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Umgang mit Rechtspopulisten
Indiz für die Veränderung des Kommunikationsklimas

Der Politskandal in Österreich und der Versuch der AfD, diesen als Einzelfall abzustempeln, zeige eine Veränderung des Kommunikationsklimas, so der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen im Dlf. Er warne davor, Dialogversuche mit Rechtspopulisten abzubrechen: Konfrontation und Kritik sei die richtige Mischung.

Bernhard Pörksen im Gespräch mit Christine Heuer |
Bernhard Pörksen
Der Medienforscher Bernhard Pörksen sieht "in der Fraktion der Rechtspopulisten - und das ist auch ein Indiz für ein verändertes Klima in einer Gesellschaft - eine massive Härte der Gegenwehr". (Bild: Peter-Andreas Hassiepen)
Christine Heuer: Der Politskandal in Österreich zieht auch im Rest Europas Kreise. Die FPÖ ist ja nicht die einzige rechtspopulistische Partei in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auch andernorts macht man sich Sorgen und hofft nun, kurz vor den Europawahlen in der zweiten Wochenhälfte, auf ein Umschwenken von Wählern, weg von den Rechten, hin zu den etablierten Parteien. In Deutschland ist das nicht anders als in anderen EU-Staaten. Wir wollen noch ein bisschen genauer hinschauen auf die AfD in Deutschland nach dem Österreich-Skandal. Da hat man ja nach ein paar verirrten Tweets eine Sprachregelung gefunden, und die lautet, grob gesprochen, so: "Strache sei ein Einzelfall, mit der AfD habe das nichts zu tun. Und: Die Medien machten Stimmung mit einem hinterlistig gedrehten Video. So sieht es die AfD.
AfD-Chef Jörg Meuthen hat genau diese Haltung gestern Abend im ARD-Talk bei Anne Will vertreten. Mit dabei außerdem die Grüne Ska Keller, die Sozialdemokratin Katarina Barley, der "Spiegel"-Journalist Martin Knobbe und der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber von der CSU. Dem platzte irgendwann der Kragen. Wir hören uns das mal an:
O-Ton aus Anne Will:
Manfred Weber: "Sie versuchen, hier das nette Gesicht zu sein."
Jörg Meuthen: "Nee, ich bin’s!"
Weber: Spätestens seit Chemnitz stehen dahinter NPD, Rechtsnationalisten und Egoisten, und denen werden wir entgegentreten."
Meuthen: "Ach! Nun hören Sie doch mit dem Firlefanz auf. Den brauchen Sie nicht mehr!
Weber: Weil Sie keinen Plan haben!"
Heuer: Manfred Weber und Jörg Meuthen gestern Abend bei Anne Will.
Am Telefon ist der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Mit ihm möchte ich über die Medienstrategien der AfD und mögliche Reaktionen darauf sprechen. Guten Tag, Herr Pörksen!
Bernhard Pörksen: Guten Tag! – Ich grüße Sie.
Ringen um den richtigen Umgang mit Rechts
Heuer: Manfred Weber redet Klartext. Ist das der richtige Umgang mit Rechtspopulisten?
Pörksen: Mal kann das so sein. Ja, in der Tat Klartext. Mal kann aber auch, insbesondere dann, wenn es nicht um die Anführer geht, sondern um die Anhänger oder diejenigen, die womöglich einfach nur auf diffuse Weise aus persönlicher oder anderer Verzweiflung heraus sympathisieren, kann natürlich der Dialog der richtige Weg sein. Diese Gesellschaft – und das ist erkennbar und das hat auch die gestrige Sendung gezeigt – oder die Mitte der Gesellschaft ringt im Grunde genommen um das richtige Rezept im Umgang mit Rechtspopulisten. Dieser Fall in Österreich hat ja gezeigt: Hier ist eine Strategie, die Strategie des Bundeskanzlers Kurz krachend gescheitert. Man hat versucht zu flirten, und steht nun vor einem Trümmerhaufen, und sehr schnell ist aus diesem Flirt, der versuchten Annäherung, der Modus der Feindschaft geworden.
Die gedruckten Titel der "Süddeutschen Zeitung" und des "Spiegel" zur Strache-Affäre liegen nebeneinander auf dem Tisch
Süddeutsche und Spiegel haben den Skandal um Strache ins Rollen gebracht (picture-alliance / dpa / Keystone / APA / Hans Punz)
Dilemma aus Konfrontations- und Gesprächsbereitschaft
Heuer: Gilt das nicht auch ein bisschen anders für die Medien? Man kann ja auch den Eindruck gewinnen, dass alle in den Talkshows, in den Interviews versuchen, möglichst sachlich mit der AfD zu sprechen, sie nie direkt anzugreifen, um ihr nicht weitere Protestwähler in die Arme zu treiben. – Sie haben vom richtigen Rezept gesprochen, Herr Pörksen. Ist das das richtige Rezept, darum herumreden?
Pörksen: Darum herumreden würde ich nicht sagen. Aber je sachlicher, konkreter, direkter, präziser, desto besser. Insgesamt steht man ja genau im Umgang mit dem politischen Gegner immer vor diesem Dilemma, diesem Dilemma aus Konfrontationsbereitschaft und Gesprächsbereitschaft, diesem Ringen darum, man will ja die Gesprächsbereitschaft nicht so weit gehen lassen, dass man dann jeden Schwachsinn gleichsam oder auch eine völkische Fantasie womöglich salonfähig macht. Aber die Klartextrichtung, der frontale Angriff, das sofort in die Ecke stellen produziert dann womöglich Sympathie-Effekte, die man nicht erreichen will. Das heißt, dieses Ringen um das richtige Konzept ist immer konkret, ist immer präzise, ist immer auf die jeweilige Situation bezogen.
"Eine neue Härte der Gegenwehr und die Grenze des Sagbaren"
Heuer: Die AfD selbst hat keinerlei Hemmungen mit direkten Angriffen. Jörg Meuthen hat gestern Abend zum Beispiel gesagt: "Das öffentlich-rechtliche System ist faul bis ins Mark." Die Grünen – sinngemäß -, die spinnen sowieso. Manfred Weber kenne nicht mal alle EP-Fraktionen, alle Fraktionen im Europaparlament, wo er jetzt antritt als Spitzenkandidat. Da kommt nicht viel drauf von den Angegriffenen. Wie kommt denn das beim Zuschauer an, Herr Pörksen?
Pörksen: Unterschiedlich. Es wird diejenigen geben, die das abscheulich finden und respektlos und die diese Form von politischer Unkultur verachten. Und es wird diejenigen geben, die sich in ihren Selbstbestätigungsmilieus wohlfühlen und sagen, endlich zeigt es denen mal jemand. Und Sie sehen genau am Beispiel dieser gestrigen Sendung, aber auch an der Auseinandersetzung jetzt um das, was in Österreich passiert ist, eigentlich eine Art Doppelbild. Auf der einen Seite sehen wir die Wirkmächtigkeit der Skandalisierung durch die klassischen Medien. Es ist ein Triumph des recherchierenden Journalismus der Süddeutschen Zeitung und des Spiegel. Auf der anderen Seite sehen wir in der Fraktion der Rechtspopulisten – und das ist auch ein Indiz für ein verändertes Klima in einer Gesellschaft – eine massive Härte der Gegenwehr. Wenn Sie sich angucken, wie Strache sich gerechtfertigt hat, wie die AfD nun gewissermaßen mit einer Nonchalance und Chuzpe versucht, einen solchen Fall, der wirklich die FPÖ zu zertrümmern vermag, potenziell als eine Art Einzelfall abzustempeln. Dann sehen Sie, hier hat sich etwas geändert, eine neue Härte der Gegenwehr und die Grenze des Sagbaren, das Spiel mit Verschwörungstheorien bis hin gewissermaßen in die großen Talkshows, das Spiel mit Medienverdrossenheit, das sind Indizien für diese Veränderung des Kommunikationsklimas - so eine Art Doppelbild.
"Je sachlicher, konkreter und direkter, desto besser"
Heuer: Herr Pörksen, das ist die Analyse. Aber welche Empfehlungen leiten Sie denn daraus ab? Das klingt ja so wie, die Anhänger der demokratischen Parteien finden das abscheulich und die Anhänger der Rechtspopulisten sagen, jetzt erst recht. Das ist ja der neue Slogan der FPÖ in Österreich.
Pörksen: Die Reaktion muss aus meiner Sicht sein: Erstens, es gibt keine fertigen Rezepte. Zweitens: je sachlicher und konkreter und direkter die Auseinandersetzung, desto besser. Dann: Man muss davor warnen, die Dialogversuche mit den Anhängern nun abzubrechen. Das wäre aus meiner Sicht falsch. Aber die Anführer einer solchen Partei und die Spitzenkräfte, die zu konfrontieren und auch in massiver Weise zu kritisieren, das ist sicher die richtige Mischung, aus meiner Sicht zumindest.
Heuer: Insofern hat Manfred Weber da gestern einen Punkt gemacht.
Pörksen: Das würde ich so sagen, ja.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.