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Ultrarechte fordern Gesetz gegen Faktencheck
Spanische Partei Vox will Faktenchecker ausschalten

Ob in Talkshows, Parlamentsdebatten oder den Sozialen Medien: Immer häufiger werden falsche Zahlen und Fakten verbreitet. "Faktenchecker" haben sich zur Aufgabe gemacht, solche Zahlen zu prüfen. Die ultrarechte spanische Partei Vox will das verhindern.

von Hans-Günter Kellner |
Anhänger der rechtsextremen Partei Vox in Madrid
Anhänger der rechtsextremen Partei Vox in Madrid (picture alliance/Cezaro de Luca/dpa)
Spaniens ultrarechte Partei Vox sind kritische Medien schon lange ein Dorn im Auge. So bekommen die Tageszeitung El País oder der Radiosender Cadenaser keine Einladungen zu ihren Pressekonferenzen. Jetzt hat Vox auch Journalistinnen und Journalisten ins Visier genommen, die sich auf das "factchecking" spezialisiert haben. Vox-Abgeordnete Macarena Olona erklärte schon im April im spanischen Parlament:
"Sie wollen die Meinungen kontrollieren. Sie verfolgen die sozialen Netzwerke, identifizieren kritische Stimmen und zensieren Dissidenten. Sie haben dafür ein pseudostaatliches Wahrheitsministerium gegründet, in dem herausragende Unternehmen wie Newtral und Maldita eine Gestapo bilden, die darauf achtet, dass die offizielle Wahrheit eingehalten wird. Am Ende eliminieren sie die Dissidenten."
Faktenchecker per Gesetz "regulieren" lassen
Newtral, Maldita und EFE Verifica sind Redaktionen, die sich auf das Faktenchecken spezialisiert haben. Maldita dementierte zum Beispiel einen Vorwurf von Vox, dass die spanische Regierung und das öffentliche Fernsehen Bilder von Särgen mit Covid-19-Opfern zensieren würde. Die staatliche Televisión Española hatte die Bilder erst kurz zuvor ausgestrahlt. Der Partei sind die Faktenchecker so lästig, dass sie ihre Arbeit nun per Gesetz regulieren will. Carla Jiménez Cruz, Chefredakteurin von maldita, meint dazu:
Clara Jiménez Cruz im Video der Faktenchecker Maldita
Clara Jiménez Cruz im Video der Faktenchecker Maldita (maldita.es)
"Klar, wenn man Vox bei einer Lüge erwischt, wissen sie nicht, wie sie reagieren sollen. Darum wollen sie jetzt, dass niemand mehr ihre falschen Behauptungen aufdecken kann. Ich kann da nur sagen: 'Willkommen in der Welt des Journalismus.' Diese Arbeit machen ja nicht nur wir die factchecker, das machen alle Journalisten."
Die schlecht Informierten erreichen
Mit ihrer Gesetzesvorlage verlangt Vox nun, dass offizielle Stellen falsche Behauptungen nicht korrigieren dürfen, dass Meinungen grundsätzlich von niemandem richtiggestellt werden dürfen und dass über die Richtigkeit einer Behauptung künftig nur noch Gerichte urteilen dürfen. Der Antrag hat zwar keine Chance auf eine Mehrheit im Parlament. Trotzdem hat Vox etwas erreicht: Die Partei ist im Gespräch, und unter ihren möglichen Anhängern diskreditiert sie die Faktenchecker als regierungsnah und politisch links, erklärt Clara Jiménez Cruz:
Santiago Abascal, Parteichef der ultrarechten spanischen Vox-Partei
Vox-Chef Santiago Abascal bei der Europawahl (picture alliance/Alejandro Martinez Velez/Sputnik/dpa)
"Wir richten uns nicht an die Leute, die schon einschätzen können, ob eine Behauptung richtig oder falsch ist. Wir arbeiten für die eher schlecht Informierten, die mit falschen Behauptungen bombardiert werden, um sie zu manipulieren. Die Menschen sollen frei entscheiden können, aber mit den korrekten Informationen. Doch wir erreichen sie immer weniger. Weil ihnen jemand sagt, dass wir Zensoren sind, dass wir die Gestapo sind. Damit können wir unsere Aufgabe nicht mehr im gleichen Maß erfüllen."
Auch andere Parteien werden korrigiert
Dabei korrigieren maldita und andere Faktenchecker Vox gar nicht so oft. Denn die Partei verkleidet falsche Tatsachenbehauptungen oft als Meinungen. Regierungschef Pedro Sánchez hatte im Streit um die Quarantänepflicht für Spanienrückkehrer in Großbritannien dagegen jüngst erklärt, es gäbe in Spanien im Durchschnitt weniger Infektionen mit dem SARS-CoV2-Virus als in Großbritannien. Maldita stellte klar: Dies gelte nur für sieben von 17 spanischen Regionen.
"Die Rechten greifen uns mit Gesetzesvorlagen an, werfen uns vor, politisch links zu stehen und die Regierungswahrheit zu verbreiten. Dabei haben wir in 60 Prozent unserer Veröffentlichungen Erklärungen von Regierungsvertretern korrigiert, 20 Prozent von Politikern der Volkspartei und je zehn Prozent von Vox und von Podemos."
Podemos gründet eigene Onlinezeitung
Nemesio Rodríguez von der Föderation der spanischen Journalistenvereinigungen FAPE meint, Vox wolle unabhängige Medien als Mittler zwischen der Politik und den Menschen auf der Straße ausschalten. Doch eine solche Tendenz sieht er bei allen Parteien. Die linke Podemos hat inzwischen eine eigene, ihr nahestehende Onlinezeitung gegründet, und auch die Regierung von Pedro Sánchez nimmt der Verbandssprecher nicht von seiner Kritik aus:
"Journalisten kommen in eine immer schwächere Situation, auch durch die sinkenden Einkommen und immer schlechteren Arbeitsverhältnisse. Die Medien sind in der Defensive. Als zu den Pressekonferenzen der Regierung aufgrund des Infektionsrisikos keine Journalisten persönlich im Saal anwesend sein konnten, ließ sich der Staatssekretär für Kommunikation die Fragen per whatsapp schicken und wählte daraus aus. Das wäre in anderen Zeiten völlig undenkbar gewesen."