Die USA und die EU hatten den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vergeblich gewarnt: Er unterschrieb das umstrittene neue Gesetz, das Nicht-Regierungsorganisationen gängelt. Die erste Reaktion der westlichen Partner ließ nicht lange auf sich warten. Die US-Agentur für Entwicklungszusammenarbeit USAID kündigte der nationalen ukrainischen Anti-Korruptionsagentur ihre Unterstützung auf auf. Witalij Schabunin, Leiter des Zentrums für Korruptionsbekämpfung, einer der vom Gesetz betroffenen Organisationen, ist entsetzt:
"So werden Nicht-Regierungsorganisationen nirgends auf der Welt behandelt, nicht einmal in Russland. Dort richtet sich die Regulierung nur gegen die Organisation, gegen eine juristische Person, nicht gegen die Mitarbeiter. Dieses Gesetz erlaubt es dem Staat, die Arbeit jeder beliebigen Anti-Korruptions-Initiative zu vernichten."
NGO-Mitarbeiter müssen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen
Das Gesetz sieht vor, dass künftig nicht nur Beamte und Politiker ihre Vermögensverhältnisse offenlegen müssen. Das soll künftig auch für die Mitarbeiter von Nicht-Regierungsorganisationen gelten, die sich mit Korruption befassen. Und das, obwohl diese nicht aus dem ukrainischen Haushalt finanziert werden. Der Gesetzestext ist zudem so schwammig formuliert, dass er sich auf sehr viele Organisationen ausdehnen lässt, wenn diese nur irgendwie Staatsausgaben beobachten. Und er lässt es sogar dazu, dass nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch Vertragspartner der Organisationen betroffen sind. Witalij Schabunin vom Zentrum für Korruptionsbekämpfung:
"Betroffen sind auch die Firma, die bei uns putzt, die Druckerei, die für uns druckt und unser Vermieter, eben alle, die von uns Geld bekommen. Welcher vernünftige Geschäftsmann wird da noch mit uns arbeiten machen wollen, wenn er dadurch ohne Verdacht von der Staatsanwaltschaft kontrolliert werden kann. Und darum geht es dem Gesetz wohl."
Präsident Petro Poroschenko trat nach seiner Unterschrift unter das Gesetz nicht vor die Mikrophone. In einer Erklärung heißt es: Das Staatsoberhaupt halte die Neuregelung für wichtig, weil es Soldaten, die derzeit im Donezbecken dienen, entlaste. Tatsächlich heißt es in einem anderen Punkt des Gesetzes, dass diese Soldaten keine Vermögenserklärungen mehr abgeben müssen. Der Punkt, der die Nicht-Regierungsorganisationen betrifft, werde dagegen erst 2018 wirksam, so die Erklärung des Präsidenten. Bis dahin solle eine Arbeitsgruppe nach einem Kompromiss suchen.
Das neue Gesetz könnte unangenehme Folgen für die Ukraine haben
Das sei nicht ehrlich und reine Hinhaltetaktik, meinen die Kritiker. Denn auch viele Abgeordnete von Poroschenkos Fraktion im Parlament unterstützten das Gesetz in seiner jetzigen Form. Darunter sind etliche Politiker, gegen die immer wieder Korruptionsvorwürfe laut werden, allen voran der Vize-Fraktionsvorsitzende Ihor Kononenko.
Mit ihrem Gesetz wollten die Politiker davon ablenken, dass die Korruptionsbekämpfung - trotz Vermögenserklärungen - nicht recht vorankomme, meint Walentyn Hladkych von der Organisation "Wort und Tat":
"Ich möchte da mal die Frage stellen, wie kompetent die Mitglieder der Anti-Korruptionsagentur sind. Diese ist seit einem Jahr nicht in der Lage, das System der Vermögenserklärungen zu einem wirksamen Instrument zu machen. Sie weigert sich, die Erklärungen zu überprüfen. Bisher sehe ich die Aufgabe der Agentur nur darin, den Mitarbeitern Prämien auszubezahlen."
Das neue Gesetz könnte unangenehme Folgen für die Ukraine haben. Das EU-Parlament wird sich nächste Woche mit der Frage beschäftigen, ob es dafür ist, die Visumspflicht für Ukrainer aufzuheben. Rückschritte beim Kampf gegen die Korruption dürften die Abgeordneten eher vorsichtig stimmen.