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Umgebaute Telefonzelle
Die kleinste Disco der Welt

In der "Teledisko" von Benjamin Uphues wählt man die Musik selbst aus und gibt sich dem Club-Wahnsinn hin, ganz für sich. Die braun tapezierte Telefonzelle mit Discokugel und Nebelmaschine hat der sogenannte "Disko König" selbst kreiert. Auch Kleingruppen wagen das Experiment auf engstem Raum - in Berlin oder Mexico-City.

Von Daniela Siebert | 27.09.2016
    Eine Lautsprecherbox hängt in einer Disco und wird durch das Licht leicht lilafarben angestrahlt
    "Meine Beine tanzen, es packt mich und ich singe laut mit" - so ergeht es Reporterin Daniela Siebert in der Teledisko. (imago / David Heerde)
    Dieses Schicksal hätte sich die einstmals gelbe Telefonzelle sicher nie träumen lassen: als Disco neben einer Skater-Halle und einem Lokal für vegane Burger in Berlin-Friedrichshain. Was früher gelb war, ist jetzt golden, alle Fenster sind verspiegelt. An der Seite steht – auf englisch - die Gebrauchsanweisung neben einem Touchscreen-Display: Also: Über das Display einen Titel auswählen, eventuell gegen Aufpreis noch Foto oder Video mitbestellen, zwei Euro einwerfen.
    Die Tür springt auf. Ich betrete eine braun tapezierte Telefonzelle mit Discokugel, einem sperrigen Kasten an der Wand mit bunten Knöpfen für Stroboskop oder Nebel und einem Lautsprecher in der Decke. Die Tür schließt sich hinter mir und ich bin in meiner ganz privaten Disco.
    Den Club-Wahnsinn auf kleinem Raum nachbauen
    Türsummer, eintreten, dann erste Takte Musik. "Long Train Running" von den Doobie Brothers erschallt, frisch von einem Internet-Portal eingespielt. Ich drücke die Knöpfe: Die Disco-Kugel hinter Glas oben in der Ecke dreht sich, Lichtblitze zucken um mich rum und ich stehe in einer Nebelwolke. Meine Beine tanzen längst, irgendwann packt es mich und ich singe auch noch laut mit. Über drei Minuten läuft das Musikstück und ich habe Riesen-Spaß so ganz allein in einer "Disco".
    Erfunden hat sie der 39-jährige Benjamin Uphues, der sich auch "Disko König" nennt.
    "Klar, es gibt die expressiven Tänzer auf jeder Tanzfläche, die den Platz brauchen, aber dann, wenn in meinen Augen die Magie in den Clubs ausbricht, das ist eigentlich dann, wenn es eher eng wird, wenn es schwitzig wird und einfach der Wahnsinn ausbricht und das ist das, was ich auf kleinem Raum nachbaue quasi."
    Musik aus dem Online-Musikportal
    Die Musik in den "telediskos" - wie Uphues sie nennt – kommt aus dem Internet. Sie wird bei einem Online-Musik-Portal abgerufen. Die beliebtesten Titel in der Telefonzelle:
    "Das ist von Britney Spears 'Toxic', das ist von Michael Jackson 'Billie Jean' und der ungekrönte Hit ist tatsächlich von Nirvana 'Smells like teen spirit'."
    Auch Sascha und Amon probieren die goldene Telefonzelle aus. Die beiden Teenager wählen das Stück 'Pump up the jam' von Technotronic. Ihr Resümee nach rund fünf Minuten in der Zelle:
    "Super. Ein bisschen sehr warm. Und neblig. Aber hat sich angefühlt wie in einer richtigen Disco."
    Derzeit gibt fünf "Telediskos". Drei davon tingeln durch die Welt, eine steht beispielsweise in Mexiko City, zwei stehen fest in Berlin, eine davon im Nachtclub "Kater Blau". Der Musiker Norman hat sie dort ausprobiert:
    "Im 'Kater' zum Beispiel wird eh ein sehr breitbandiges Musikspektrum gespielt. Dann eben noch mal seinen eigenen Lieblingssong zu hören, kannst mit deinen Freunden da mal ganz kurz spontan abhotten und umso enger es wird, umso kuscheliger wird es dann halt auch."
    Fotos beim Verlassen der Teledisko entgegennehmen
    Drei Studierende aus Schottland brauchen etwas länger, bis sie sich vor der goldenen "Teledisko" überhaupt auf einen Titel geeinigt haben, doch das Display akzeptiert ihre Wahl "September" von "Earth, Wind and Fire" nicht. Es schlägt stattdessen "Wake me up when September ends" vor. Auch okay, sagen die drei, und treten ein.
    Minutenlang hört man die drei drinnen kichern und mitsingen. Dann kommen sie strahlend wieder raus. Und nehmen an einem Ausgabeschlitz neben an der Zelle, ihre Fotos entgegen.
    Schließlich zwängen sich sogar fünf Touristen aus Brasilien gleichzeitig in die Zelle. Von draußen sieht man die Zelle hin- und herwackeln, aus der Decke dampft Disconebel hinaus. Danach: Eine Erfahrung – schweißtreibend - wie in einer Sardinendose – lautet das Urteil.