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Umbria Rock Festival
Der Traum eines Investment-Bankers

Die inzwischen kaum noch überschaubare europäische Festivalszene bekommt noch eines dazu: das Umbria Rock-Festival, das vom 1. bis 3. August erstmals stattfindet. Organisiert und finanziert hat es der indisch-stämmige Brite Yashwant Bajaj, ein früherer Investment-Banker.

Von Fabian Elsäßer |
    Die britische Rockgruppe The Kaiser Chiefs bei einem Auftritt im Juni 2014 auf dem Glastonbury Festival of Music and Performing Arts in Somerset im Südwesten Englands.
    Die britische Rockgruppe The Kaiser Chiefs soll auch beim Umbria Rock Festival auftreten. (AFP PHOTO / Leon Neal)
    "Ich bringe wohl alle Zutaten mit, um gehasst zu werden. Ich habe in einer Investment-Bank gearbeitet. Ich war Hedgefonds-Manager. Und ich war einer der leitenden Direktoren bei Lehmann Brothers - aber Investmentbanker zu verteufeln, erklärt jetzt auch nicht alles, wenn es der Wirtschaft schlecht geht."
    Wenn Yashwant Bajaj - kurz Yash - über seine berufliche Vergangenheit spricht, klingt das nüchtern bis selbstironisch. Der untersetzte 52-Jährige steht in kurzen Hosen und einem Batik-Shirt auf einer grünen Wiese in einem umbrischen Tal. Er sieht aus wie ein Tourist, der sich von der nahegelegenen alten Römerstraße hierher verirrt hat. Aber dass in diesem Niemandsland gerade Arbeiter eine haushohe Bühne errichten, ist allein ihm zu verdanken.
    Auf dieser Bühne werden bald die Stars des ersten Umbria Rock Festivals spielen. Kaiser Chiefs, Peter Hook, Paul Weller und einige mehr - lauter große Namen der britischen Szene. Ein ebenso schlüssiges wie persönliches Programm des frischgebackenen Konzertveranstalters.
    Verschlafen wäre untertrieben
    "Ich war schon immer ein Musikliebhaber und bin früh bei den großen Festivals gewesen. Dieses Lineup spiegelt meinen Background wieder: britischer Rock und Pop, der mehrere Generationen anspricht. Paul Weller zum Beispiel - der war ja früher ein New-Wave-Typ und heute ist er diese Stil-Ikone: der Modfather."
    So wird Weller von jüngeren Musikern genannt. Wenn Yash über Musik fachsimpelt, dann blitzt in jedem Satz ein tiefes Wissen über die Popgeschichte auf. Doch dabei bleibt er immer leise und bescheiden, dieser Hobbygitarrist, der früher Millionengeschäfte verantwortet hat. Doch diese Berufserfahrung nimmt ihm die Angst vor dem finanziellen Risiko. Denn es steckt viel Geld im Umbria Rock Festival. Sein eigenes und das ehemaliger Kollegen.
    "Das hier ist viel kreativer als einen Hedgefonds zu leiten. Da gewinnt jemand, und jemand anders verliert. Aber mit so einem Festival schafft man etwas, das einen Wert hat für viele Menschen. Wir hoffen schon, dass wir ein bisschen daran verdienen, doch niemand von uns hätte hier investiert, wenn er nicht von Musik begeistert wäre."
    Drei Tage Musik - und parallel dazu ein Filmprogramm, für das Yash sogar in Cannes eingekauft hat. Warum er für das Festival ausgerechnet diese schwer erreichbare Gegend ausgesucht hat? Er macht seit Jahren hier Urlaub. Massa Martana hat 4.000 Einwohner, kaum Kneipen, aber fast 20 Kirchen. Verschlafen wäre untertrieben.
    Fast wie eine griechische Tragödie
    Mitten in der Altstadt liegt das Festival-Büro. Yash und seine Assistentin Sophia Lösch schultern dort die ganze Organisation zu zweit. Geben Interviews, buchen Flüge für Künstler, schalten Werbung. Wie viele Zuschauer zur Premiere kommen werden, lässt sich noch nicht abschätzen, sagt Sophia.
    "Italiener kaufen nie vorher. Weil die Wirtschaftssituation nicht gerade wunderschön ist. Sie warten bis zum letzten Moment. Als Italienerin kann ich aber sagen: Das ist auch eine Frage der Mentalität. "
    Das kann Yashwant Bajaj nicht erschüttern. Nicht nach den ganzen Katastrophen im Vorfeld.
    "Es war fast wie eine griechische Tragödie, sogar mit Todesfällen: Ich habe einen der letzten Hirsche Umbriens überfahren, ein italienischer Konzertveranstalter bekam einen Herzinfarkt, kurz nachdem er mit mir zu Abend gegessen hatte. Jemand aus meinem Team ist auf der Heimfahrt knapp von einem umstürzenden Baum verfehlt worden, und vorige Woche hatte unser Ticket-Verkäufer eine Lebensmittelvergiftung und musste zurück nach Bologna. Und wir hatten noch mehr Zwischenfälle."
    Doch er lässt keinen Zweifel daran: Es wird auch nächstes Jahr ein Umbria Rock geben, egal ob er diesmal Verlust macht oder nicht. Denn er liebt nicht nur Musik: Er hat auch einen dreijährigen Business-Plan.