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Ukraine und Polen
Umstrittener Film über das Massaker von Wolhynien

Er wolle eine Brücke zwischen der polnischen und ukrainischen Erinnerung schlagen: Das sagt der polnische Regisseur Wojciech Smarzowski über seinen Film "Wolyn", der das Massaker von Wolhynien thematisiert. 1943 ermordeten Ukrainer zigtausende polnische Zivilisten. Ein Film, der für heftige Diskussionen führen dürfte - vor allem in der Ukraine.

Von Florian Kellermann |
    Polen gedenkt der Toten der Wolhynien-Massaker vor 70 Jahren am 11.07.2013
    Schonungslos und eindringlich zeigt Regisseur Wojciech Smarzowski die Gräueltaten während des Wolhynien-Massakers in seinem neuen Film. (picture-alliance / dpa / Rafal Guz)
    Dem Zuschauer werden vor allem die grässlichen Szenen im Gedächtnis bleiben, Szenen wie direkt aus der Hölle. In einer schneiden Ukrainer einem Polen den Bauch auf und reißen die Eingeweide aus dem Leib, in einer anderen umwickeln sie einen kleinen Jungen mit Heu und zünden ihn an. Angestachelt zu solchen Grausamkeiten werden die Ukrainer von der Ukrainischen Aufstandsarmee, kurz UPA.
    Sie seien historisch belegt, versichert Regisseur Wojciech Smarzowski:
    "Ich habe noch nie einen Film gemacht, bei dem ich die Fakten von allen Seiten immer wieder so genau überprüft habe. Ich habe vor den Dreharbeiten fast ein Geschichtsstudium absolviert. Mein Ausgangspunkt war, dass ich diese Bestialität nicht begreifen konnte. Am Schluss habe ich mich gefragt, wie Augenzeugen nach solchen Erlebnissen weiterleben konnten. "
    Trotzdem solle der Film eine Brücke sein zwischen der polnischen und der ukrainischen Erinnerung, sagt Regisseur Smarzowski. Denn Versöhnung könne nur gelingen, wenn auch unangenehme Wahrheiten ausgesprochen würden.
    Polen wirft der Ukraine seit Langem vor, der damaligen Verbrechen nicht ausreichend zu gedenken. Das polnische Parlament verurteilte das Wolhynien-Massaker vor kurzem als "Völkermord". Es macht dafür vor allem die Ukrainische Aufstandsarmee UPA verantwortlich.
    In der Ukraine jedoch werden deren Anführer verehrt, weil sie für einen unabhängigen ukrainischen Staat kämpften. Statt von "Mord" und "Verbrechen" sprechen ukrainische Historiker von einem "polnisch-ukrainischen Konflikt".
    "Der Film ist eine schwere Anklage gegen die Ukraine"
    Die meisten polnischen Intellektuellen teilen die Kritik an der ukrainischen Geschichtswahrnehmung. Trotzdem fürchten einige, der Filme könne die russische Propaganda gegen die Ukraine befeuern. So Zbigniew Gluza, Chefredakteur der Vierteljahresschrift "Karta":
    "Der Film ist eine schwere Anklage gegen die Ukraine, eine gerechte Anklage, aber wir sollten auch die politische Realität heute berücksichtigen. Wir sollten den Effekt dieses Films etwas abmildern. Ich schlage vor, dass wir den Film durch eine begleitende Publikation einbetten, die die damaligen Ereignisse neutral beschreibt, nicht nur aus polnischer Sicht."
    Die Macher des Films wenden ein, dass sie genau das tun, indem sie auch die Vorgeschichte des Massakers ansprechen.
    So zeigt die erste Szene des Films ein junges Glück, noch vor Ausbruch des Kriegs: Am Rande einer Hochzeit schwören sich Zosia und Petro ewige Liebe, eine Polin und ein Ukrainer. Wie sich später herausstellt, zeugen sie an diesem Abend sogar ein Kind. Das Glück dauert allerdings nur kurz: Zosia wird mit dem Ortsvorsteher, einem Polen, zwangsverheiratet.
    Nicht nur Petro, der Zosia später das Leben rettet, auch einige andere Ukrainer treten als positive Figuren auf. Manche weigern sich, ihre polnischen Nachbarn zu töten. Zudem deutet der Film zumindest an, in welcher Lage die Ukrainer im damaligen Ostpolen waren. Obwohl sie die Mehrheit stellten, hatten sie nur wenige Rechte, viele wurden von polnischen Gutsbesitzern ausgebeutet.
    "Die Grausamkeit steckt im Menschen selbst"
    Der Film zeigt auch, das die Gewalt mit den Besatzungsmächten in das damalige Ostpolen kam, mit der Roten Armee 1939 und ab 1941 mit der deutschen Wehrmacht. Sie lässt die Dorfbewohner zunehmend verrohen.
    Regisseur Smarzowski:
    "Ich wollte nicht sagen, dass die Menschen im Osten grausamer sind, die Grausamkeit steckt im Menschen selbst. Wir haben in der Geschichte viele Beispiele, was passiert, wenn eine Gruppe von Menschen von einer bestimmten Ideologie beherrscht wird und ungestraft Verbrechen begehen kann. Die Aussage des Films ist deshalb universal."
    In der Ukraine dürften das viele anders sehen. Schon der Beschluss des polnischen Parlaments, das Wolhynien-Massaker sei ein Völkermord, stieß dort auf Empörung. Der Film dürfte die Spannungen zwischen den beiden Ländern, die sich damals zeigten, in den kommenden Wochen noch einmal deutlich verstärken.