Seit einem Jahr dürfen Ukrainer ohne Visum in die EU einreisen und so werde die Reisefreiheit in der Ukraine als Zeichen für die guten Beziehungen zur EU gesehen, sagte der Journalist Roman Goncharenko im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: "Das war für die Ukrainer ein jahrzehntelanger Traum und deshalb war dieser Schritt besonders wichtig."
Gutes Verhältnis trotz andauernder Differenzen
Das Verhältnis sei so gut wie lange nicht mehr, obwohl ein EU-Beitritt der Ukraine aktuell nicht zur Debatte steht. "In Kiew ist man realistischer geworden, was eine EU-Mitgliedschaft angeht", erklärte Goncharenko, der selbst aus der Ukraine stammt. Ein EU-Beitritt komme vor allem wegen der andauernden Korruption nicht in Frage. Deren Bekämpfung gehe in der Ukraine nur sehr langsam voran. So setzte Präsident Petro Poroschenko vor einigen Wochen zwar eine Anti-Korruptions-Kommission ein - in Brüssel habe man auf diesen Schritt allerdings schon seit Jahren gewartet.
Dennoch näherten sich die EU und die Ukraine weiter an. Die Bilanz des Assoziierungsabkommens sei nicht schlecht, findet Roman Goncharenko. Durch das Abkommen, das seit September vergangenen Jahres in Kraft ist, sollen die EU und die Ukraine wirtschaftlich und politisch enger zusammenarbeiten. Das scheint zu funktionieren: Inzwischen gehen etwa 40 Prozent der Exporte aus der Ukraine in die EU. So ist die EU der stärkste Handelspartner der Ukraine und hat Russland von diesem Platz verdrängt.
Sorge über neue Regierungen in Rom und Wien
In der Ukraine hoffe man, dass die EU die Beziehungen zu Kiew auch künftig hochhalten wird. Vor allem zwei politische Entwicklungen dürften die Ukrainer auf dem Gipfel mit der EU ansprechen, glaubt Roman Goncharenko: die Gaspipeline Nord Stream 2, über die Russland Gas nach Deutschland transportieren will und so die Ukraine auf dem Transportweg umgehen könnte, und die neuen Regierungen in Italien und Österreich, die den EU-Sanktionen für russische Unternehmen skeptisch gegenüberstehen und dafür sorgen könnten, dass sie nicht verlängert werden.
Auch deshalb richte die Ukraine den Blick jetzt auf Deutschland, erläutert Roman Goncharenko im Gespräch mit dem DLF: "In der Ukraine beobachtet man ganz genau, wie sich Deutschland in dieser Frage positionieren wird, denn darauf könnte es ankommen."