Verhältnis zur Ukraine
Die Ukraine kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einer Einladung zum NATO-Beitritt rechnen. Zwar befürworten eine Reihe von Mitgliedsstaaten eine beschleunigte Aufnahme, aber unter anderem die USA und Deutschland sind dagegen. Sie argumentieren, man könne kein Land zum Mitglied machen, das sich im Krieg befinde. Hintergrund ist die Sorge, wegen der Beistandsverpflichtung in Artikel 5 des NATO-Vertrages in den Krieg mit Russland hineingezogen zu werden. Eine Einladung an die Ukraine können die 31 Mitglieder nur einstimmig aussprechen.
Sicherheitsgarantien und "Interoperabilität"
Geplant sind statt einer Einladung "Sicherheitsgarantien" an Kiew - auf bilateraler Ebene. Unser Sicherheitskorrespondent Marcus Pindur erläutert, es gehe um langfristig angelegte militärische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfen. Um die Zusagen zu koordinieren, solle es einen Rahmenvertrag in einem erweiterten G7-Format geben. Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations sieht die Garantien allerdings skeptisch: "Bilaterale Sicherheitsgarantien sind langfristig nicht wirklich krisenfest und nicht vorteilhaft für die Ukraine", sagte er im Deutschlandfunk.
Außerdem soll die Ukraine in Vilnius institutionell enger an die NATO angebunden werden - über einen NATO-Ukraine-Rat, also ein Upgrade der bereits bestehenden NATO-Ukraine-Kommission. Geplant ist zudem ein Integrationsprogramm im Umfang von 500 Millionen Euro. Damit soll die Ukraine laut NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf die Standards des Bündnisses vorbereitet werden. Das militärische Stichwort lautet hier "Interoperabilität".
Grünes Licht für Schweden
Sozusagen in letzter Minute vor dem Gipfeltreffen hat der türkische Präsident Erdogan seinen Widerstand gegen den NATO-Beitritt Schwedens aufgegeben. Unser Korrespondent Klaus Remme, der aus Vilnius berichtet, spricht von einer 180-Grad-Wende. Erdogan will laut der Einigung dem türkischen Parlament das Beitrittsprotokoll für Schweden vorlegen. Im Gegenzug will die NATO einen Koordinator für die Terrorbekämpfung einsetzen. Zudem soll es regelmäßige Sicherheitsberatungen zwischen Schweden und der Türkei geben.
Schweden will sich zudem, so Remme, für die Türkei einsetzen, wenn es um EU-Belange geht - zum Beispiel bei den Themen Zollerleichterungen und Visaliberalisierungen. Hintergrund ist hier wohl auch die am Montag noch erhobene (und vielfach kritisierte) Forderung Erdogans, die Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens mit konkreten Perspektiven für einen EU-Beitritt der Türkei zu verknüpfen.
Mindestens zwei Prozent: Das Budget
Auch die Finanzen spielen eine Rolle auf dem NATO-Gipfel. Bislang war das angestrebte Ziel, dass jeder Mitgliedsstaat möglichst zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgibt. Statt diesen Wert lediglich anzustreben, soll er nun für alle zum Mindestziel werden. Bislang haben nach aktuellen Zahlen nur eine Minderheit der 30 Mitgliedsländer die Zwei-Prozent-Marke erreicht. Deutschland liegt in diesem Jahr voraussichtlich bei 1,6 Prozent.
Strategische Ausrichtung mit "Regionalplänen"
In Vilnius geht es ganz grundsätzlich um die Frage, wie sich die NATO strategisch in Zukunft aufstellen will. Beim Gipfel in Madrid im vergangenen Jahr wurde die Neuausrichtung auf den Weg gebracht - schon damals unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Ein wesentlicher Punkt: die Aufstockung der NATO-Eingreifkräfte auf 300.000 Soldatinnen und Soldaten.
In Vilnius wird es konkret um das neue Streitkräftemodell gehen, das sogenannte "New Force Model". Kernpunkt sind sogenannte "Regionalpläne" für den Norden, Süden und insbesondere den Osten des Bündnisgebietes. Brigadegeneral Freuding, der Planungsstabschef im Bundesverteidigungsministerium, formuliert es im Deutschlandfunk so: "Zum ersten Mal seit 30 Jahren werden wir ausführbare Verteidigungspläne haben, um einen Angriff zurückzuschlagen."
Deutschland beteiligt sich inzwischen auch stärker an der Absicherung der Ostflanke. So sagte Verteidigungsminister Pistorius zuletzt, die Bundeswehr sei bereit, eine Brigade mit rund 4.000 Soldaten dauerhaft in Litauen zu stationieren. Die Bundesregierung hatte bereits vor mehr als einem Jahr die Bereitschaft Deutschlands erklärt, eine kampfbereite Brigade in Litauen anzuführen. Danach hatte es allerdings monatelang Diskussionen gegeben, wie diese Aussage konkret auszulegen sei.
Weiterführende Informationen
Erdogan stimmt Schwedens NATO-Beitritt doch zu – Vor dem Gipfel in Vilnius
Vor Litauen-Gipfel - Die NATO-Reaktion auf die russische Aggression
NATO und Ukraine - Politologe Kaim: Machtwort der USA beendet die Debatte
NATO-Gipfel - Programmübersicht auf Englisch
Diese Nachricht wurde am 11.07.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.