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Ukrainisches Sprachengesetz
Russisch soll Ausnahme werden

Russisch ist die Muttersprache von 40 Prozent der Menschen, die in der Ukraine leben. In Kiew hat das Parlament nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die russische Sprache aus dem öffentlichen Raum verdrängen soll. Noch ist es nicht verabschiedet, aber der Unmut ist groß.

Von Florian Kellermann |
    Eine Unterrichtsstunde in Ukrainisch an einer Grundschule in der Region Kiew, im Oktober 2017. Links im Bild die Lehrerin weist auf die Schüler.
    Schulstunde in der Region Kiew. Die ukrainische Sprache führte lange ein Schattendasein. In der Sowjetunion wurden die Menschen russifziert. Das wirkt bis heute fort. (imago/Pyotr Sivkov)
    Im westukrainischen Lemberg sprechen die meisten Menschen Ukrainisch. Und dennoch ist dort in den vergangenen Jahren immer mehr Russisch zu hören. Das liegt an den vielen Binnenflüchtlingen aus dem Donezbecken, aus der Ostukraine, die hierhergekommen sind.
    Eine Verkäuferin ist nicht gut auf die neuen Mitbürger zu sprechen:
    "Es wäre schon wichtig, dass sie Ukrainisch sprechen. Aber sie wollen einfach nicht, sie wollen es nicht lernen. Ich spreche Russisch - aber sie sollten sich doch anpassen, nicht ich. So sollte es sein."
    Die ukrainische Sprache führte in der Ukraine lange ein Schattendasein. In der Sowjetunion wurden die Menschen russifziert. Das wirkt bis heute fort.
    Russisch verschwindet nicht
    Ukrainisch ist zwar seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 die einzige Staatssprache. Aber Russisch gilt immer noch vielen als überlegen. So erscheinen die meisten Zeitschriften auf Russisch, im Fernsehen und Radio nimmt das Ukrainische nur durch eine Quotenregelung zu. Viele ukrainischsprachige Ukrainer hofften nach 2014 vergeblich, nach der Abkehr der Ukraine von Russland, das werde sich automatisch ändern. So Anastasija Roslutzka, die deshalb an dem Sprachengesetz mitgearbeitet hat:
    "Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass es meiner Generation gelingt, so ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Es betrifft alle Sphären des öffentlichen Lebens. Wenn Sie sich zum Beispiel als Kunde in einem Laden auf Ukrainisch an den Verkäufer wenden, dann müssen Sie auch auf Ukrainisch bedient werden. Wenn sich der Verkäufer weigert, kann er mit einer Geldstrafe belegt werden."
    Das gleiche gilt für Ämter. Wer Beamter werden will, muss künftig nachweisen, dass er die Staatssprache ausreichend beherrscht. Noch einschneidender ist die Regelung, dass alle öffentlichen Veranstaltungen auf Ukrainisch stattfinden müssen - oder mit einer Übersetzung ins Ukrainische. Das betrifft zum Beispiel private Fortbildungskurse, öffentliche Diskussionen oder Werbeveranstaltungen.
    Nach Fernsehen und Radio soll es nun auch eine Regelung für Zeitungen und Zeitschriften geben: Sie müssen, wenn sie in einer anderen Sprache erscheinen, gleichzeitig und in gleicher Form auch auf Ukrainisch erscheinen.
    Selbst Präsident Poroschenko skeptisch
    Das Gesetz gehe damit erheblich zu weit, meint der Journalist Roman Huba, der auf Russisch und Ukrainisch publiziert:
    "So ein Gesetz sollte die ukrainische Sprache unterstützen, aber doch nicht gegen eine andere Sprache gerichtet sein, die Ukrainer benutzen. Die russischsprachigen Ukrainer sind hier geboren, niemand hat sie mit Güterwaggons eingeschleust, und sie werden hier auch nicht einfach verschwinden. Ihre Ansichten müssen wir beachten, ob uns das gefällt oder nicht."
    Ein weiteres Argument der Gegner des Gesetzes: Es spiele Russland in die Hände. Der Nachbar habe es nun leichter, die Ukraine zu spalten. Deshalb haben viele Abgeordnete der Fraktion von Präsident Petro Poroschenko gegen das Gesetz gestimmt. Auch Poroschenko selbst äußerte sich skeptisch:
    "Ich gehe davon aus, dass die Abgeordneten bis zur zweiten Lesung ein ausgeglichenes Projekt ausarbeiten. Es sollte den europäischen Standards im Minderheitenschutz entsprechen. Und es sollte zur nationalen Einheit beitragen."
    Die Befürworter des Gesetzes argumentieren umgekehrt: Erst, wenn die russische Sprache in der Ukraine keine wichtige Rolle mehr spiele, verliere der Nachbar seinen Einfluss auf ihr Land.