, hier geht es auch darum, Moskau gegenüber Position zu beziehen. Insbesondere in einer Zeit, in der Russland immer häufiger imperiale Tendenzen aufweisen würde, argumentiert Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski. Die polnische Regierung, so seine Forderung, müsste daher entschlossener als bisher Moskau gegenüber auftreten, um Wladimir Putin eindeutig die Grenzen politischer Einmischung zu zeigen:
"Wenn ein Land, das sich der Europäischen Union anschließen möchte, durch einen anderen Staat terrorisiert wird, und die EU dies duldet, dann bedeutet es, dass Brüssel in der internationalen Politik keine Rolle spielt. Es ist also im Interesse der Europäischen Union, mit Russland darüber in aller Deutlichkeit zu reden."
Ganz so einfach. wie es sich Oppositionsführer Kaczynski vorstellt, ist das allerdings nicht. Wohl auch deshalb konzentriert sich die polnische Regierung bislang darauf, vor allem das brutale Vorgehen ukrainischer Polizeieinheiten zu kritisieren. Die Übergriffe, sagt der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Marcin Wojciechowski, seien auch deshalb zu verurteilen, weil sie ausgerechnet in einem Land passierten, das derzeit den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa habe.
"Wir erwarten von der ukrainischen Regierung, dass ihren Erklärungen bezüglich eines europäischen Weges nunmehr Fakten folgen. Wir haben Kiew angeboten, bei der Lösung des gegenwärtigen Konfliktes behilflich zu sein. Sofern die ukrainische Regierung uns darum bittet."
Diplomatische Bemühungen, von denen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski allerdings herzlich wenig hält. Polen und damit auch die EU, sagt der extrem konservative Politiker, müsste der ukrainischen Führung gegenüber mehr Härte beweisen:
"Nachdem es zur Gewaltanwendung gekommen ist, sollten unsererseits nunmehr Sanktionen verhängt werden. Sanktionen gegenüber Einzelpersonen – wie wir dies im Falle Weißrusslands gemacht haben. Also Sperrung ausländischer Konten und Einreiseverbot für jene, die für die Übergriffe verantwortlich sind. Das ist ein Appell sowohl an die Europäische Union als auch an die polnische Regierung."
Eine Forderung, die Premier Donald Tusk offenbar ganz und gar nicht unterstützt. Wichtiger als jetzt Drohungen auszusprechen, so der polnische Regierungschef, sei es, vielmehr der ukrainischen Führung positive Signale zukommen zu lassen:
"Wir müssen der ukrainischen Staatsführung deutlich machen, dass Hilfe aus Europa, auch finanzielle, weiterhin vorstellbar ist. Genauso wie eine möglichst schnelle Abschaffung der Visapflicht. Beides natürlich unter der Bedingung, dass die ukrainische Staatsführung ihrerseits zeigt, dass sie demokratische Regeln und Menschenrechte achtet. Verbunden mit der Versicherung, dass sie gegenüber den Demonstranten keine Gewalt mehr anwenden wird."
Und damit die Botschaft in Kiew auch an richtiger Stelle ankommt, wurde der ukrainische Botschafter ins polnische Außenministerium einbestellt. Nicht zum ersten, aber hoffentlich, so der Tenor in Warschau, zum letzten mal.