Nach wochenlangen Gefechten um den Eisenbahnknotenpunkt Debalzewo ist heute die Stadt gestürmt worden. Es tobt ein Häuserkampf. Am Nachmittag meldeten die Separatisten, sie hätten den Ort eingenommen, von ukrainischer Seite hieß es, die Rebellen kontrollierten einen Teil der Stadt, die nun gänzlich eingekreist sei. Am Morgen hatten sie den Bahnhof besetzt. Dass die Rebellen die Polizeiwache zerstört haben, hatte das ukrainische Innenministerium noch dementiert. Ebenso dass sich 120 ukrainische Soldaten ergeben hätten.
Der Kommandeur des 25. Bataillon mit dem Namen "Kiewska Rus" erklärte im ukrainischen Fernsehen:
"In Debalzewo findet ein Häuserkampf statt. Spezialeinheiten aus Russland und Kadyrow-Kämpfer stürmen Debalzewe. Die Stadt ist zu 90 Prozent eingenommen. Unsere Streitkräfte halten die Stellungen, aber unser Stab wird mit der Lage nicht fertig, weiß nicht, wo sich unsere Kämpfer befinden. Unterstützung ist nötig. Nicht nur unserem Bataillon, auch anderen Einheiten droht die Vernichtung."
Hielt die Waffenruhe am Sonntag außer in Debalzewo noch einigermaßen, kann davon heute immer weniger die Rede sein. Das Minsker Abkommen sieht ab dem heutigen Dienstag den Abzug schwerer Waffen vor und gibt dafür zwei Wochen Zeit. Davon scheinen beide Seiten meilenweit entfernt zu sein. Dennoch erklärte ein Armeesprecher, dass Kiew zum Abzug der Technik bereit sei, sobald die Gegner die Waffenruhe respektieren würden. Davon kann jedoch keine Rede sein.
OSZE-Vertreter warten vergeblich auf Zugang
Die Kämpfe sind kaum abgeflaut, neben Debalzewo wurden auch Popasnoje, Sacharowka und Tschernuchino mit Artillerie und Granatwerfern beschossen. Bei Lugansk kamen Nowotoschkowzy und Solotoje unter Feuer. Bei Donezk wurden der Ort Opytnij und der Donezker Flughafen beschossen. Bei Mariupol gab es Angriffe auf die Stadt Schirokino.
Die OSZE-Vertreter, die seit gestern im ostukrainischen Kramatorsk ausharren, um Debalzewo in Augenschein zu nehmen, warteten heute erneut vergeblich auf ihren Einsatz. Auch die Aufforderung von Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande konnte die Aufständischen nicht zum Umdenken bewegen, ihnen Zugang zu gewähren. Der Europarat bot seine Hilfe bei der Einrichtung eines Korridors für die Zivilbevölkerung an.
Während das Minsk-II-Abkommen vorsieht, alle Gefangenen auszutauschen, stellten die Separatisten vor Kameras sechs gefangen genommene ukrainische Soldaten zur Schau, einer von ihnen schwer verletzt. Sie hätten sich nicht ergeben, heißt es in Kiew, sondern seien aufgerieben worden, als sie Nachschub für ihre ukrainischen Kameraden bringen wollten. Einer der Initiatoren der Maidanprotestbewegung, der frühere Journalist und heutige Abgeordnete Mustafa Najem, findet, dass das neue Minsker Abkommen wesentlich schwieriger zu erfüllen ist als das alte.
"Die Minsker Vereinbarung vom September wäre mit sehr viel weniger Blutvergießen umsetzbar gewesen als Minsk II jetzt. Denn die Terroristen sind inzwischen weit auf ukrainisches Territorium vorgedrungen. Sie sind sehr viel besser bewaffnet. Angefangen haben sie mit Protestdemonstrationen auf der Straße, jetzt haben sie Panzer. Woher? Seit den ukrainischen Parlamentswahlen, die ihnen ganz offensichtlich nicht gefallen haben, ist alles noch viel schwerer geworden."
Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Juri Birjukow, hat eine Liste mit nötigen Waffen zusammengestellt, die Kiew von den Vereinigten Staaten erbittet, wenngleich die USA gegenwärtig nicht zu Waffenlieferungen bereit sind.