Lehrerinnen und Lehrer an deutschen Schulen legen großen Wert auf die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz. Andererseits haben sie aber selbst zum Teil deutliche Defizite in der Medienkunde und der Vermittlung von Wissen für den verantwortungsvollen Umgang mit Nachrichten in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien. Dies sind die Kernergebnisse einer im Frühjahr 2020 erhobenen Studie, die das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse durchgeführt hat. An der Studie haben gut 500 Lehrkräfte an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien teilgenommen, die in den Klassenstufen sieben bis zehn ein sozialwissenschaftliches Fach oder Deutsch unterrichten.
Lehrkräfte mit Lücken bei der Medienkompetenz
Das Lehrpersonal habe zum Teil erhebliche Lücken bei der Medienkompetenz, so die Ergebnisse der Studie. Etwa beim Wissen über das Mediensystem in Deutschland: 40 Prozent der Lehrkräfte meinen, Medien hätten die Aufgabe, die Bevölkerung für bestimmte Anliegen zu mobilisieren.
Das in der Schule mit Abstand am häufigsten genutzte Anschauungsmaterial ist der Studie zufolge die gedruckte Zeitung, auch im Rahmen pädagogischer Projekte wie "Zeitung in der Schule". Eine Mehrzahl der befragten Lehrkräfte gab an, dass die Lehrpläne nicht ausreichend Zeit ließen, den Schülerinnen und Schülern mehr als Basiskenntnisse bei der Orientierung im Nachrichtendschungel zu vermitteln.
Schlechtes Bild von den Medien bei vielen Lehrkräften
Die Befragung ergab zudem, dass gerade viele Lehrerinnen und Lehrer unter 40 Jahren sich nicht mehr aktiv und regelmäßig über das aktuelle Zeitgeschehen informierten. Dies wirke sich dann auch auf die Vermittlung von Mediennutzungskompetenz im Unterricht aus.
Knapp ein Viertel der befragten Lehrerinnen und Lehrer gab außerdem an, nur wenig Vertrauen in die Berichterstattung der Medien zu haben. 19 Prozent glaubten sogar, dass viele Nachrichten, die eigentlich wichtig sind, verschwiegen würden und nur in sozialen Netzwerken zu finden seien. Dabei taten sich klar erkennbare Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland auf: Im Osten ist das Bild von den Medien demnach noch schlechter.
Medienkompetenz im Studium weiter nur Nebenaspekt
Daniel Roß vom Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung an der Universität Leipzig sieht die Ursache für die Defizite vor allem in der Ausbildung. "Das Thema Medienkompetenzförderung ist im Lehramtsstudium nach wie vor nicht ausreichend verankert, es kommt wenn überhaupt nur in Nebenbereichen vor", sagte Roß im Deutschlandfunk. Zentral sei aber auch die Fortbildung, gerade für ältere Lehrkräfte. "Es ist wichtig, weiter den Bezug zur Lebenswelt von Schülerinnen und Schüler zu haben, um dies dann auch in der Praxis umsetzen zu können."
Bildungswissenschaftler: "Medienkompetenz ist Schlüsselkompetenz"
Gerade weil Medienkompetenz abgesehen von wenigen Ausnahmen kein eigenes Schulfach ist, hätten viele Lehrkräfte Probleme, Themen wie Nachrichtenkompetenz und Mediennutzung in den Unterricht zu integrieren. Dabei handelt es sich nach Ansicht des Bildungswissenschaflter Roß um "eine äußerst wichtige Schlüsselkompetenz, gerade auch im Sinne einer gesunden Demokratie und im Kontext politischer Bildung": Fake News, Verschwörungstheorien oder Desinformationskampagnen würden zunehmend präsenter werden in der medialen Berichterstattung. Vor allem online - dort, wo die überwiegende Medienrezeption von Schülerinnen und Schülern stattfinde. Deshalb, so Roß, sei es aus medienpädagogischer Sicht wichtig, hier in der Aus- oder Weiterbildung von Lehrkräften anzusetzen.
Die Dringlichkeit des Themas werde auch beim Lehrpersonal gesehen, vor allem in den Klassen neun bis zehn, dies habe auch die Allensbach-Studie gezeigt, sagte Roß. Diese grundlegenden Kompetenzen für die Mediennutzung sollten aber eigentlich schon früher gelebt werden.