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Umbau in deutschen Verlagen
Festangestellte auf Zeit statt Freiberufler

Feste Freie im deutschen Verlagswesen sind Journalisten, die überwiegend für ein bestimmtes Unternehmen arbeiten, die teilweise sogar ein eigenes Büro und feste Zuständigkeiten haben, offiziell aber Freiberufler sind. Doch mit dieser Praxis könnte schon bald Schluss sein – offenbar, weil die Verlage teure Strafzahlungen vermeiden wollen.

Von Christoph Sterz |
    Passanten gehen in der U-Bahn in Berlin an einem Kiosk vorbei.
    Kiosk: Viele Verlage sind nervös wegen Veränderungen rund um die festen Freien. (dpa / picture alliance / Ole Spata)
    Wer darf weitermachen, wer kann nach wie vor für seinen vielleicht einzigen Auftraggeber arbeiten? Diese Fragen stellen sich gerade viele Journalisten, zum Beispiel in Hamburg. Dort arbeitet Gruner+Jahr, also einer der größten Verlage Europas, noch mit vielen Freien zusammen, die zum Teil regelmäßig in den Räumen des Verlags Redaktionsdienste leisten und im Dienstplan auftauchen. Diese zum Teil regelmäßig Beschäftigten haben trotzdem keinen festen Vertrag, sondern gelten offiziell als Freiberufler. Und genau so etwas soll es in Zukunft nicht mehr geben, sagt der Sprecher von Gruner+Jahr, Frank Thomsen:
    "So, wie alle Verlage in Deutschland, überprüfen wir unsere Praxis der Zusammenarbeit mit den Freien gerade, weil sich die Anforderungen für die Zukunft verändern werden. Sie werden strenger. Und das auch, weil es einen neuen Gesetzesentwurf von Frau Nahles geben wird, den sie gerade auf den Weg bringt."
    Das geplante Gesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles soll den Missbrauch von Werkverträgen verhindern und genauer festlegen, ab wann jemand als scheinselbstständig gilt. Laut einem früheren Entwurf zum Beispiel, wenn jemand nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit zu gestalten, die Arbeitsleistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt oder ausschließlich beziehungsweise überwiegend für einen anderen tätig ist. Laut dem Ministerium gibt es zu dem Thema zurzeit letzte Gespräche innerhalb der Bundesregierung, gemäß dem früheren Entwurf sollen die neuen Regeln ab 2017 gelten.
    Nervosität in der Verlagsbranche
    Die genauere Definition von Scheinselbstständigkeit ist aber nach Meinung der Gewerkschaften nur ein Grund für die stärker werdende Nervosität der Verlage. Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass die Rentenversicherung und die zuständigen Behörden inzwischen die schon seit langem bestehenden Regeln stärker kontrollieren, meint Stefan Endter, Rechtsanwalt und Geschäftsführer vom Landesverband Hamburg des Deutschen Journalistenverbands:
    "Da ist nun in den letzten Monaten, im vergangenen Jahr der Fokus auch durch die staatlichen Behörden auf diese Beschäftigungsverhältnisse gelegt worden. Es hat ja auch Durchsuchungen in Verlagshäusern gegeben, der Axel-Springer-Verlag hat eine Selbstanzeige erstattet. Ich glaube, das ist Auslöser gewesen für alle Verlagshäuser, für alle Medienhäuser, an der Stelle jetzt zu klaren, belastbaren Beschäftigungsverhältnissen zu kommen."
    In der Tat ist aus vielen verschiedenen Verlagshäusern zu hören, dass sich etwas ändert bei der Zusammenarbeit mit freien Journalisten. Der Axel-Springer-Verlag bestätigt beispielsweise gegenüber Markt und Medien, dass es eine hausinterne Untersuchung gegeben hat, weil Zitat "nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Redaktionen der Axel-Springer-Gesellschaften branchentypisch eingesetzte freie Mitarbeiter in der Vergangenheit arbeitsrechtlich nicht richtig eingeordnet wurden". Das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen, weswegen sich der Verlag nicht weiter äußern könne. Noch deutlich wortkarger ist die Antwort auf ein gutes Dutzend an Fragen, die unsere Redaktion der Kölner DuMont-Mediengruppe geschickt hat.
    "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Details über interne und vor allem nicht zu individuell zu verhandelnden Beschäftigungsverhältnissen mitteilen können. Auch über den Umfang äußern wir uns nicht."
    Bei DuMont ermittelt der Zoll
    Dabei spielt neben der Selbstanzeige von Springer vor allem DuMont beim Thema der möglicherweise rechtswidrigen Beschäftigungsverhältnisse eine große Rolle. Denn im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der Zoll gegen den Verlag ermittelt: wegen des Verdachts der Beschäftigung von Scheinselbstständigen, in diesem Fall von Pauschalisten, für die der Verlag nicht die vollen Sozialabgaben abführt, die aber - so zumindest der Verdacht der Behörden - mutmaßlich ähnliche Tätigkeiten wie Festangestellte ausführen. Einige der bisherigen Pauschalisten sollen nach Informationen unserer Redaktion feste Verträge bekommen beziehungsweise diese schon bekommen haben.
    Andere Verlage haben ebenfalls bereits gehandelt: Feste Verträge statt Pauschalen – das ist zum Beispiel auch die Marschrichtung für die Onlineredaktion der "Süddeutschen Zeitung", für "Spiegel Online", für die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" und eben im besonders aktuellen Fall für Gruner+Jahr. Dort stellt sich wie in allen anderen Häusern auch ganz konkret die Frage, wie viele Menschen zukünftig für den Verlag arbeiten werden - und vor allem, zu welchen Konditionen. Gruner+Jahr-Sprecher Frank Thomsen:
    "Wir werden weiter auf jeden Fall auch mit Freien arbeiten. Wir werden uns aber auch von manchen Freien trennen. Und vor allem: Wir werden zahlreiche neue Jobs schaffen. Wir werden das tun zu fairen Konditionen: gute Gehälter, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Gewinnbeteiligung und alles, was dazugehört."
    Gewerkschaften befürchten schlechtere Konditionen
    Diese Aussage wird vonseiten der Gewerkschaften und Freien-Verbände zumindest mit Skepsis aufgenommen. Sie befürchten, dass viele der neuen Verträge mit einer nicht-tarifgebundenen Konzerntochter abgeschlossen werden. Und dass die Verträge eng befristet sein werden. Ähnliche Befürchtungen sind auch bei anderen Verlagen zu hören. Von Löhnen weit unter Tarif ist zum Beispiel die Rede bei DuMont in Köln, von engen Befristungen bei "Spiegel Online" in Hamburg. Das heißt: Es gibt zwar nun mehr feste Stellen, aber zum Teil zu wenig attraktiven Konditionen – und auch längst nicht für alle bisherigen Freiberufler, meint DJV-Mann Stefan Endter:
    "Die negative Seite der Medaille besteht darin, dass – das ist jedenfalls meine Befürchtung – wesentlich weniger dieser sogenannten Scheinselbstständigen in feste Arbeitsverhältnisse übernommen werden. Und ein größerer Teil quasi seine Existenzgrundlage in dieser Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Medienhaus verliert."