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Umstrittene Amnestie

Schätzungsweise 300 Milliarden Euro haben italienische Kapitalbesitzer illegal ins Ausland verschoben. Erst kürzlich hat nun die italienische Regierung eine neue Steueramnestie beschlossen. Den Steuerflüchtlingen winken günstige Bedingungen, wenn sie das Geld wieder zurück ins Land holen.

Von Karl Hoffmann |
    Hoch schlagen die Wellen bei der Frage, ob die Amnestie für illegal ins Ausland verschobenes Kapital sinnvoll ist oder nicht. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat keinen Zweifel:

    „Auf alles Geld, was aus dem Ausland zurückkommt, wird eine Steuer von fünf Prozent erhoben. Das dürfte bedeuten, dass wir eine Menge Geld zu erwarten haben, das in die Kassen des Staates fließt. Ein wahrer Geldsegen, der es uns ermöglicht, jenen zu helfen, die jetzt Hilfe nötig haben.“

    Für den Oppositionspolitiker Massimo Donadi hat der Geldsegen für die leeren Kassen des Staates einen entscheidenden Nachteil. Die Amnestie ist vor allem ein Segen für die größten Steuersünder

    „Das sind die Manager und die Großindustriellen. Die Amnestie ist eine Beleidigung für alle ehrlichen Bürger und Firmeninhaber und ein eindeutiger Hinweis darauf,, dass Unehrlichkeit, mangelndes Pflichtbewusstsein gegenüber dem Staat und Steuerbetrug in diesem Land am Ende auch noch belohnt wird.“

    Schätzungsweise 300 Milliarden Euro haben italienische Kapitalbesitzer illegal ins Ausland verschoben. Davon sind alleine etwa 150 Milliarden im grenznahen Schweizer Kanton Tessin deponiert. Die Regierung Berlusconi macht es den Kapitalflüchtigen leicht, Reue zu zeigen. Fünf Prozent Strafe sind eine Kleinigkeit, wenn man bedeckt, dass damit alle Steuervergehen im Zusammenhang mit den verschobenen Geldern getilgt sind. Wer unversteuertes Einkommen ins Ausland verbracht hat, spart am Ende einen Haufen Steuern. Weshalb das, was in anderen Ländern als Amnestie bezeichnet wird und den Steuersündern bis zu 40 Prozent Abgaben kostet, in Italien zurecht „Scudo Fiscale“ Schutzschild genannt wird. Hinter dem sich auch ausgesprochene Gauner verstecken können. Roberto Scarpinato ist ein in ganz Italien bekannter Antimafiastaatsanwalt in Palermo. Er erinnert an die letzte Amnestie von 2001, die ebenfalls von Silvio Berlusconi beschlossen worden war.

    „Damals gab es in ganz Italien, von Bozen bis nach Palermo auf einen Schlag einen Haufen Neureiche. Das waren Personen, die hatten jede Menge Geld, das sie legalisieren ließen. Damit kauften sie ganze Aktienpakete, Restaurants und Hotels zu Preisen, die weit über dem Marktwert lagen. Da wurden beutende Mengen an Kapital vor allem in Touristenorten investiert. Viele Lokale in ganz Italien hatten plötzlich Besitzer aus Kalabrien.“

    Das deutet ziemlich klar auf Geschäfte der Mafia hin. Die Regierung behauptet zwar, die Amnestie für Kapitalflüchtlinge diene dazu, die Kassen des Staates zu füllen. Im besten Falle, so meinen Experten, kommt bei nur fünf Prozent Strafe eine Summe von fünf Milliarden Euro zusammen. Doch die wahren Nutznießer sind Steuerbetrüger und, so fürchtet Scarpinato, die Mafia: denn das Schutzschild garantiert gleichzeitig volle Anonymität. Die Besitzer der zurückgebrachten Schwarzgeldsummen sind nicht mal den Anti-Mafia-Fahndern bekannt. Und das sei unverständlich, meint der Anti-Mafia-Staatswalt:

    „Ich denke, dass die Personen, die ihr Kapital zurückbringen und sonst nichts zu verbergen haben, auch ihre Namen bei den Steuerbehörden angeben können. Warum verschweigt man die Namen all jener, die Kapital aus Steuerhinterziehung nach Italien bringen, wenn der Staat praktisch Straffreiheit garantiert? Was, wenn das Geld aus Drogenhandel "

    Das Urteil Scarpinatos zum Steuerschutzschild ist deshalb vernichtend:

    „Ich glaube, dass am Ende nur sehr wenig Kapital aus einfacher Steuerhinterziehung zurückkommt, und sehr viel mehr Geld aus unbekannten Quellen, Schwarzgeld, das den Markt überschwemmen wird.“