Archiv

Ukrainische Sportler im Krieg
Hilfe mit Waffen und Stiftungen

Viele ukrainische Sportlerinnen und Sportlern tun momentan alles dafür, ihrem Heimatland zu helfen. Der Sport spielt in diesen Tagen und Wochen eine elementare Rolle, Hilfe für die Ukraine kommt aus der gesamten Sportwelt.

Von Raphael Späth | 18.04.2022
Mit Lebensmitteln, Jacken, Taschenlampen und anderen Waren unterstützt der Stadtsporbund Cottbus Flüchtlinge im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet.
Mit Lebensmitteln, Jacken, Taschenlampen und anderen Waren unterstützt der Stadtsporbund Cottbus Flüchtlinge im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet. (Tobias Schick)
„Als der Krieg Ende Februar ausgebrochen ist, stand die ganze Ukraine vereint für den Sieg. Und viele Athleten haben auch zu den Waffen gegriffen“ , sagt Liliia Prots. Sie war früher selbst Leistungssportlerin, als Powerlifterin im Kraftdreikampf war sie für die Ukraine bei internationalen Wettbewerben am Start. Heute wohnt sie in Ternopil im Westen der Ukraine und arbeitet nebenbei als Managerin für Biathlet-Olympiasiegerin Olena Bilossjuk. Wie so viele andere Sportlerinnen und Sportler hat auch Bilossjuk sich dazu entschieden, der Nationalgarde beizutreten.
„Wir haben viele Medaillengewinner vom Boxen, Biathlon, Schießen oder dem Ringen. Olena hat sich auch gemeldet und hat gesehen, dass dem Militär Munition fehlt und hat deshalb entschieden, eine Stiftung zu gründen, die das Militär unterstützt.“ Liliia Prots managet diese Stiftung. Bisher haben Fans aus der Ukraine mehr als 1.500 Euro gespendet. Das Geld soll in Munition und militärische Ausrüstung investiert werden, sagt Prots.
„Die Ukrainer sind stolz auf ihre Athleten, die für ihr Heimatland aufstehen. Und diese Sportler und Trainer kommen aus allen möglichen Sportarten. Fußball, Boxen, Biathlon, Judo, Schwimmen, aus der Leichtathletik. Ein paar sind dem Militär beigetreten. Viele Athleten haben sich auch als Freiwillige gemeldet, um humanitäre oder militärische Hilfe zu organisieren.“
 „In den ersten zwei Wochen nach Kriegsausbruch war ich nur darauf fokussiert, jedem zu helfen, dem ich nur helfen kann“, sagt Schwimmer Andrii Govorov, der Ende Februar noch im Trainingslager in Deutschland war: „Meiner Familie, anderen Flüchtlingen, Nachwuchsathleten. Und gleichzeitig habe ich als Athletensprecher mit den internationalen Verbänden gesprochen und Sanktionen gegen russische Athletenen initiiert. Das war sehr viel Arbeit, ich habe nicht einmal vier Stunden pro Tag geschlafen.“

"Niemand wird dir eine Waffe geben"

Govorov hat, wie viele andere ukrainische Spitzensportler*innen auch, eine Stiftung gegründet. Über 20.000 Euro kamen dabei schon zusammen. Geld, das dazu verwendet wird, Familien und schwachen Menschen aus den Krisenregionen in der Ost-Ukraine bei der Flucht zu helfen und sie umzusiedeln.
Er selbst hat sein Haus in Dnipro zur Verfügung gestellt, ein Freund versucht von dort aus, die Hilfsaktionen zu koordinieren. Zu Beginn des Krieges hat Andrii Govorov auch überlegt, zurück in die Heimat zu reisen und dem Militär beizutreten. Mehrere Politiker haben ihm davon aber abgeraten: „Sie haben gesagt: Zuerst einmal warst du noch nie Soldat. Und niemand wird dir eine Waffe geben, wenn du nicht weißt, wie du damit umgehen musst. Sie haben gesagt: Die beste Waffe, die Du hast, ist die internationale Sport-Gemeinschaft.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Unterstützung erhält Govorov, aktueller Weltrekordhalter, momentan von Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt. In Finnland, Spanien oder Deutschland finden Profi- aber auch Nachwuchsschwimmer momentan Asyl. Sobald der Krieg gewonnen ist, will Govorov mit dem übrig gebliebenen Geld ein neues Schwimmbecken in Mariupol bauen. Unterstützung aus Russland erhofft er sich dabei nicht:
„Ich brauche keine Spenden aus Russland. Obwohl ein Teil meiner Familie russisch ist. Aber ich weiß, was dort passiert. Ich bin stolz drauf, Ukrainer zu sein und ich bin stolz darauf, wie stark meine Nation ist. Und ich bin dankbar für die Unterstützung aus der ganzen Welt.“
„Da sieht man, dass diese persönliche Verbindung, die manchmal beim Wettkampfgeschehen auf absolutem Top-Niveau ein bisschen aus dem Bild gerät, dass in Wirklichkeit wirklich eine Verbindung auf der persönlichen Ebene herstellt, die sich gerade in so einer besonderen Ausnahmesituation als sehr belastbar zeigt“, sagt Christian Sachs.
Er ist der Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Olympischen Sportbundes. Auch der DOSB hilft in diesen Tagen und Wochen bei der Integration von geflüchteten Menschen im Breiten- aber auch im Spitzensport. Knapp 150 Leistungssportlerinnen und Leistungssportler aus der Ukraine trainieren inzwischen an deutschen Stützpunkten, der DOSB selbst hat in Kooperation mit der Deutschen Sporthilfe einen Soforthilfefonds für ukrainische Athletinnen und Athleten aufgesetzt.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

„Wir sind dank der Unterstützung der Landessportbünde inzwischen bei einer Gesamtsumme, die wir da zusammentragen haben können, von gut 250.000 Euro. Die wir an ganz konkrete Projekte, die Verbände und Vereine zugunsten von ukrainischen geflüchteten Sportlerinnen und Sportlern durchführen, verteilen.“

Felix Loch: Hilfsgüter hin-, Menschen zurückbringen

Einer dieser Vereine ist der Verein „Athletes for Ukraine“. Gegründet von Biathlon-Olympiasieger Jens Steinigen haben sich innerhalb weniger Wochen hunderte aktive und ehemalige Profi-Sportlerinnen und -sportler zusammengetan, um den Menschen in der Ukraine zu helfen: „Ich hab schon so viele schöne Sachen in meinem Leben erfahren dürfen, das war von Anfang an klar: Ich muss da was zurückgeben, in welcher Form auch immer. Jetzt haben wir diesen Krieg in der Ukraine und den Leuten muss man einfach helfen.“
Rodel-Olympiasieger Felix Loch ist von Beginn an bei „Athletes for Ukraine“ mit dabei. Mit anzupacken und zu helfen – für Loch eine Selbstverständlichkeit. Inzwischen war der Verein schon drei Mal an der polnisch-ukrainischen Grenze. Felix Loch war am Karfreitag zum zweiten Mal mit dabei:
„Es läuft eigentlich relativ simpel: Wir waren diesmal mit 23 Kleinbussen unterwegs. Wir haben die Kleinbusse hier bei uns vollgemacht mit unterschiedlichsten Sachen, die da drüben gebraucht werden. Und dann sind wir zu einem Erstauffanglager in Polen und dann haben wir die Autos wieder mit Familien größtenteils Mütter und Familien – es waren auch ein paar ältere Leute mit dabei –wieder mit nach Deutschland genommen.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

In Deutschland angekommen, organisiert der Verein auch Aktionen wie Sportnachmittage für Kinder und Familien, um den Menschen aus der Ukraine etwas Ablenkung zu bereiten. Der Sport, er hilft in diesen Tagen, wo es nur geht. Auch das Internationale Olympische Komitee hat inzwischen mehr als zwei Millionen Euro an Hilfsgeldern zur Verfügung gestellt. Der Deutsche Olympische Sportbund befindet sich mit dem IOC, aber auch dem ukrainischen Olympischen Komitee in engem Austausch, sagt DOSB-Büroleiter Christian Sachs:
„Wir haben da enge Kontakte innerhalb der Sportfamilie. Das ist beeindruckend zu sehen, wie Solidarität in der Gesamtgesellschaft funktioniert, aber eben auch in unserem eigenen Sportkosmos.“