Debatte nach Spahn-Aussage
Was ist der richtige Umgang mit der AfD?

Aus demokratischer Überzeugung weiter ausgrenzen oder im Parlamentsalltag akzeptieren? Erneut wird vor allem in der CDU über den richtigen Umgang mit der AfD diskutiert. Unions-Bundestags-Fraktionsvize Spahn hat die Debatte ausgelöst.

    AfD-Politiker Tino Chrupalla, Alice Weidel, Björn Höcke (v.l.n.r.).
    AfD-Politiker Tino Chrupalla, Alice Weidel, Björn Höcke (v.l.n.r.). Die anderen Parteien diskutieren, wie mit der erstarkten Partei umzugehen ist. (picture alliance / dpa / dpa-Pool / Sören Stache)
    Offiziell gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegenüber der AfD. Doch gerade in ostdeutschen Kommunalparlamenten stimmen Christdemokraten seit Jahren immer wieder zusammen mit der Rechtsaußen-Partei ab. „Keine der etablierten Parteien schafft es (…), die Brandmauer in allen Kreisen ‚ohne wenn und aber‘, also grundsätzlich und damit ohne Abweichungen, aufrecht zu erhalten“, hieß es jüngst laut einer Studie zum Umgang mit der AfD in Kreistagen.
    Im Bundestag hatten CDU und CSU Ende Januar trotz massiver Kritik von SPD, Grünen und Linken bei Abstimmungen über die Migrationspolitik Stimmen der AfD in Kauf genommen. Die politische “Brandmauer” zur AfD bröckelt also an mehreren Stellen. Die AfD ist im neuen Bundestag die zweitstärkste Fraktion. Bei der Bundestagswahl im Februar hatte sie ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl verdoppelt.
    Der CDU-Politiker Jens Spahn hat die seit Jahren immer wieder aufkommende Debatte über den Umgang der anderen Parteien mit der AfD neu befeuert. Spahn gilt laut Medienberichten als möglicher Kandidat für das Amt des Unions-Fraktionschefs im Bundestag – wenn der bisherige Amtsinhaber Friedrich Merz am 6. Mai zum neuen Bundeskanzler gewählt werden sollte. Auch für Ministerposten wurde Spahn gehandelt.

    Inhalt

    Was hat Spahn gesagt und welche Reaktionen gibt es?

    Unions-Fraktionsvize Spahn forderte im April 2025 in der „Bild“-Zeitung, mit der AfD so umzugehen "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch". Er bezog sich dabei auf „Abläufe im Bundestag, die Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen, die Minderheits- und Mehrheitsrechte“.
    Die Politik müsse "auch einfach anerkennen", "wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben". Spahn bestritt, eine Normalisierung der AfD anzustreben. Kritiker werfen dem CDU-Politiker seit Jahren eine zu große Nähe zu rechten Politikern wie US-Präsident Donald Trump und Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz vor. Einige Beobachter attestieren Spahn, er wolle die Union weiter nach rechts öffnen.
    Die AfD begrüßte die Aussagen Spahns. Grüne und Linke reagierten ablehnend. Aber auch die SPD als wahrscheinlicher künftiger Koalitionspartner der Union lehnte den Vorstoß strikt ab. Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sagte, die AfD habe sich in den letzten Jahren radikalisiert. Die AfD sollte keine Ämter bekommen, mit denen sie den Bundestag nach außen repräsentiert - eine Institution, so Bas, „die sie von innen heraus jeden Tag bekämpft“.
    Aus der CDU gab es als Reaktion auf Spahn Zustimmung – aber auch Kritik. Der Europaabgeordnete und CDA-Chef Dennis Radtke bezeichnete die Debatte als „unnötig wie schädlich“ und sprach sich dagegen aus, „Opfer-Narrative“ der AfD aufzugreifen. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter warnte davor, die AfD in sicherheitsrelevante Bundestagsausschüsse hineinzuwählen. Die AfD sei „keine normale Partei“.

    Ist die AfD eine „Oppositionspartei wie jede andere“?

    Laut wissenschaftlichen Beobachtern und Verfassungsschützern ist sie das nicht. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist für das Bundesamt für Verfassungsschutz ein rechtsextremer Verdachtsfall. Die AfD gilt in mehreren Bundesländern als gesichert rechtsextrem. Seit längerem wird auf ein Gutachten gewartet, das zur Hochstufung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextrem führen könnte. Auch über ein AfD-Verbot wird diskutiert.
    Für den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hat die AfD eine „menschenverachtende Politik in ihrer Programmatik“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnte vor der Bundestagswahl eindringlich vor der AfD. Die Partei stehe unter anderem für "gefährlichen Nationalismus", "Rassismus", "Geschichtsrevisionismus" und eine "Gefährdung der Religionsfreiheit", teilte der Zentralrat der Juden auf X (ehemals Twitter) mit. Auch Gewerkschaften, Unternehmensverbände und die beiden großen christlichen Kirchen positionierten sich gegen die AfD.
    Laut Selbstdarstellung der AfD tritt sie ein für „direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Subsidiarität, Föderalismus, Familie und die gelebte Tradition der deutschen Kultur“.
    Dass zahlreiche Wählerinnen und Wähler ihre Stimme der AfD geben, sei deren „demokratische Wahlentscheidung“, sagte der Sozialwissenschaftler Axel Salheiser von der Universität Jena nach der Bundestagswahl dem NDR. Das mache die AfD aber nicht zu einer demokratischen Kraft: „Sie ist antidemokratisch.“ Der Wissenschaftler bezeichnete die AfD zudem als „antiliberal, autoritär und rechtsextrem“. Das müsse, so Salheiser, „auch klarer kommuniziert werden als es in der Vergangenheit getan wurde“.

    Wie gehen die anderen Parteien bisher im Bundestag mit der AfD um?

    Die AfD-Fraktion war in der vergangenen Legislaturperiode regelmäßig damit gescheitert, wichtige Posten wie einen Bundestagsvizepräsidenten oder Vorsitzende von Ausschüssen zu besetzen. Auch im neuen Bundestag scheiterte sie in der konstituierenden Sitzung in mehreren Wahlgängen mit dem Versuch, einen Vizepräsidenten zu stellen.
    Die AfD ist im neuen Bundestag die größte Oppositionsfraktion. Bereits in der Legislaturperiode von 2017 bis 2021 – auch damals regierte, wie jetzt wieder geplant, eine schwarz-rote Koalition – hatte die AfD diese Rolle inne. Seinerzeit stellte sie unter anderem den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der AfD-Abgeordnete Brandner, wurde im Jahr 2019 wieder abberufen – nach Kritik am Auftreten und an öffentlichen Äußerungen des Politikers.
    Die AfD hat keinen Rechtsanspruch auf den Vorsitz in Ausschüssen des Bundestages. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im September 2024 entschieden. Die Richterinnen und Richter wiesen zwei Organklagen der AfD-Fraktion ab. Zwar müssten Ausschüsse die Zusammensetzung des Bundestags spiegeln, wenn sie Aufgaben des Plenums übernähmen oder dessen Entscheidungen vorbereiteten. Das gelte aber nicht für organisatorische Funktionen wie den Vorsitz. Das Gericht bestätigte auch Brandners Absetzung. In der vergangenen Legislaturperiode blieben die Vorsitze der Ausschüsse vakant, die der AfD zugestanden hätten – weil sie schlicht nicht gewählt wurden.
    Rechtlich ist die Sache also klar. Laut Karlsruhe hat die AfD auch keinen automatischen Anspruch auf einen Posten im Bundestagspräsidium. Die Richterinnen und Richter betonten dabei den Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten. Laut Geschäftsordnung des Bundestags steht jeder Fraktion mindestens ein Sitz im Parlamentspräsidium zu. Die Mitglieder müssen aber eben auch mehrheitlich gewählt werden – und das schaffte bisher kein Bewerber der AfD.

    Was spricht für und was gegen die bisherige Praxis im Bundestag?

    Die Debatte wird auch darüber geführt, ob es politisch klug ist, die AfD weiter von Posten im Parlament auszuschließen. Darüber gibt es innerhalb der CDU Streit. „Die eigentlichen demokratischen Rechte, die jeder Abgeordnete und jede Partei in einem Parlament hat, die müssen auch für diese Partei gelten, weil man ansonsten sie stark macht und nicht schwächt“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kiesewetter widersprach. Natürlich habe jeder Abgeordnete die gleichen demokratischen Rechte und Pflichten. „Zunächst einmal geht es ja darum, dass jeder Abgeordnete frei ist, jemanden zu wählen oder nicht. Aber es muss sehr deutlich klar sein, dass die AfD aufgrund ihrer Vernetzung zu China und Russland, dass sie hier ein großes Sicherheitsrisiko darstellen.“ Deshalb warnte der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums besonders davor, AfD-Abgeordnete in diese Kommission zur Kontrolle der Geheimdienste zu wählen.

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