Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt Andreas Lämmel (CDU), Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Wirtschaftsausschuss, Wahlkreis Dresden eins. Guten Morgen.
Andreas Lämmel: Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
Lämmel: Herr Lämmel, was bringen Sanktionen, die man im wahrsten Sinne des Wortes leicht umschiffen kann?
Lämmel: Ich möchte da erst mal vorausschicken: Ich halte überhaupt nichts von Sanktionen. Denn in der Regel ist es so, dass Sanktionen erstens umgangen werden können. Zweitens öffnen wir mit diesen Sanktionen Märkte für andere, die wir nie wieder zurückgewinnen können. Und drittens ist mir kein Fall bekannt, wo Sanktionen das Ziel erreicht hatten, warum man die Sanktionen in Gang gesetzt hat. Insofern: Dass jetzt in Brüssel beim Schlürfen des Eisbechers als Nachtisch noch nebenbei die Sanktionen um ein weiteres halbes Jahr oder die anderen Sanktionen für die Krim um ein weiteres Jahr verlängert wurden – ich finde, es sollte mal eine Debatte darüber stattfinden.
Heinemann: Stimmt Ihr Bild von Brüssel?
Lämmel: Na ja, auf jeden Fall scheint es mir so, denn auch in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin letzten Mittwoch ist kein Wort dazu gesagt worden, dass man in Brüssel die Sanktionen verlängern möchte.
Heinemann: Ich meinte jetzt den Eisbecher.
Lämmel: Ach so! – Na ja, gut: Ich bin leider bei den Staatschefs nicht dabei. Vielleicht gibt es auch was anderes. Aber jedenfalls ist es so im Vorübergehen verlängert worden und ich finde, es braucht einfach mal eine öffentliche Debatte darüber, wie wir mit Sanktionen umgehen. Denn wenn die Amerikaner Sanktionen im Handel mit dem Iran erlassen und dann deutsche Firmen unter diese Sanktionen fallen, ist das ja auch ein Problem für uns. Insofern kann man auch bei Sanktionen nicht mit zweierlei Maß messen.
Heinemann: Herr Lämmel, nun gibt es die Sanktionen und man muss sich auch daran halten.
Lämmel: Richtig.
"Kleinere Strafen können sich die Strafen nicht leisten"
Heinemann: Lassen die Regeln zu viele Schlupflöcher?
Lämmel: Aus meiner Sicht nicht. Sie haben ja und auch die Frau Adler hat ja in ihrem Beitrag immer von "wahrscheinlich" und "es könnte so gewesen sein" gesprochen. Ich glaube, wenn das so ist, wie Sie das jetzt auch beschrieben haben in Ihrem Vortext, dann ist das eine Sache für die Staatsanwaltschaft.
Heinemann: Rechnen Sie damit, dass die geschilderten Fälle nur die Spitze eines Eisberges bilden?
Lämmel: Nein, das glaube ich nicht. Das glaube ich nicht. Wenn das so ist, werden das Einzelfälle sein, weil, ich sage mal, auch gerade kleinere Firmen aus dem Mittelstand, die können sich die Strafen gar nicht leisten, die daraus entstehen könnten, wenn man Sanktionen verletzt.
Heinemann: Ist es Zufall, dass das deutsche Firmen sind?
Lämmel: Das will ich mal jetzt nicht so sagen. Und wie gesagt: Es ist ja auch noch gar nichts erwiesen. Aber man muss ganz klar sagen: Die deutsche Gesetzgebung für Exporte und für die Behandlung von Sanktionen ist sehr scharf und restriktiv. Das ist genau das gleiche wie beim Waffenexport.
Heinemann: Aber offenbar nicht scharf genug!
Lämmel: Na ja. Wissen Sie, es gibt doch immer die Möglichkeit, wenn man Sanktionen erlässt, dass natürlich trotzdem jemand versucht, sie zu umgehen. Und jetzt ist doch ganz einfach die Frage: Funktioniert der Rechtsstaat, indem die Staatsanwaltschaft hier in diesem Falle tätig wird, den Fall prüft, um dann zu dem Schluss zu kommen, ja, hier sind die Sanktionen umgangen worden, das heißt, es wird eine Strafe verhängt, oder nein, es ist nicht umgangen worden, und damit ist der Fall erst mal erledigt. Ich wäre da in der Bewertung immer noch ein bisschen vorsichtig.
Heinemann: Herr Lämmel, wenn Politiker so wie Sie, wichtige Wirtschaftspolitiker sagen, wir halten sowieso nichts davon, ermuntert das vielleicht diejenigen, die sich nicht daran halten wollen?
Lämmel: Das würde ich so nicht sagen. Aber die Sanktionen sind ja auch in Wirtschaftskreisen stark umstritten. Und wenn man immer wieder behauptet, auch in Brüssel, dass der Warenaustausch zwischen Deutschland und Russland ja so groß auch nicht ist, das heißt, die deutsche Wirtschaftsleistung, die von den Sanktionen betroffen ist, ist nicht so hoch, dann muss man sagen, das ist sehr verschieden, regional sehr verschieden. Gerade wir in Sachsen oder in Thüringen, die Unternehmen leiden sehr stark unter den Sanktionen, weil sie nach 1990, nach dem Transformationsprozess der ostdeutschen Wirtschaft, gerade wieder Kontakte zu ihren alten Partnern oder den neuen Partnern geknüpft hatten. Insofern ist das gerade für uns in Sachsen und in Thüringen schon eine Schwierigkeit.
"Politische Konflikte müssen politisch gelöst werden"
Heinemann: Wer leidet mehr, die Sachsen und Thüringer unter den Sanktionen, oder die Ukrainer unter der russischen Besetzung?
Lämmel: Wissen Sie, wenn man das so aufwiegt, kommt man da sicherlich nicht zum Ziel. Ich habe ja vorhin schon gesagt, es muss mir mal jemand beweisen, wo solche Sanktionen wirklich das Ziel erreicht haben, was man sich vorher gesteckt hatte. Und es ist ja auch allgemein bekannt und deshalb überlegt man sich das mit den Sanktionen ja hoffentlich immer genau, dass die Sanktionen in der Regel den Staat nicht treffen, sondern es trifft die Leute, die einfachen Leute, wo Arbeitsplätze nicht entstehen oder wo Investitionen nicht stattfinden. Ich habe mir zum Beispiel in der Glasindustrie in Sibirien das auch anschauen können, welche Auswirkungen das schon hatte, als die Sanktionen verhängt wurden.
Heinemann: Lieber nichts tun?
Lämmel: Nein, das nicht. Das ist ganz klar. Aber ich denke, politische Konflikte müssen politisch gelöst werden. Ich sage es noch mal: Man kann auch nicht mit zwei verschiedenen Maßen messen. Im Verhältnis zu den Amerikanern tun wir dieses und im Verhältnis zu den Russen das andere. Insofern finde ich noch mal: Sanktionen sind eigentlich nicht mal mehr das letzte Mittel, sondern Sanktionen sind eigentlich ein Ausdruck der Hilflosigkeit.
Heinemann: Das ist jetzt Ihre persönliche Meinung.
Lämmel: Ja.
Heinemann: Die Bundesregierung und die EU haben anders entschieden und es gibt eine Entscheidung.
Lämmel: So ist das.
Heinemann: Wie passt die deutsch-russische Gaspipeline Northstream II, über die sich ja fast alle Partnerländer im Osten ärgern, zu diesen Russland-Sanktionen und zu dieser Politik gegenüber Russland?
Lämmel: Ich finde, dass die Pipeline Northstream II die Versorgungssicherheit in Europa deutlich erhöhen wird.
Heinemann: Das sehen aber fast alle im Osten anders.
Lämmel: Na ja, das sind aber andere Gründe. Das sind natürlich andere Gründe und ich denke, die letzte Vereinbarung hat ja auch dazu geführt. Es ging ja bei der Ukraine vor allen Dingen darum, dass man befürchtete, wenn die Northstream II in Betrieb gesetzt wird, dass man praktisch keine Durchleitungsgebühren mehr bekommt oder ein stark reduziertes Entgelt bekommt. Das haben ja die Russen mit den Ukrainern geklärt. Das ist ja auch ein wichtiger Punkt gewesen. Insofern glaube ich, Northstream II wird einen wichtigen Beitrag leisten.
Wenn man jetzt mal nach Deutschland geht und das Thema Energiewende sieht, wie alle eigentlich davon reden, wir wollen jetzt nun endlich der Braunkohle den Garaus machen, und dafür Gaskraftwerke bauen, die viel sauberer sind, sein sollen, dann muss man natürlich auch die Frage stellen, wo soll das Gas herkommen. Deswegen denke ich, dass Northstream II hier einen wichtigen Beitrag erbringen kann, auch die Energiewende in Deutschland abzusichern.
Heinemann: Andreas Lämmel, Wirtschaftspolitiker der CDU. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Lämmel: Ja, einen schönen Tag noch.
Heinemann: Ihnen auch.
Lämmel: Auf Wiederhören.
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