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Ukraine-Wahl
Erste Sondierungsgespräche geplant

In der Ukraine scheint nach der Parlamentswahl eine Koalition aus dem Block Poroschenko, Jazenjuks Volksfront und der als proeuropäisch geltenden Partei "Selbsthilfe" am wahrscheinlichsten. Schon heute wollen die Parteien erste Sondierungsgespräche führen.

Von Johanna Herzing | 27.10.2014
    Wahlhelfer in Kramatorsk beginnen nach der ukrainischen Parlamentswahl mit der Auszählung der Stimmen.
    Die Ukrainer haben nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch ein neues Parlament gewählt. (AFP / Genya Savilov)
    Die Partei des Präsidenten, der Block Poroschenko, und die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk, Volksfront, liefern sich offenbar ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach Auszählung eines Teils der Stimmen liegen laut Angaben der Wahlkommission sowohl Jazenjuks Volksfront als auch die Präsidentenpartei bei rund 21 Prozent. Das war so nicht erwartet worden, Umfragen hatten dem Block Poroschenko rund 30 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Kurz nach Schließung der Wahllokale und nach Bekanntwerden der ersten Wählerbefragungen zeigte sich Präsident Petro Poroschenko dennoch zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei:
    "Die Ergebnisse der Wählerbefragungen haben es bestätigt: Die Wahlen vorzuziehen, war die richtige Entscheidung. Ich bin sicher, in wenigen Tagen werde ich sagen können, dass ich als Präsident mit dem Wahlergebnis zufrieden sein darf. Jetzt noch Reformen weiter hinauszuzögern, wäre tödlich. Deswegen erwarte ich umgehend die Bildung einer Koalition. Ich selbst werde diesen Prozess vorantreiben, sodass schnell eine neue Regierung steht und wir das erste Reformpaket verabschieden können."
    Partei "Selbsthilfe" drittstärkste Kraft
    Am wahrscheinlichsten scheint derzeit eine Koalition bestehend aus dem Block Poroschenko, Jazenjuks Volksfront und der Partei "Selbsthilfe". Sie ist nach bisherigen Erkenntnissen überraschend drittstärkste Partei geworden. Die neue politische Kraft wird vom Bürgermeister von Lemberg, Andrij Sadovij, angeführt. Sie war im Wahlkampf mit überwiegend neuen Gesichtern angetreten - anders als viele ihrer Konkurrenten, die auf prominente Kandidaten gesetzt hatten - etwa Kriegshelden, Maidan-Aktivisten oder Wirtschaftsgrößen. Die "Selbsthilfe" gilt als proeuropäisch und macht sich für Reformen stark, insbesondere für eine Dezentralisierung und Regionalisierung des Landes. Parteichef Sadovij kündigte bereits seine Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen an, stellte jedoch auch Bedingungen:
    "Angesichts des Kriegs im Osten bin ich der festen Überzeugung, dass alle sachlich denkenden Kräfte zusammenarbeiten müssen. Allerdings bin ich dagegen, die Ministerposten nach Quoten aufzuteilen, das ruiniert unser Land. Wir brauchen passende, qualifizierte und durchsetzungsstarke Minister. Wir brauchen Leute, auf die wir stolz sein können."
    Erste Sondierungsgespräche
    Schon heute wollen die Parteien erste Sondierungsgespräche führen. Die proeuropäischen Kräfte dürften ohne Schwierigkeiten eine Mehrheit im Parlament erreichen. Enttäuscht sind die Anhänger der "Radikalen Partei" von Oleh Ljaschko, die nicht wie vorher vermutet zweitstärkste Kraft wurde, sondern nur an fünfter Stelle landen dürfte. Die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko dürfte wohl knapp den Einzug ins Parlament geschafft haben. Unsicher ist noch, ob die Partei Swoboda, bisher an der Regierung beteiligt, den Sprung über die fünf Prozent-Hürde schafft. Stattdessen hat der sogenannte "Oppositionsblock", hinter dem sich viele ehemalige Janukowytsch-Anhänger aus der Partei der Regionen sammeln, offenbar einen Überraschungserfolg erzielt. Er dürfte auf mehr als neun Prozent der Stimmen kommen. Vor allem im Osten und Südosten des Landes hatte er hohe Zustimmungswerte. Der Parteichef von Swoboda, Oleg Tjahnybok, kommentierte das gute Abschneiden dieser prorussischen Kräfte so:
    "Es ist nicht gut, dass mit dem Oppositionsblock doch revanchistische Kräfte im Parlament vertreten sind - allerdings in einer Minderheit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Ukraine wird es ein wahrhaft proukrainisches und kein prorussisches Parlament geben."
    Präsident Poroschenko hat indessen angekündigt, seinen Friedensplan beizubehalten und weiter auf eine nicht-militärische Lösung des Kriegs im Osten der Ukraine zu setzen.