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Ulrich Eberl: „Unsere Überlebensformel“
Mit Wissenschaft gegen den Weltuntergang

Klimawandel, Artensterben, Vermüllung der Meere: Die Menschheit bedroht die Zukunft ihrer eigenen Spezies. Doch es gibt noch Wege und Möglichkeiten, umzusteuern. Welche das sind, schreibt der Zukunftsforscher Ulrich Eberl in seinem neuen Buch.

Von Ralph Gerstenberg |
Ulrich Eberl und sein Sachbuch "Unsere Überlebensformel. Neun globale Krisen und die Lösungen der Wissenschaft"
Eberl beschreibt Lösungen für globale Krisen (Foto: © Peter Hassiepen / Piper Verlag, Buchcover: Piper Verlag)
Dass die Menschheit, vor allem in den Industriestaaten, über ihre Verhältnisse lebt und kaum Zeit bleibt, um den Klimawandel zu stoppen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Doch was kann man tun, um den Raubbau an der Natur einzudämmen und die Lebensgrundlage für kommende Generationen zu erhalten? Ulrich Eberl sieht die Krise durchaus als Chance. Der rasante wissenschaftlich-technische Fortschritt der letzten Jahre und Jahrzehnte mache ihn zuversichtlich, dass die Menschheit das Ruder noch einmal herumreißen könne, bekennt der Autor:
„Denn gerade jetzt ballen sich nicht nur die Unwetter zusammen, sondern es häufen sich auch die Durchbrüche: bei mRNA-Impfstoffen gegen die Corona-Pandemie, in der Synthetischen Biologie, bei lernenden Maschinen, Neurochips und Quantencomputern. (…) Kurz: Die 2020er-Jahre könnten das Goldene Jahrzehnt des technologischen Wandels werden.“
Bei alldem sei es jedoch die größte Herausforderung, Widerstände zu überwinden und die Menschen für den technischen Wandel zu gewinnen. Dazu will Eberl einen Beitrag leisten, Zusammenhänge herausarbeiten und „die Hebel“ für die wichtigsten Weichenstellungen „identifizieren“, wie er schreibt. „Plakativ und pathetisch“ ausgedrückt, gehe es um nicht mehr und nicht weniger als um „Unsere Zukunftsformel“.

„Champagner der Energiewende“

Weniger pathetisch und plakativ geht es zunächst um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Hier setzt der Buchautor und Zukunftsforscher neben Wind und Sonne vor allem auf grünen Wasserstoff, der nicht nur als Speichermedium für Ökoenergie attraktiv ist, sondern sich auch zur Umwandlung von CO2 in klimafreundliche Treibstoffe eignet. Fachleute, so Eberl, bezeichneten ihn gar als „Champagner der Energiewende“.
„Wie Champagner sollte man ihn nur zu besonderen Gelegenheiten konsumieren, denn es wird immer kostengünstiger sein, elektrischen Strom direkt zu verwenden als den Strom aus Wasserstoff. Der Grund ist einfach: Wird Ökostrom in Wasserstoff umgewandelt und der dann wieder zurück in Strom, geht selbst unter optimalen Bedingungen die Hälfte der Energie verloren. (...) Doch andererseits ist eine kostspielige Umwandlung immer noch besser, als wenn der Strom gar nicht gespeichert werden kann oder man Windräder aus dem Wind drehen muss, weil niemand den gerade erzeugten Strom abnehmen kann.“
Insgesamt neun Krisen macht Ulrich Eberl aus, in denen wir uns gegenwärtig befinden. Neben der Energieversorgung sind Mobilität, Urbanität, Konsum, Artensterben, Landwirtschaft, Krankheiten, Intelligenz und Wandel Teilbereiche einer großen globalen Gesamtkrise, in der alles mit allem zusammenhängt.

Mobilität und Massentierhaltung

Jeder dieser Teilkrisen widmet Eberl ein Kapitel in seinem Buch. Zunächst beschreibt er jeweils den Status Quo mit den Auswirkungen auf Natur und Umwelt, dann die Möglichkeiten technischer Innovationen, Fehlentwicklungen zu korrigieren.
Im Mobilitäts-Kapitel ist es das Elektroauto, in dem der ehemalige Daimler-Benz-Mitarbeiter die Zukunft sieht. Dabei tritt er dem Vorurteil entgegen, dass die CO2-Bilanz eines E-Autos, bezieht man die Emissionen des Produktionsprozesses mit ein, derzeit kaum besser ist als die eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Schon heute, mit dem üblichen Energie- und Strommix, verursache ein Elektroauto zirka zwei Drittel weniger Treibhausgase als ein Verbrenner mit einer Fahrleistung von 250 000 Kilometern, bemerkt Ulrich Eberl:
„Je mehr erneuerbare Energien künftig zur Verfügung stehen, desto deutlicher gewinnt das E-Auto, denn dann wird nicht nur der Betrieb CO2-frei. (...) Gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren würden künftige E-Autos 90 Prozent weniger Treibhausgase verursachen – und noch positiver wird die Bilanz, wenn ihre ausgedienten Batterien ein »second life« erleben. So gehen Experten davon aus, dass Fahrzeugbatterien, die 20 oder 30 Prozent ihrer Kapazität eingebüßt haben, mindestens noch ein weiteres Jahrzehnt als Stromspeicher für Solaranlagen dienen können.“
Auch bei der Massentierhaltung sieht Eberl Handlungsbedarf. Die Methan-Emission der etwa 1,4 Milliarden Rinder weltweit könnte um 80 Prozent reduziert werden, wenn man den Tieren täglich nur 80 Gramm einer Rotalge ins Futter mischen würde.

Klimawandel und Wertewandel

Doch warum ist es trotz eindeutiger Befunde, einer weltweiten Klimabewegung und technologischer Fortschritte so schwer, schnelle und wirksame Maßnahmen gegen Klimawandel und Umweltzerstörung tatsächlich durchzusetzen? Ulrich Eberl verweist in diesem Zusammenhang auf eine internationale Studie, in der Wissenschaftler soziale Kippmechanismen ausgemacht haben, die eine Wende beim Klimaschutz bringen könnten.
„Am längsten, sagen sie, dauert der Wandel von Werten und Normen. Hier müsse man mit 30 bis 40 Jahren rechnen, bis eine Mehrheit der Menschen das Verfeuern von Kohle, Öl und Gas als ebenso unmoralisch ansehen würde wie heute das Rauchen im Restaurant. Das ist eine Generationenfrage.“
Zukunft sei nichts, was einfach passiert, sie werde gemacht, von uns allen, appelliert Ulrich Eberl am Ende seines Busches an seine Leser. Darin zeigt er, was möglich wäre, wenn technisches und wissenschaftliches Know-how konsequent im Sinne von mehr Nachhaltigkeit, Gesundheit und Umweltschutz genutzt werden würden.
Manchmal - wie im Kapitel über Smart Cars und Flugtaxis - gewinnt die Technikbegeisterung des promovierten Biophysikers ein wenig die Oberhand. Doch insgesamt bietet sein Buch einen kenntnisreichen Einblick in Technologien und Forschungsgebiete, die im Zusammenspiel mit einer bewussteren und solidarischeren Lebensweise künftigen Generationen nicht nur das Überleben, sondern eine lebenswerte Zukunft sichern könnten.
Ulrich Eberl: „Unsere Überlebensformel. Neun globale Krisen und die Lösungen der Wissenschaft“
Piper Verlag, 416 Seiten, 24 Euro.