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Ukraine
Russische Sicht auf Proteste im Nachbarland

In den russischen Medien kommt die ukrainische Opposition nicht gut weg: Die Demonstranten gelten als aggressive Randalierer, doch über die Gewalt der Sicherheitskräfte erfahren die Russen nichts. Nur die außerparlamentarische Opposition in Russland unterstützt den Kampf der Ukrainer.

Von Gesine Dornblüth |
    Proeuropäische Proteste in Kiew
    Russische Politiker bezeichnen die Proteste in der Ukraine als einen "neuen orangefarbenen Prozess zur Machtübernahme". (dpa / picture-alliance / Andrey Stenin)
    Auch in Russland beherrschen die Ereignisse in der benachbarten Ukraine die Nachrichten. Das Staatsfernsehen berichtet stündlich live aus Kiew. Die Opposition kommt dabei nicht gut weg. Die Regierung rufe zum Dialog auf, berichtet der Reporter der Nachrichtensendung vesti; die Opposition verharre aber lieber auf der Straße.
    "Die Arbeit für Journalisten auf dem Euromaidan wird von Tag zu Tag gefährlicher. Es gibt hier einen Zensurausschuss, der von uns Reportern verlangt, dass wir nur positiv über den Euromaidan berichten, nicht aber objektiv. Wer sich nicht daran hält, dem nehmen sie die Kamera weg, zerstören Fotoapparate, konfiszieren Kassetten."
    Über die Gewalt der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten am Wochenende erfahren russische Fernsehzuschauer nichts, stattdessen immer wieder die Bilder Steine werfender und randalierender Regierungsgegner. Und ständig klingt der Vergleich mit der orangefarbenen Revolution 2004 an. In Russland ist sie allerdings negativ belegt. Gennadij Zjuganow, Fraktionschef der Kommunisten in der russischen Duma:
    Gewalt der ukrainischen Sicherheitskräfte wird verschwiegen
    "In der Ukraine zwingt eine Gruppe äußerst aggressiver Leute den Bürgern ihren Willen auf, ohne das Gesetz oder die elementaren Normen der öffentlichen Ordnung zu respektieren. Die Ukraine hat das schon einmal durchgemacht, sie hat Juschtschenko mit all seinem Unfug erlebt. Im Ergebnis wurden viele arbeitslos und verloren ihren sozialen Schutz."
    Viktor Juschtschenko führte die orangefarbene Revolution in der Ukraine vor neun Jahren an.
    Präsident Putin und seine Anhänger verbreiten seit Jahren, die Demokratiebewegung in der Ukraine sei damals vom US-State-Department finanziert worden. Der Westen habe den russischen Einfluss in der Region zurückdrängen wollen, aber doch nur Chaos erreicht. Dieses Muster klingt auch in diesen Tagen an.
    Der einflussreiche russische Abgeordnete Aleksej Puschkow von der Kremlpartei Einiges Russland, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und stets zur Polemik gegen die EU bereit, teilte per Twitter mit, in der Ukraine sei ein "neuer orangefarbener Prozess zur Machtübernahme" in Gang gesetzt. Juschtschenko habe die Hoffnungen nicht erfüllt, nun setze man auf dessen, so wörtlich, "politische Klone". Und in manchem russischen Fernsehbericht klingt der Verdacht an, die Randalierer von Kiew seien vom Westen trainiert und bewaffnet worden.
    Vermutlich am weitesten ging Wladimir Schirinowskij, Fraktionsvorsitzender der nationalistischen LDPR. Im unabhängigen Fernsehkanal Doschd’ forderte er den Präsidenten der Ukraine auf, mit Gewalt gegen die Demonstranten vorzugehen:
    "Wir haben gute Erfahrungen mit Ausnahmezuständen: Janukowitsch und seine Geheimdienste können das benutzen. Bald werden Verhaftungen beginnen und das Militär eingreifen. Parteien wie die faschistische Swoboda, die prowestliche UDAR-Partei Klitschkos und die Vaterlands-Partei werden verboten. Dann bleiben nur die Partei der Regionen und die Kommunistische Partei übrig. "
    Russische Opposition unterstützt ukrainische Demonstranten
    Die außerparlamentarische Opposition in Russland dagegen blickt voller Mitgefühl nach Kiew. Russische Schriftsteller haben einen offenen Brief an ihre ukrainischen Kollegen und das ukrainische Volk insgesamt verfasst. Die mehr als 50 Unterzeichner schreiben – Zitat:
    "Wir fühlen uns, wie ihr auch, als Teil einer europäischen Zivilisation – und jene politischen Kräfte, die versuchen, euch und uns ihr zu entreißen, wecken bei uns denselben Zorn wie bei euch."
    Es tue weh, heißt es in dem Brief weiter, dass die Ukrainer gezwungen seien, Russland als eine "grobe und treulose Kraft zu sehen, die andere Völker unter Druck setzen wolle, und nicht als die Heimat unschätzbarer kultureller Reichtümer und intellektueller Möglichkeiten." Und der Brief endet: "Euer Kampf um das Recht auf eine freie Wahl wird schwer werden, aber wir hoffen auf euren Erfolg. Er wäre ein Zeichen für uns, dass auch wir, in Russland, unsere Rechte und Freiheiten durchsetzen können."
    Für diesen im Internet publizierten offenen Brief gibt es viel Zustimmung von Russen und von Ukrainern. Viele schreiben: Wir sind nicht gegen Russland, wir sind gegen Putin.