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Umbau der Deutschen Bank
"In Strategien rein und wieder raus"

Ohne Postbank, ohne 200 Filialen, ohne "langfristige Strategie" - der Bankenexperte Wolfgang Gerke ist nicht überzeugt vom Kurs der Deutschen Bank. Vor allem das Abstoßen der Postbank sei ein "großer Fehler", sagte der Präsident der Denkfabrik "Bayerisches Finanzzentrum" im DLF.

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Christoph Heinemann | 27.04.2015
    Die Co-Vorstandsvorsitzende Anshu Jain (r) und Jürgen Fitschen.
    "Herr Fitschen viel weniger belastet als Anshu Jain." (picture alliance/dpa/Fredrik von Erichsen)
    Christoph Heinemann: Kurswechsel bei der Deutschen Bank. Das Ziel: Runter mit den Kosten. 200 Filialen sollen geschlossen werden, die Trennung von der Postbank wurde bereits am Freitag mitgeteilt, ebenfalls in der vergangenen Woche wurde die Höhe der Strafzahlung für den verbotenen Libor-Handel bekannt. 2,5 Milliarden Dollar kostet das die Eigentümer und die Kunden. Und der Blick nach vorne stimmt auch nicht zuversichtlich: Morgen beginnt der Prozess gegen Jürgen Fitschen, einen der beiden Vorstandschefs. Die Anklage wirft ihm versuchten schweren Betrug vor; das sind strafrechtlich gesehen keine Peanuts. Beide Vorstandschefs äußerten sich am Vormittag in Frankfurt am Main.
    Am Telefon ist Professor Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums e.V. Eine durch die Versicherungswirtschaft finanzierte Denkfabrik ist das. Guten Tag!
    Wolfgang Gerke: Durch den Staat finanziert. Wir sind neutral.
    Heinemann: Nicht durch die Versicherungswirtschaft?
    Gerke: Jawohl!
    Heinemann: Professor Gerke, ist die Trennung von der Postbank zwingend notwendig?
    Gerke: Nein, ich sehe das nicht so. Natürlich hat die Bank Schwierigkeiten, die neuen Eigenkapital-Erfordernisse der Zukunft zu erfüllen, und da drückt die lange Bilanzsumme. Dennoch: Das ist ein hoch interessantes Investment gewesen, sehr kritisch. Ich habe es damals keineswegs so positiv beurteilt. Aber nachdem man sich da mal zu entschieden hat, das jetzt leichtfertig aufzugeben, halte ich für einen Fehler. Es sind fast 14 Millionen Kunden. Mit denen kann man Geschäfte machen, wenn man es richtig macht, wenn man stärker auch auf Digitalisierung beispielsweise setzt. Aber dass man diesen Faktor, der das Risiko der Bank erheblich gesenkt hat, wieder abgibt, halte ich für einen Fehler. Man macht sich viel zu abhängig von dem hoch volatilen, sehr risikobehafteten Investment-Banking.
    "Hier kommen auf die Mitarbeiter noch traurige Wahrheiten zu"
    Heinemann: Leichtfertig, haben Sie gerade gesagt?
    Gerke: Ja, natürlich muss die Bank sich Gedanken darüber machen, wie man die doch sehr erfolglose Zeit der Doppelspitze - die Versprechungen wurden nicht eingehalten, die man gemacht hat -, wie man diese beendet. Aber dass dieser Schritt hier ein Ende der Probleme sein soll, das sehe ich keineswegs. Die Postbank hat nicht die Renditen, die das Investment-Banking erzielt in guten Zeiten, aber sie hat solide Basisrenditen, und gerade das kann die Bank brauchen.
    Heinemann: Professor Gerke, welche Risiken und Nebenwirkungen stecken für die Postbank in einer möglichen Veräußerung über den Börsengang?
    Gerke: Die Frage, die sich hier natürlich stellt, ist: Wie kann die Postbank selber sich verschlanken? Wie kann sie kosteneffizienter werden? Diese Hausaufgabe muss gemacht werden, egal ob es Tochtergesellschaft der Deutschen Bank ist, ob sie an die Börse gebracht wird oder von einer anderen, beispielsweise internationalen Bank gekauft wird. Das heißt, hier kommen auf die Mitarbeiter noch traurige Wahrheiten zu. Es werden Zweigstellen abgebaut werden, es werden Mitarbeiter reduziert werden. Das sind traurige Wahrheiten und man sieht ja auch, dass die Gewerkschaft das durchaus auf der Agenda hat, und deshalb auch die jetzigen Streiks, wo man versucht, möglichst viele Arbeitsplätze möglichst lange zu sichern.
    Heinemann: Die Deutsche Bank entfernt sich vom Kunden. Zahlreiche Filialen sollen geschlossen werden. Lohnt sich Service für Banken nicht?
    Gerke: Doch! Service ist was ganz wichtiges bei Banken. Aber man muss sich nach gleichzeitig fragen, wie haben sich die Kunden geändert? Und man muss sich mit den Kunden ändern? Und in Zeiten des Internets betritt man eine Bankfiliale nur noch relativ selten, nur noch, wenn man sehr spezielle Probleme hat, und ansonsten reicht der Geldautomat. Das haben andere Banken auch schon erkannt und setzen es um, wie zum Beispiel die HVB, die diesen Schritt, der ja auch ein harter Schritt ist, bereits geht. Die BAG-Banken sind eine sehr harte Konkurrenz für Filialbanken, und da wird das Geschäft mit den Banken in zehn Jahren ganz anders aussehen. Da können auch ganz neue Wettbewerber herauskommen, die wie PayPal Zahlungssysteme anbieten und die gar nichts zu den traditionellen Banken dann gehören.
    "Kein Opfer der Bankenrettung"
    Heinemann: Brigitte Scholtes, Herr Professor Gerke, hat es eben gesagt. Die Banken müssen ja für Krisenfälle inzwischen mehr Geld auf die hohe Kante legen. Dieser Betrag verringert sich natürlich für die Deutsche Bank ohne Postbank. Kann man sagen, die Postbank ist jetzt ein bisschen das Opfer der Bankenrettung?
    Gerke: Nein, das kann man so nicht sagen, denn es ist natürlich auch für die Postbank selber eine neue Chance. Man ist jetzt freier, und wenn man da die richtige Strategie wählt, sich kostengünstiger aufstellt, möglicherweise auch bei einer anderen großen Bank andockt - beispielsweise ist die Bank Santander hier genannt -, dann hat man ganz gute Chancen im Markt. Für die Postbank sehe ich keineswegs deshalb schwarz, sondern im Gegenteil: Sie erhält mehr Freiräume, um sich zu entwickeln, und das kann für die Postbank auch eine Riesenchance sein. Natürlich wird man nicht alle Mitarbeiter halten können. Das ist die negative Seite, die ich schon angesprochen habe. Aber was die Ergebnisseite angeht, bin ich trotz der Niedrigzins-Phase, die wir haben und die der Postbank stark zu schaffen macht, wie allen anderen Banken, durchaus positiv für das Institut eingestellt.
    Heinemann: Der Umbau der Deutschen Bank ist geplant bis 2020, könnte bis zu 3,7 Milliarden Euro kosten. Nun wird die Bank schon seit 2012 umgebaut. Wieso dauert das so lang? Die Bank ist doch kein Flughafen.
    Gerke: Ja, aber die Bank wird ständig umgebaut und leider geht man da in Strategien rein und raus. Ich erinnere an die Gründung der Bank24, wo man die Privatkunden schon mal weg haben wollte und dann gemerkt hat, dass es vielleicht doch nicht ganz der richtige Schritt war. Dann hat man sie wieder reingeholt, die Bank24 geschlossen. Mit der Postbank macht man jetzt Ähnliches: Da holt man sich ganz neue Kunden herein aus dem Mehrmengengeschäft heraus, dann gibt man sie wieder ab. Das ist keine überzeugende langfristige Strategie und die Bank muss jetzt mal dafür sorgen, dass Ruhe einkehrt, ruhe auch gegenüber den Mitarbeitern, Ruhe gegenüber den Kunden, denn die Kunden der Deutschen Bank sind ganz schön leidensfähig bisher gewesen.
    "Herr Fitschen viel weniger belastet als Anshu Jain"
    Heinemann: Wie ist das zu erklären, dass so hochbezahlte Manager nicht fähig sind, ein Gesamtkonzept oder eine strategische Gesamtplanung vorzulegen?
    Gerke: Es ist natürlich hier viel zusammengekommen. Die Manager sind zum Teil sehr beschäftigt gewesen mit Prozessen.
    Heinemann: Sind sie ab morgen ja wieder!
    Gerke: Man muss sehen, dass morgen das wieder weitergeht und dass das auch viel Kapazität bindet, sehr viel kostet, wenn man sich anschaut, was der Libor-Skandal gekostet hat. All das sind Dinge, die in eine Bank nicht Ruhe einkehren lässt. Es sind Dinge, die, wenn ich auch an den Kirch-Prozess hier erinnere, über viele Jahre hinweg das strategische Denken auch behindert haben. Dennoch ist es keine Entschuldigung, denn entweder man muss das Führungsmanagement auswechseln, wenn es nicht genug Zeit hat, eine so große Bank zu leiten, oder man muss sagen, ja, wir sind dazu in der Lage, aber wir betreiben dann auch eine Politik, dass man in dem Ergebnis, was man einfährt, konkurrenzfähig ist mit anderen großen Instituten, die sich wesentlich besser platziert haben und die in der Finanzkrise ja viel mehr gelitten haben ursprünglich als die Deutsche Bank, aber dann viel schneller die Krise hinter sich gelassen haben.
    Heinemann: Ab morgen muss sich Jürgen Fitschen vor Gericht verantworten. Ist der Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze der Deutschen Bank gekommen?
    Gerke: Das wäre jetzt verfrüht. Ich war nie ein Anhänger, muss ich zwar gestehen, von der Doppelspitze, aber aus meiner Sicht heraus ist - und da schaut man gar nicht so stark hin im Moment - Herr Fitschen viel weniger belastet als Anshu Jain, weil Anshu Jain, das ist das Departement gewesen, wo die ganzen Skandale rausgekommen sind. Fitschen hat sich sehr vage geäußert in dem Kirch-Prozess und ob er sich da strafbar gemacht hat, das muss erst noch geklärt werden. Man sollte ihn nicht vorverurteilen. Sehr, sehr unangenehm ist aber, dass beide Leiter hier doch mit juristischen Problemen zu kämpfen haben, und für mich wiegt das, was da beim Libor-Skandal abgelaufen ist, viel, viel schwieriger als das, was man jetzt Fitschen vorwirft, wo man nicht einmal sagen kann, ob das in den strafbaren Bereich hineingegangen ist, denn irgendwelche Lügen hat er nicht verbreitet nach meiner Kenntnis.
    Heinemann: Professor Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Gerke: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.