Hate Speech ist zwar in aller Munde, aber in der Forschung kommt das Thema gerade erst an, sagen diese Seminarteilnehmer.
"Genau deshalb bin ich heute hier. Ich will das nämlich rausfinden, was das ist. Also man darf ja auch nicht hysterisch werden und jetzt alles für Hate Speech erklären. Aber wenn man den Eindruck hat, dass da tatsächlich Hass verbreitet wird, dass man dann gemeinsam überlegt, können wir irgendwas Sinnvolles tun."
Was als Hate Speech bezeichnet wird
Es gibt noch nicht einmal eine einheitliche Definition von Hate Speech, räumt auch Wilfried Schubarth, Schulgewalt- und Mobbingforscher an der Universität Potsdam ein.
"Eine Schülerin ist auf Gehhilfen angewiesen und wird als Krüppel beschimpft. Ein Schüler ist homosexuell und wird daraufhin beleidigt und ausgeschlossen. Eine Schülerin wird wegen ihres Aussehens im Internet gemobbt. Das geht so weit, dass sie aufgefordert wird, sich umzubringen. Und wenn diese Diskriminierung nicht nur gegen einen, sondern stellvertretend für eine Gruppe ist, kann man auch von Hate Speech sprechen."
Analog und digital
Bei Hassreden denken die meisten wahrscheinlich direkt ans Internet und die sozialen Netzwerke. Und tatsächlich haben laut einer Umfrage der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen etwa 90 Prozent der Jugendlichen Erfahrungen mit Hass im Internet gemacht. Doch Sebastian Wachs, der sich an der Universität Potsdam mit Erziehungs- und Sozialisationstheorie beschäftigt, warnt: Hate Speech kommt auch ganz analog in unserem Alltag vor.
"Wir sollten dabei nicht vergessen, dass Hate Speech immer auch Ausdruck real existierender Vorurteile ist. Und somit ist Hate Speech online eigentlich nichts anderes, als alter Wein in neuen Schläuchen."
Und doch hat die digitale Welt für eine eigene, für die Opfer qualvolle, neue Dynamik gesorgt: Konnten sich Kinder und Jugendliche früher den Gemeinheiten der Mitschüler zumindest nach dem Unterricht entziehen, geht die Hetze jetzt digital weiter - 24 Stunden lang und in einem rasanten Tempo.
Und doch hat die digitale Welt für eine eigene, für die Opfer qualvolle, neue Dynamik gesorgt: Konnten sich Kinder und Jugendliche früher den Gemeinheiten der Mitschüler zumindest nach dem Unterricht entziehen, geht die Hetze jetzt digital weiter - 24 Stunden lang und in einem rasanten Tempo.
Auffallend ist dabei, sagt Sebastian Wachs, dass die Hater, also die Verfasser solcher Texte, Bilder oder Videos, dabei völlig frei und offen ihren Hass artikulieren.
"In der Forschung sprechen wir hier von dem Enthemmungseffekt. Das heißt, wir verhalten uns sehr häufig online anders, als das wir das in der realen Welt tun. Anonymität, aber auch der fehlende Face-to-Face-Kontakt, der kann uns doch enthemmen."
"In der Forschung sprechen wir hier von dem Enthemmungseffekt. Das heißt, wir verhalten uns sehr häufig online anders, als das wir das in der realen Welt tun. Anonymität, aber auch der fehlende Face-to-Face-Kontakt, der kann uns doch enthemmen."
Unsicherheit im Umgang mit dem Thema
Im Umgang mit Hate Speech kommt der Schule eine besondere Rolle zu, sagt der Schulgewaltforscher Wilfried Schubarth.
"Wir wissen zum Beispiel über die Mobbingforschung, dass Lehrkräfte dieses Thema gerne tabuisieren, weil sie eben unsicher sind, wie man darauf reagiert, dass eben sieben von zehn Fällen nicht erkannt werden. Sieben von zehn Fällen, das sind einfach zu viel. Und da wollen wir eben ran gehen, zu sagen, es ist Aufgabe jeder Lehrkraft, sich für das Thema zu sensibilisieren, wie kann man damit umgehen, wie kann man Schüler vorbereiten oder auch gewinnen für demokratische Werte."
Der Wissenschaftler plädiert für einen offensiven Umgang mit Hate Speech: Hinschauen und ansprechen statt wegsehen und totschweigen. Hassreden sollten Thema im Unterricht sein, um mit Schülern über eigene Erfahrungen zu sprechen und sie sensibel für den Umgang mit Sprache zu machen. Es müsste über Vorurteile und Menschenfeindlichkeit ebenso diskutiert werden, wie über demokratische Werte und Zivilcourage.
Der Wissenschaftler plädiert für einen offensiven Umgang mit Hate Speech: Hinschauen und ansprechen statt wegsehen und totschweigen. Hassreden sollten Thema im Unterricht sein, um mit Schülern über eigene Erfahrungen zu sprechen und sie sensibel für den Umgang mit Sprache zu machen. Es müsste über Vorurteile und Menschenfeindlichkeit ebenso diskutiert werden, wie über demokratische Werte und Zivilcourage.
"Also Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht zu eng verstehen, als sozusagen Wissensvermittlung, sondern eben stärker auch Werte vermitteln und demokratische, soziale Kompetenzen. Und da gibt es Ansätze, aber da ist viel zu tun."
Counter Speech vs. Hate Speech
Inzwischen gibt es einige Module, Projekte und Arbeitsmaterialien, mit denen Lehrer das Thema Hate Speech in nahezu jedem Fach integrieren können. Dabei geht es um grundsätzliche Mechanismen von Ausgrenzungen ebenso wie um das Erkennen und Entlarven von Fake-News. Und auch die Eltern müssen sensibilisiert werden, etwa durch Vorträge, Workshops und Informationsabende. Denn jeder von uns, sollte sich angesprochen fühlen, diesem noch unerforschten Phänomen entgegenzutreten, betont Sebastian Wachs.
"Man muss nicht öffentlich das Opfer verteidigen, aber man kann das Opfer zum Beispiel anschreiben und sagen, hey, ich hab gesehen, da ist jemand nicht nett zu dir, brauchst du irgendwelche Hilfe. Wenn man sich traut, dann kann man natürlich den Hate Speecher mit Gegenargumenten direkt konfrontieren. Man kann halt sozusagen Counter Speech betrieben."