Die Frage, die in dieser Woche mehrere Football-Profis in einem Video stellten, war mehr als rhetorisch gemeint: "Was, wenn ich George Floyd wäre?" In Minneapolis war der unbewaffnete und wehrlose Afro-Amerikaner George Floyd bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen.
Wie so viele zuvor, deren Namen ebenfalls in dem Video genannt wurden: Breonna Taylor, Ahmaud Arbery, Eric Garner, Tamir Rice.
Die politische Demonstration mit Patrick Mahomes im Zentrum, dem Quarterback der Kansas City Chiefs, der im Februar den Super Bowl gewonnen hatte, war von mangelhafter Aufnahmequalität, aber brachte eine klare Ansage an die Adresse der Verantwortlichen der National Football League rüber.
"Dass die Liga nicht nur Rassismus verurteilt, sondern zugibt, dass es falsch war, Spieler von friedlichen Protestaktionen abzubringen. Und dass sich die Organisation zu jenem Gedanken bekennt, der im weißen Amerika und vor allem im rechten politischen Lager Animositäten provoziert: "Black Lives Matter". Schwarze Leben zählen."
Das Echo kam erstaunlich rasch – ebenfalls per Video. NFL-Commissioner Roger Gooddell sah Handlungsbedarf.
"Wir, die National Football League, geben zu, dass es falsch war, nicht den Spielern zugehört zu haben und sie zu ermutigen, die Mund aufzumachen. Wir glauben dass schwarze Leben zählen."
Die Reaktion von offizieller Seite kam überraschend. Professor John Hoberman, Kulturwissenschaftler an der University of Texas in Austin, und jemand, der sich in Büchern wie "Darwin’s Atletes" intensiv mit Rassismus im Sport beschäftigt hat, sagt:
"Das ist wirklich außergewöhnlich und wäre wohl nicht passiert, wenn nicht eine ganze Bewegung auf eine beeindruckende Weise das nationale Bewusstsein in Beschlag genommen hätte. Das ist die erzwungene und politische korrekte Geste eines Mannes, dem 30 Milliardäre jedes Jahr 40 Millionen Dollar zahlen, damit er für sie die Liga managt. Eine Liga, die wie er zugab, ohne ihre schwarzen Arbeitnehmer gar nicht existieren würde."
Der politische Druck wirkt sich auch auf das Denken einiger Spieler aus. Wie im Fall von Drew Brees, Quarterback der New Orleans Saints, Hautfarbe weiß. Der hatte noch vor wenigen Tagen die alte Mär aufgewärmt, wonach es sich beim von Colin Kaepernick 2016 initiierten Hinknie-Protest gegen Polizeigewalt während der Hymne um eine vaterlandslose Demonstration gegen das Sternenbanner handle.
"Ich werde nie jemandem beipflichten können, der der amerikanischen Flagge den Respekt verweigert. Wenn die Nationalhymne erklingt, dann stelle ich mir vor, wie meine beiden Großväter im Zweiten Weltkrieg für dieses Land gekämpft haben. Das treibt mir oft das Wasser in die Augen."
Brees wendet sich gegen Trump
Nachdem er für diese Aussage tagelang von schwarzen NFL-Profis öffentlich attackiert wurde, zog er nicht nur die Stellungnahme zurück. Er wandte sich am Freitag direkt an Donald Trump, dem Mann, den Erfinder der Kampagne gegen Kaepernick und andere.
Brees gab auf Instagram zu, dass seine Aussage die Probleme ignoriert habe, "mit denen wir im Moment konfrontiert sind" und meldete sich sogar noch einmal zu Wort, als ihn Trump auf Twitter kritisierte.
"An den Präsidenten. Bei Gesprächen mit Freunden, Mannschaftskollegen und führenden afro-amerikanischen Persönlichkeiten habe ich begriffen, dass es bei diesem Thema nicht um die amerikanischen Flagge geht. Und dass es noch nie so war. Wir können die Flagge nicht länger dazu benutzen, Menschen abzuweisen oder von den wichtigen Problemen abzulenken, die es im schwarzen Amerika gibt."
Es klang so, als ob Trump allmählich den Rückhalt unter den wenigen Profi-Sportlern verliert, den er sich mit seinen rechtspopulistischen Ansichten erworben hatte. John Hoberman sagt:
"Es überrascht nicht, dass Drew Brees die Proteste von 2016 durch die Augen von Donald Trump sah. Es gab viele Weiße, vor allem weiße Männer, die das so interpretieren wollten, dass Kaepernick unmoralisch, illoyal und unpatriotisch sein muss, weil diese Weißen sich nicht ausmalen wollten, dass es eine besonderen schwarzen Blickwinkel gibt. Mit spezifischen schwarzen Beschwerden. Die neue breite Protestbewegung, multiethnisch und zur Zeit überhaupt nicht zu stoppen, gibt den schwarzen Athleten eine emotionales und politisches Fundament, um den Mund aufzumachen. Sie fühlen sich von einem neuen politischen Kontext ermutigt, das zu sagen, was sie denken und was sie fühlen."
Wer weiß, vielleicht bekommt in einer solchen Atmosphäre sogar Colin Kaepernick wieder einen Job in der NFL. Beim Probetraining im letzten Jahr sah er fit genug aus, um jeder Zeit bei einer der 32 Mannschaften einzusteigen.