Die Ukraine produziert mehr als ein Drittel ihres Stroms aus Kohle. Der Rohstoff wird auch gebraucht, um Koks herzustellen, den wiederum die großen Stahlwerke benötigen. Deshalb musste die Ukraine schon früher Kohle importieren. Im vergangenen Jahr waren es über 10 Millionen Tonnen.
Der Konflikt im Osten des Landes verschärft den Mangel an Kohle noch einmal gewaltig. Denn die Zentren der heimischen Kohleförderung liegen in Gebieten, die Separatisten besetzt haben. Ein Teil der Schächte ist durch die Kämpfe zerstört. Aber auch die anderen, die noch in Betrieb sind, liefern keine Kohle in den übrigen Teil der Ukraine mehr.
Mehr Importe sollten das Problem lösen, aber die Suche gestaltete sich schwierig, sagte Energieminister Jurij Prodan:
"Die bekannten europäischen Händler weigern sich zurzeit, mit uns Verträge zu schließen. Sie befürchten, wegen der Kämpfe könne es zu Problemen mit dem Transport kommen. Aus Amerika und Australien haben wir Angebote bekommen, aber die Lieferanten dort sind deutlich teurer als hier in Europa oder auch in Südafrika."
Schließlich schlossen der staatliche Importeur "Zentrenergo" und private Firmen Lieferverträge mit Russland. Obwohl die Regierung in Kiew dem Nachbarstaat vorwirft, die Separatisten im Donezk-Becken zu unterstützen.
Erste Stimmen fordern in Kiew, Kohle bei den Separatisten zu kaufen
Nun scheint auch dieser Weg zu scheitern. Die Lieferungen brachen vor wenigen Tagen ab, wie jetzt bekannt wurde. 1.000 beladene Güterwaggons stünden in Russland zum Transport in die Ukraine bereit, berichtet ein Wirtschafts-Nachrichtendienst. Warum sie sich nicht in Bewegung setzen, wisse niemand, sagte ein Sprecher der ukrainischen Energiefirma "Detek". Beobachter in Kiew vermuten, dahinter stecke die russische Regierung. Sie wolle den Druck auf die Ukraine erhöhen.
Der Druck steigt tatsächlich: Erste Stimmen fordern in Kiew, Kohle bei den Separatisten zu kaufen. Auf den Halden im besetzten Gebiet liegen noch 4,5 Millionen Tonnen. Kohle, die eigentlich ohnehin dem ukrainischen Staat gehört. Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die Kämpfer auf ein Angebot eingehen würden. Der sogenannte Energieminister der selbst ernannten Republik Donezk Aleksej Granowskij sagte:
"Die Volksrepublik hat genug Energie, um sich selbst zu versorgen. Derzeit stellen wir außerdem Leitung nach Russland wieder her, die zerstört waren. Im Notfall würden uns unsere russischen Kollegen sicher helfen. Aber auch wenn wir genug haben: In die Ukraine dürfen wir keine Kohle verkaufen. Die ukrainischen Streitkräfte beschießen uns hier im Donezk-Becken und töten unsere Einwohner. Dieses Land zu beliefern, selbst wenn es profitabel ist, wäre ein Verbrechen."
Eine Erklärung von anderen Anführern der Volksrepubliken Donezk und Luhansk stellt dagegen Lieferungen in Aussicht. Aber unter einer Bedingung: Die Ukraine solle die sogenannten Parlamentswahlen in den Volksrepubliken Anfang November anerkennen. Darauf kann Kiew unmöglich eingehen: Es würde damit indirekt auch diese Republiken selber anerkennen. Die staatliche Energiegesellschaft "Ukrenergo" fordert die Bevölkerung nun auf, Strom zu sparen, vor allem zwischen 17 und 21 Uhr. Mehr als den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein dürfte das aber nicht bringen.