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Umgang mit Abweichlern
Kauder versetzt seine Union in Aufruhr

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat mit seiner Drohung gegen Abweichler offenbar in ein Wespennest gestochen. Er wollte Unionsabgeordnete aus wichtigen Ausschüssen abziehen, wenn sie nicht im Sinne der Führung abstimmen. Statt zu kuschen, mucken die jetzt auf.

Von Theo Geers |
    Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder.
    Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder. (dpa / Maurizio Gambarini)
    Volker Kauder bleibt in Kritik, auch wenn schon seit gestern Nachmittag aus der Unionsfraktion vehement versucht wird, den Ärger wieder einzufangen, den seine Drohung aus der "Welt am Sonntag" ausgelöst hat. Kauder habe nicht die Absicht, Abgeordnete aus wichtigen Bundestagsausschüssen abzuziehen, wenn diese bei den Abstimmungen über Griechenlandhilfen mit "Nein" stimmen sollten, sagte eine Fraktionssprecherin. Genau das lässt sich aber aus Kauders Äußerung herauslesen. Zitat aus der "Welt am Sonntag":
    "Die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten, etwa im Haushalts- oder Europaausschuss."
    Zitat Ende.
    "Mir ist nicht bekannt, dass irgendein Abgeordneter aus irgendeinem Ausschuss abgezogen werden soll. Und insofern sollte man das nicht überbewerten", sagt dazu Ralph Brinkhaus (CDU). Er ist einer von elf Stellvertretern von Volker Kauder in der Unionsfraktion, fachlich zuständig für Haushalt und Finanzen, und Brinkhaus springt im Deutschlandfunk seinem bedrängten Fraktionsvorsitzenden bei.
    Doch anders als Brinkhaus Glauben machen will, ist der Aufruhr in der Unionsfraktion groß. 60 Abgeordnete von CDU und CSU hatten zuletzt mit Nein gestimmt, fünf weitere sich enthalten. Da greife Kauder jetzt zum letzten Mittel, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Heftig wird diskutiert, allerdings nicht über die Sache, also über ein Ja oder Nein zum nächsten Hilfspaket für Griechenland, sondern über die Freiheit des Abgeordneten und den Versuch Kauders, vielleicht einige der 60 wieder auf Linie zu bringen.
    Unionsabgeordnete zeigen sich unbeeindruckt
    Eine solche Drohung beeindrucke ihn aber überhaupt nicht, sagt dazu Christian von Stetten CDU. Sein Fraktionskollege Alexander Funk nennt Kauders Einlassungen erschreckend und beschämend und auch andere lassen wissen: Bange machen gilt nicht.
    "Eine solche Ansage jetzt, dass diejenigen, die eben nicht der Fraktion folgen, wichtige Ausschüsse verlieren, ich glaube, das ist einmalig in unsere Partei, auch in unserer Fraktion, zumindest dass es öffentlich so dokumentiert wird", beklagt zum Beispiel Andreas Mattfeld (CDU). Mattfeld hat gegen die Griechenlandhilfen gestimmt und ist Mitglied im wichtigen Haushaltsausschuss, also einem der Ausschüsse, in denen Kauder Fraktionsabweichler nicht mehr haben möchte. Mattfelds Mitgliedschaft im Ausschuss wäre nach den Beschwichtigungen heute vielleicht nicht akut bedroht, aber vielleicht nach der nächsten Wahl, dann, wenn die Sitze in den Bundestagsausschüssen neu verteilt werden.
    Einer, der dabei schon mal den Kürzeren zog, ist Hans-Peter Willsch (CDU). Willsch saß im Haushaltsausschuss, stimmte aber bisher gegen jedes Griechenlandpaket - und musste nach der letzten Bundestagswahl 2013 seinen Posten in eben diesem Haushaltsausschuss abgeben. Sein Kommentar im Fernsehsender n-tv zu Kauders Drohung:
    "Das ist doch schön, dass es jetzt mal offen angesprochen wird, dass unbotmäßiges Verhalten eben entsprechend abgestraft wird. Das ist ja bisher immer abgestritten worden; da hieß es 'Es ist nicht genug Platz im Haushaltsausschuss' oder Ähnliches. Ist doch ein ehrliches Wort."
    Der Drops ist noch nicht gelutscht
    Zumal nach der Neubesetzung der Ausschüsse 2013 den Griechenland-Kritikern gesagt worden war, ihr Rausschmiss aus dem Haushaltsausschuss hätte mit dem vorherigen Nein nichts zu tun gehabt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es denn auch, offenbar lägen die Nerven blank bei Kauder, der die Fraktion zusammenhalten und Mehrheiten auch für unpopuläre Griechenlandhilfen organisieren muss.
    Kauders Stellvertreter Ralph Brinkhaus streitet dies ab, doch auf die Frage, ob es nächstes Mal mehr als 60 Abweichler werden, hält sich Brinkhaus bedeckt:
    "Das hängt am Ende von der Qualität des Papiers ab, was uns vorgelegt wird. Wenn wir ein überzeugendes Papier, eine überzeugende Vereinbarung bekommen, die zeigt, dass wir für die nächsten drei Jahre eine tragfähige Lösung haben, dann, denke ich mal, dann gibt es sehr, sehr viele Kollegen, die dann auch zustimmen werden."
    Noch aber, so Brinkhaus, sei hier der Drops nicht gelutscht. Das bestätigt auch das Bundesfinanzministerium. Dort ist man aber immer noch bereit und auch in der Lage, die Details des nächsten Hilfspakets für Griechenland noch in dieser Woche zu prüfen. Qualität gehe aber vor Schnelligkeit, weshalb im Falle einer Nicht-Einigung auch eine neue Brückenfinanzierung nicht auszuschließen sei.