Die NATO wirft Russland zum ersten Mal in dieser direkten Form einen schwerwiegenden Bruch des INF Vertrages vor. "Erst haben sie die Existenz des Waffensystems geleugnet, als es nicht mehr zu leugnen war, haben sie es zu gegeben und behauptet, es befinde sich im Einklang mit dem Vertrag", sagte US Außenminister Pompeo am Abend in Brüssel. Es füge sich ein in ein bekanntes Verhaltensmuster: Georgien, Ukraine die Krim, Skrypal, jetzt die Meerenge von Kertsch.
"Innerhalb von 60 Tagen werden die USA den Vertrag suspendieren, wenn sich Russland in dieser Zeit nicht wieder völlig daran hält."
Pompeo ließ allerdings auch erkennen, dass es bisher keine Anzeichen für einen solchen Sinneswandel gibt. Die Frist war im Interesse der europäischen Partner, die darum gebeten hatten, dass der Vertrag nicht sofort gekündigt wird, wie der deutsche Außenminister Heiko Maas am Abend bestätigte.
"Wir haben uns in den letzten Wochen in den unterschiedlichsten Ebenen dafür eingesetzt, dass es nicht zu einer Kündigung kommt, das stand allerdings im Raum. Dazu ist es nicht gekommen. Das ist, wie ich finde, ein Erfolg."
"Es steht viel auf dem Spiel"
Man habe Zeit gewonnen und die müsse genutzt werden, so Maas, in den nächsten 60 Tagen würden sicher viele Gespräche geführt.
"Ich hoffe, dass dieser 'last call' jetzt auch dazu führt, dass alle Möglichkeiten unternommen werden, um Vertragstreue wiederherzustellen. Das wird nicht einfach, weil es in den letzten Jahren auch nicht einfach war. Aber es steht viel auf dem Spiel und das müssen alle wissen. "
Es gab Einigkeit bei der NATO - anders wäre die gemeinsame Erklärung aller 29 Staaten nicht zustande gekommen, in zehn Punkten auf einer Seite. Die Verletzung des INF Vertrages sei ein beträchtliches Risiko für die Euroatlantische Sicherheit, heißt es da. Über fünf Jahre hätten die Verbündeten ihre Bedenken erhoben, Russland nur mit Leugnung und Verschleierung reagiert. Dennoch wird am Ende betont, dass die NATO weiter ein konstruktives Verhältnis zu Russland anstrebt und offen für den Dialog bleibt.
Zweites Übergangsfenster für Verhandlungen
Gefragt, welche Reaktionen von der NATO zu erwarten sei, falls sich Russland weiterhin nicht an den Vertrag halte sagte NATO- Generalsekretär Jens Stoltenberg, es wäre falsch jetzt über die verschiedenen Optionen zu spekulieren.
Wichtig ist aus seiner Sicht: Die Reaktionen werden maßvoll und kollektiv im Bündnis erfolgen. Und zweitens: Eine glaubhafte Abschreckung und Verteidigung werde aufrecht erhalten. Es dürfe kein Zweifel daran aufkommen, dass die NATO auch in Zukunft alle Verbündeten verteidigen kann. Das sei der beste Weg um den Frieden zu erhalten.
Sollten die USA tatsächlich in oder innerhalb der nächsten 60 Tage aus dem INF Vertrag aussteigen, beginnt in diesem Moment erst eine Sechs-Monatsfrist, bis dieser Austritt wirksam wird. Ein Zeitfenster, das aus Sicht der NATO ebenfalls noch einmal für Verhandlungen genutzt werden könnte.