Ein Dutzend junger Männer in Tarnanzügen stehen in einem Waldstück im Kreis, es ist die Schlussbesprechung einer zweitägigen Trainingseinheit. "Habt Ihr etwas Wertvolles für Euch mitgenommen?", fragt der Ausbilder der US-Armee. Ein Übersetzer wiederholt die Frage auf Ukrainisch. "Ich habe mich wieder an die Monate im Schützengraben erinnert", antwortet einer der Ukrainer sarkastisch.
Die Soldaten der ukrainischen Nationalgarde sollten in diesen beiden Tagen lernen, wie sie sich in kleinen Gruppen behaupten können. Gerade, zum Abschluss, haben sie Stacheldraht rings um ihre Stellung gezogen und längliche Gruben ausgehoben. In ihnen können sie sich einzeln verschanzen. Ob das neu für sie war?
Mit den Medien dürfen die einfachen ukrainischen Soldaten nicht sprechen. Der Grund seien schlechte Erfahrungen mit der Presse, sagt Oberst Serhij Kapeljuschnyk:
"Ich bin den Streitkräften der USA sehr dankbar dafür, dass sie uns in dieser Not beiseite stehen. Diese Militär-Bruderschaft hilft unseren Soldaten auch psychologisch. Sie spüren die Solidarität der USA. Aber auch die Kentnisse der Partner sind für uns wertvoll. Wir hatten zum Beispiel keine Erfahrung damit, wie man einem Informationskrieg des Gegners entgegen tritt, wie man die Bevölkerung überzeugt. Da können wir wirklich etwas lernen."
Erste Priorität: die Überlebenschance erhöhen
Seit April trainieren US-Soldaten gemeinsam mit ukrainischen Uniformierten. Das Übungsgelände liegt in der Nähe von Jaworiw in der Westukraine. In einem Kulissendorf können die Schüler den Häuserkampf proben. Es gibt Hütten, die als Übungs-Checkpoints funktionieren. 235 ukrainische Soldaten der Nationalgarde haben das Programm mit dem Namen "Furchtloser Wächter" bisher abgeschlossen, etwa ebensoviele sind derzeit im Training. Wenn es im Herbst ausläuft, wird die kanadische Armee die Schulung übernehmen - dann mit einer anderen Armee-Einheit.
Das Redeverbot für die Soldaten könnte damit zusammenhängen, dass viele von ihnen im Konflikt in der Ostukraine schlimme Erfahrungen gemacht haben. Ihre US-Kollegen jedenfalls zeigen sich entsetzt über die hohen Verluste der Ukrainer. Es gebe Fortgeschrittene, aber einigen müssten noch die absoluten Grundlagen beigebracht werden, sagt Alexander Coslow, ein US-Leutnant, der mit seinen Soldaten gerade Schießübungen macht.
"Zum Beispiel bewegen unter Feuer, zum Beispiel, dass man nicht einfach zum Feind hinrennt, sondern in Zwei-Mann-Teams. Einer schießt von einer gesicherten Position, während der andere von der Seite sich bewegt und dann abwechselnd, dass man eine Stellung aufnimmt, schießt, während der andere sich bewegt, um den zu schützen. Das sind so ganz einfache Sachen, die wir versuchen, denen beizubringen."
Die Überlebenschance zu erhöhen, ist erste Priorität des Trainings. Deshalb spielt auch die medizinische Ausbildung eine große Rolle. Es gibt aber auch vieles, das die US-Ausbilder den Ukrainern nicht beibringen können: Einen konventionellen Krieg wie in der Ostukraine, mit klassischen Artilleriegefechten, haben die meisten US-Soldaten nie erlebt. Da könnten sie eher etwas von den Ukrainern lernen, sagen sie.
Russland schlachtet den Einsatz medial aus
Jedem US-Soldaten ist ein ukrainischer Uniformierter zugeordnet. Alexander Coslow aus Kalifornien, der in Deutschland aufgewachsen ist, hat ein enges Verhältnis zu seinem ukrainischen Partner entwickelt. Er hat erfahren, dass die Ukrainer in viele Gefechte schlechter ausgestattet gehen als die separatistischen Kämpfer:
"Ich glaube, dass es für einen Soldaten ziemlich schlimm ist, wenn man auf der unterlegenen Seite ist. Wenn der Feind besseren Nachschub hat, genug Munition, und ich glaube, das ist der Fall für ziemlich viele von diesen Einheiten."
Im Schlafraum der US-Soldaten zeigt ein junger Mann aus Michigan, wie schnell er sein Maschinengewehr zusammenbauen kann: in knapp 32 Sekunden. Von der Decke hängt hier groß die US-Flagge. Natürlich wissen die Soldaten, dass solche Bilder in Russland ausgeschlachtet werden. "Die Amerikaner sind in der Westukraine einmarschiert", titelte eine russische Zeitung. Moskau nimmt die gemeinsamen Übungen als Beweis dafür, dass die USA nur näher an die russische Grenze heranrücken wollten. Die US-Soldaten sprechen zwar nicht viel und nicht gerne über Politik. Aber es gehe hier nicht gegen Russland, beteuern sie: Sie wollten der Ukraine nur helfen, ihre Souveränität zu verteidigen.