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Ukrainisches Fernsehen
Kritische Berichterstattung unerwünscht?

Mitten in der heißen Phase des ukrainischen Präsidentschaftswahlkampfs sorgt ein Medienskandal für Diskussionen: Der Aufsichtsrat des nationalen Fernsehens hat den Chef des Senders, Surab Alasanija, entlassen. Viele Beobachter sehen den Grund in dessen kritischer Berichterstattung.

Von Florian Kellermann | 13.02.2019
    Surab Alasanija, Chef des nationalen ukrainischen Fernsehsenders NTU, spricht im September 2016 bei einer Pressekonferenz in Kiew.
    Surab Alasanija, Chef des nationalen ukrainischen Fernsehsenders NTU, spricht im September 2016 bei einer Pressekonferenz in Kiew. (picture alliance / dpa)
    Surab Alasanija protestiert gegen seine Entlassung. Nach der ersten Entscheidung des Aufsichtsrats erklärte er:
    "Das ist doch alles nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Die Sitzung des Aufsichtsrats war nicht öffentlich. Es ist unklar, was mir vorgeworfen wird. Wenn mich der Aufsichtsrat in einer öffentlichen Sitzung entlässt und das begründet - von mir aus, dann gehe ich."
    Später tauchte dann doch ein Protokoll der Aufsichtsratssitzung auf. Alasanija sei vor allem schlechtes Management vorgeworfen worden, heißt es da. So seien die Gelder eines Fonds, der die Arbeit des nationalen Fernsehens unterstützt, nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden.
    Innenminister protestiert gegen Alasanijas Entlassung
    Eine andere Erklärung lautet dagegen: Die Berichterstattung des nationalen Fernsehens soll Präsident Petro Poroschenko missfallen haben. Ende März stehen die Präsidentenwahlen an, Poroschenkos Wiederwahl gilt alles andere als sicher. Selbst Mitglieder der Regierung protestierten gegen die Entlassung des Rundfunk-Chefs. Innenminister Arsenij Awakow:
    "Ich halte es für keine gute Idee, einen Fernsehchef so kurz vor den Wahlen zu entlassen. Und das auf eine Weise, die nicht rechtmäßig ist. Das ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit."
    Auch etwa 70 Journalisten haben reagiert - und die Gruppe "Iniative 34" gegründet. So wollen sie sich gegen Versuche von Politikern, die Medien zu zensieren, wehren. Die Zahl "34" steht dabei für den entsprechenden Artikel der ukrainischen Verfassung: Er garantiert die Meinungsfreiheit. Die Journalisten werten die Entlassung von Alasanija als Form der Zensur.
    Poroschenkos Lager ungehalten über Berichterstattung
    Surab Alasanija wurde im März 2014 Leiter des damals staatlichen Fernsehens - in der Folge der Massenproteste auf dem Maidan in Kiew. Er setzte die Forderung der Demonstranten um: Schluss mit Regierungspropaganda. Hintergrund-Sendungen mit Titeln wie "Unser Geld" decken Korruption auf und berichten überaus kritisch - auch über führende Politiker.
    Besonders ungehalten reagierte das Lager von Präsident Petro Poroschenko darauf, dass Alasanija über einige Veranstaltungen mit dem Staatsoberhaupt gar nicht berichten ließ. Darunter ein Wirtschaftsforum und eine Sitzung der UN-Generalversammlung.
    Dass der 54-Jährige seinen Hut nehmen sollte, stieß auch international auf Protest. Die OSZE zeigte sich besorgt. In der Ukraine gibt es neben dem nationalen auch viele private Fernsehsender. Doch die hätten einen Nachteil, sagt Jurij Butusow, Chefredakteur des Internet-Portals "censor.net":
    Entlassung nach Protesten verschoben
    "Diese Kanäle gehören alle bestimmten Oligarchen, bestimmten Finanz-Gruppen. Und die haben ihre politische Ausrichtung. Im Moment tendieren viele Kanäle zu einer umfangreichen und positiven Berichterstattung Präsident Poroschenkos."
    Das gilt allerdings nicht für die Kanäle des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, die in deutlicher Opposition zum Staatsoberhaupt stehen.
    Seit gestern steht fest, dass Zurab Alasanija nun doch zumindest bis Mai auf seinem Posten bleiben kann, also bis nach der Präsidentenwahl. Der Aufsichtsrat des nationalen Fernsehens hat auf die massive Kritik hin das Datum der Entlassung verschoben. Aber auch mit dieser Entscheidung will sich Alasanija nicht abfinden und notfalls vor Gericht gehen.