Manfred Götzke: Schlecker-Frauen, Langzeitarbeitslose, bald vielleicht auch arbeitslose Opel-Mitarbeiter aus Bochum: Sie alle sollen möglichst schnell umschulen und Erzieherinnen und Erzieher werden – so stellt sich das jedenfalls Bundesarbeitsministerin von der Leyen vor. Schließlich suchen die Kommunen händeringend Personal für ihre Kitas. Ab Mitte 2013 können Eltern ja einen Kita-Platz für ihr unter dreijähriges Kind einklagen. Vom Kfz-Mechaniker zum Erzieher, das geht mit einer zweijährigen Umschulung, die oft von privaten Bildungsinstituten angeboten wird. Nun hat der "Spiegel" herausgefunden: Die Qualität dieser Weiterbildung ist oft unterirdisch. In Berlin zum Beispiel schafften von 129 Umgeschulten 98 die staatliche Prüfung nicht, in Brandenburg scheiterten 106 von 150 Leuten. Axel Langner ist Vizepräsident des Bundesverbandes der Erzieherinnen und Erzieher. Herr Langner, warum fallen so viele angehende Erzieher durch? Werden die falschen Leute umgeschult oder schulen die falschen Leute um?
Axel Langner: Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Ich denke, es wird wahrscheinlich ein Mix aus beidem sein. Auf der einen Seite sind natürlich sehr viele, die mit den falschen Voraussetzungen in diese Qualifizierungsmaßnahmen gehen, zum anderen kann ich mir auch vorstellen, dass die Qualität der Weiterbildungsinstitute auch nicht immer die beste Qualität ist. Denn hier sind die zertifizierenden Stellen ja tatsächlich eher an den Zertifizierungskosten interessiert und nicht an aktuellen Schulungsinhalten, Seminarinhalten.
Götzke: Welche Erfahrung haben Sie denn gemacht mit der Qualität dieser privaten Weiterbildungsinstitute?
Langner: Ich persönlich – das mag ein Glücksgriff gewesen sein – habe bislang relativ gute Erfahrungen gemacht. Es gibt natürlich auch ganz viele Weiterbildende, die einfach Geld haben und sich irgendwelche Zertifizierungen kaufen können. Also, das ist so, was so meine Erfahrung ist, aber die, ich sage mal, eher kleineren Institutionen, die wirklich die Teilnehmer noch im Fokus haben und wo es nicht nur ums Geldverdienen geht, sondern um die tatsächliche Qualifizierung von angehenden Erzieherinnen und Erziehern, da ist die Qualität, so ist es meine Erfahrung, schon herausragend gut.
Götzke: Wie wird denn diese Qualität überprüft? Wird da staatlicherseits gecheckt, wird das evaluiert auch von Ihnen als Verband?
Langner: Zum einen, wir versuchen natürlich auch als Verband, Rückmeldungen von den Teilnehmenden direkt vor Ort zu bekommen. Das heißt, wir schreiben die Teilnehmenden an, um dort auch belastbare Informationen zu bekommen, Evaluationsbögen. Zum Zweiten sieht es aber auch so aus, dass die staatlichen Prüfungen, staatliche Anerkennung ja von den staatlichen Aufsichtsbehörden abgenommen wird. Das heißt, es sind dann irgendwelche Schulen, dort werden die Teilnehmenden als sogenannte Nichtschüler einer sogenannten Nichtschülerprüfung unterzogen, und da kann man natürlich dann auch noch mal herausfinden, ob das, was in den privaten Institutionen unterrichtet wurde, auch tatsächlich so nachprüfbar ist.
Götzke: Ja, nun berichtet zum Beispiel der "Spiegel", dass in manchen Seminaren die Referenten zu Themen, die sie hobbymäßig betreiben, Kurse geben. Da gebe es schon mal mehrtägige Trommelkurse. Offenbar scheint die Überprüfung ja doch nicht immer sehr gut zu erfolgen in diesen Fällen?
Langner: Das Problem ist wie immer und überall: Es dreht sich halt alles nur um den schnöden Mammon, alles nur ums Geld. Und wenn Sie sich vorstellen, so eine Zertifizierung, die mal schnell 10.000, 15.000, 20.000, 30.000, 40.000, 50.000 Euro kostet, da ist also erst mal ganz mal viel Geld, die diese Weiterbildungsinstitution in die Hand nehmen müssen, um überhaupt solche Weiterbildung anbieten zu können. Ja, und wenn man halt an den Zertifizierungskosten nicht sparen kann, dann muss man es halt irgendwann auch an den Dozenten oder an der Qualität der Weiterbildung machen.
Götzke: Herr Langner, wer bildet denn da weiter? Sind das tatsächlich immer Erziehungswissenschaftler, sind das wirklich Pädagogen, die die Qualifikation zumindest de jure haben? Also, wenn man von diesen Trommelkursen hört, kann man das ja wirklich anzweifeln?
Langner: Das stimmt in der Tat. Das ist natürlich auch so ein Punkt: Man sollte weniger die Tischbreiten zertifizieren, sondern man sollte tatsächlich mal schauen, was haben denn die einzelnen Dozenten für eine Weiterbildung? Und im Übrigen: Nur weil es ein privates Bildungsinstitut ist, heißt es nicht, dass es schlechter oder gar besser ist als die staatlichen Institutionen, wo Sie teilweise verbeamtete Lehrer haben, die jedes Jahr das Gleiche machen. Wenn ein privates Institut nicht gut ist, wenn dort ganz viele Teilnehmer durchfallen, wird es irgendwann die Runde machen und dann wird so ein Institut, so eine Akademie wahrscheinlich sehr, sehr schnell in wirtschaftliche Schieflage kommen und wird sehr schnell zugemacht werden.
Götzke: Gibt es denn ähnlich krasse Durchfallquoten auch bei den staatlichen Institutionen? Also, bei den privaten haben wir ja jetzt von Durchfallquoten von fast 100 Prozent gehört.
Langner: Ja, es stimmt. Wenn von staatlichen Schulen, wenn dort mal vier, fünf, sechs, vielleicht auch zehn Prozent durchfallen, dann mag das der natürliche Gang der Dinge sein. Aber wenn von privaten Institutionen, Weiterbildungsakademien, und nicht nur jetzt gerade aktuell 70, 80, 90 Prozent Durchfallquote haben, wissen Sie, ich mag dann nicht an irgendwelche Zufälle glauben. Ich mag dann nicht daran glauben, dass alle Institutionen schlecht ausbilden. Ich will da niemandem eine böse Absicht unterstellen, um Gottes Willen, aber …
Götzke: … aber Sie unterstellen jetzt schon, dass die staatlichen Prüfer die privaten Schüler irgendwie anders prüfen als diejenigen Absolventen, die an einer staatlichen Schule eine Ausbildung gemacht haben?
Langner: Bei mir, wirklich, erwächst genau dieser Eindruck, ja. Das hat ein System …
Götzke: … also, es kann nicht daran liegen, dass die privaten Institutionen so schlecht sind?
Langner: Es kann – und das will ich gar nicht in Abrede stellen –, es gibt überall schwarze Schafe, nur, ich glaube, dass hier der Markt sehr, sehr schnell sich selbst reinigt. Weil, würden Sie zu einem Institut gehen, wo man weiß, dass Sie durchfallen? Ich glaube, das würden Sie nicht tun!
Götzke: Die Bundesagentur für Arbeit hofft, kurzfristig 5000 Erzieher durch solche Umschulungen zu gewinnen. Ist das realistisch?
Langner: Tja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Also, das, was man über Jahre, Jahrzehnte versäumt hat, versucht man jetzt, so in einem Hauruckverfahren zu machen. Und das ist weder der Qualität zuträglich noch der Betreuung der Kinder. Also, ich will nicht sagen, dass jede Schlecker-Frau nicht geeignet ist, um Gottes Willen, da gibt es bestimmt ganz, ganz hervorragende Damen und auch Herren, die ganz, ganz wunderbare Erzieher werden können. Aber man muss sich einfach mal die Frage stellen, warum braucht eine normale Schülerin, ein normaler Schüler teilweise drei, vier, fünf Jahre, um in diesem wunderbaren Beruf arbeiten zu dürfen, und nur, weil jetzt ein Fachkräftemangel ist, kann man das plötzlich in einem Jahr machen oder in einem Dreivierteljahr? Also, das lässt mir einfach Sorgenfalten wachsen.
Götzke: Bis 2013 gibt es, wie gesagt, diesen Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung. Gibt es denn überhaupt Alternativen, als unter Hochdruck jetzt die Plätze aufzubauen?
Langner: Mit dem, wie ich die politische Situation im Moment einschätze, dass dieser Rechtsanspruch tatsächlich durchsetzbar gewährleistet ist. Das glaube ich nicht.
Götzke: Wer an privaten Akademien Umschulungen zum Erzieher macht, schafft die staatlichen Prüfungen so gut wie nie. Axel Langner vom Erzieherverband sagt, das könnte wohl auch an den staatlichen Prüfern liegen! – Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Axel Langner: Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Ich denke, es wird wahrscheinlich ein Mix aus beidem sein. Auf der einen Seite sind natürlich sehr viele, die mit den falschen Voraussetzungen in diese Qualifizierungsmaßnahmen gehen, zum anderen kann ich mir auch vorstellen, dass die Qualität der Weiterbildungsinstitute auch nicht immer die beste Qualität ist. Denn hier sind die zertifizierenden Stellen ja tatsächlich eher an den Zertifizierungskosten interessiert und nicht an aktuellen Schulungsinhalten, Seminarinhalten.
Götzke: Welche Erfahrung haben Sie denn gemacht mit der Qualität dieser privaten Weiterbildungsinstitute?
Langner: Ich persönlich – das mag ein Glücksgriff gewesen sein – habe bislang relativ gute Erfahrungen gemacht. Es gibt natürlich auch ganz viele Weiterbildende, die einfach Geld haben und sich irgendwelche Zertifizierungen kaufen können. Also, das ist so, was so meine Erfahrung ist, aber die, ich sage mal, eher kleineren Institutionen, die wirklich die Teilnehmer noch im Fokus haben und wo es nicht nur ums Geldverdienen geht, sondern um die tatsächliche Qualifizierung von angehenden Erzieherinnen und Erziehern, da ist die Qualität, so ist es meine Erfahrung, schon herausragend gut.
Götzke: Wie wird denn diese Qualität überprüft? Wird da staatlicherseits gecheckt, wird das evaluiert auch von Ihnen als Verband?
Langner: Zum einen, wir versuchen natürlich auch als Verband, Rückmeldungen von den Teilnehmenden direkt vor Ort zu bekommen. Das heißt, wir schreiben die Teilnehmenden an, um dort auch belastbare Informationen zu bekommen, Evaluationsbögen. Zum Zweiten sieht es aber auch so aus, dass die staatlichen Prüfungen, staatliche Anerkennung ja von den staatlichen Aufsichtsbehörden abgenommen wird. Das heißt, es sind dann irgendwelche Schulen, dort werden die Teilnehmenden als sogenannte Nichtschüler einer sogenannten Nichtschülerprüfung unterzogen, und da kann man natürlich dann auch noch mal herausfinden, ob das, was in den privaten Institutionen unterrichtet wurde, auch tatsächlich so nachprüfbar ist.
Götzke: Ja, nun berichtet zum Beispiel der "Spiegel", dass in manchen Seminaren die Referenten zu Themen, die sie hobbymäßig betreiben, Kurse geben. Da gebe es schon mal mehrtägige Trommelkurse. Offenbar scheint die Überprüfung ja doch nicht immer sehr gut zu erfolgen in diesen Fällen?
Langner: Das Problem ist wie immer und überall: Es dreht sich halt alles nur um den schnöden Mammon, alles nur ums Geld. Und wenn Sie sich vorstellen, so eine Zertifizierung, die mal schnell 10.000, 15.000, 20.000, 30.000, 40.000, 50.000 Euro kostet, da ist also erst mal ganz mal viel Geld, die diese Weiterbildungsinstitution in die Hand nehmen müssen, um überhaupt solche Weiterbildung anbieten zu können. Ja, und wenn man halt an den Zertifizierungskosten nicht sparen kann, dann muss man es halt irgendwann auch an den Dozenten oder an der Qualität der Weiterbildung machen.
Götzke: Herr Langner, wer bildet denn da weiter? Sind das tatsächlich immer Erziehungswissenschaftler, sind das wirklich Pädagogen, die die Qualifikation zumindest de jure haben? Also, wenn man von diesen Trommelkursen hört, kann man das ja wirklich anzweifeln?
Langner: Das stimmt in der Tat. Das ist natürlich auch so ein Punkt: Man sollte weniger die Tischbreiten zertifizieren, sondern man sollte tatsächlich mal schauen, was haben denn die einzelnen Dozenten für eine Weiterbildung? Und im Übrigen: Nur weil es ein privates Bildungsinstitut ist, heißt es nicht, dass es schlechter oder gar besser ist als die staatlichen Institutionen, wo Sie teilweise verbeamtete Lehrer haben, die jedes Jahr das Gleiche machen. Wenn ein privates Institut nicht gut ist, wenn dort ganz viele Teilnehmer durchfallen, wird es irgendwann die Runde machen und dann wird so ein Institut, so eine Akademie wahrscheinlich sehr, sehr schnell in wirtschaftliche Schieflage kommen und wird sehr schnell zugemacht werden.
Götzke: Gibt es denn ähnlich krasse Durchfallquoten auch bei den staatlichen Institutionen? Also, bei den privaten haben wir ja jetzt von Durchfallquoten von fast 100 Prozent gehört.
Langner: Ja, es stimmt. Wenn von staatlichen Schulen, wenn dort mal vier, fünf, sechs, vielleicht auch zehn Prozent durchfallen, dann mag das der natürliche Gang der Dinge sein. Aber wenn von privaten Institutionen, Weiterbildungsakademien, und nicht nur jetzt gerade aktuell 70, 80, 90 Prozent Durchfallquote haben, wissen Sie, ich mag dann nicht an irgendwelche Zufälle glauben. Ich mag dann nicht daran glauben, dass alle Institutionen schlecht ausbilden. Ich will da niemandem eine böse Absicht unterstellen, um Gottes Willen, aber …
Götzke: … aber Sie unterstellen jetzt schon, dass die staatlichen Prüfer die privaten Schüler irgendwie anders prüfen als diejenigen Absolventen, die an einer staatlichen Schule eine Ausbildung gemacht haben?
Langner: Bei mir, wirklich, erwächst genau dieser Eindruck, ja. Das hat ein System …
Götzke: … also, es kann nicht daran liegen, dass die privaten Institutionen so schlecht sind?
Langner: Es kann – und das will ich gar nicht in Abrede stellen –, es gibt überall schwarze Schafe, nur, ich glaube, dass hier der Markt sehr, sehr schnell sich selbst reinigt. Weil, würden Sie zu einem Institut gehen, wo man weiß, dass Sie durchfallen? Ich glaube, das würden Sie nicht tun!
Götzke: Die Bundesagentur für Arbeit hofft, kurzfristig 5000 Erzieher durch solche Umschulungen zu gewinnen. Ist das realistisch?
Langner: Tja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Also, das, was man über Jahre, Jahrzehnte versäumt hat, versucht man jetzt, so in einem Hauruckverfahren zu machen. Und das ist weder der Qualität zuträglich noch der Betreuung der Kinder. Also, ich will nicht sagen, dass jede Schlecker-Frau nicht geeignet ist, um Gottes Willen, da gibt es bestimmt ganz, ganz hervorragende Damen und auch Herren, die ganz, ganz wunderbare Erzieher werden können. Aber man muss sich einfach mal die Frage stellen, warum braucht eine normale Schülerin, ein normaler Schüler teilweise drei, vier, fünf Jahre, um in diesem wunderbaren Beruf arbeiten zu dürfen, und nur, weil jetzt ein Fachkräftemangel ist, kann man das plötzlich in einem Jahr machen oder in einem Dreivierteljahr? Also, das lässt mir einfach Sorgenfalten wachsen.
Götzke: Bis 2013 gibt es, wie gesagt, diesen Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung. Gibt es denn überhaupt Alternativen, als unter Hochdruck jetzt die Plätze aufzubauen?
Langner: Mit dem, wie ich die politische Situation im Moment einschätze, dass dieser Rechtsanspruch tatsächlich durchsetzbar gewährleistet ist. Das glaube ich nicht.
Götzke: Wer an privaten Akademien Umschulungen zum Erzieher macht, schafft die staatlichen Prüfungen so gut wie nie. Axel Langner vom Erzieherverband sagt, das könnte wohl auch an den staatlichen Prüfern liegen! – Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.