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Umstrittene Ehrung

Äußerst umstritten war die Nominierung Ernst Jüngers für den Frankfurter Goethepreis. Während die linken Parteien ihn als Vordenker des Faschismus betrachteten, sah der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl in ihm eine Galionsfigur der modernen deutschen Literatur.

Von Christian Berndt |
    "An Ernst Jünger haben sich die Geister geschieden. Er hat den Vorwurf des ästhetischen Faschismus ebenso über sich ergehen lassen müssen, wie ihm das Lob zuteil geworden ist, den einzigen authentischen Widerstandsroman im Dritten Reich geschrieben zu haben."

    Frankfurt am Main, 28. August 1982. Oberbürgermeister Walter Wallmann verleiht in der Paulskirche den Goethepreis der Stadt. An diesem Tag bleiben viele Stuhlreihen in der Kirche unbesetzt. Seine Ansprache ist mehr Verteidigungsrede als Grußwort. Denn hinter der Ehrung liegt ein erbitterter Streit, wie es ihn um diesen renommierten Literaturpreis noch nie gegeben hat. Die Entscheidung des Kuratoriums für den umstrittenen Schriftsteller hat die Republik gespalten. Den Startschuss für das Protestgewitter gaben die Grünen im Stadtparlament:

    "Uns ist es relativ gleichgültig, ob Ernst Jünger ein guter oder schlechter Schriftsteller ist. Er war unbestritten ein ideologischer Wegbereiter des Faschismus und ein Träger des Nationalsozialismus von Kopf bis Fuß. Ein Kriegsverherrlicher und erklärter Feind der Demokratie. Er war und ist ein durch und durch unmoralischer Mensch."

    Ernst Jünger, der 1920 mit seinem Kriegstagebuch "In Stahlgewittern" bekannt wurde und in den 20er Jahren ein nationalistischer Gegner der Demokratie war, ist höchst umstritten. Vor allem eines wirft man ihm vor: Dass er seine politische Haltung nie revidiert habe. In seiner Rede anlässlich der Preisverleihung zeigt sich Jünger verständnislos gegenüber der Kritik:

    "Auch die Inquisition ist säkularisiert. Wie einst der konfessionellen, spürt sie heute der politischen Abweichung nach. Dem Zeitalter des Anstreichers ist das Zeitalter der Anbräuner gefolgt." (Raunen im Publikum)

    Linksliberale Intellektuelle sehen in der Ehrung Jüngers einen Versuch der Konservativen, die Republik wieder nach rechts zu verschieben. CDU-Chef Helmut Kohl, der einen Monat nach der Preisverleihung Bundeskanzler wird und sonst für seine Distanz zur Kultur bekannt ist, besucht in seiner Regierungszeit Ernst Jünger mehrmals:

    "Ernst Jünger ist einer der ganz wenigen großen lebenden Schriftsteller in unserem Land."

    Aber die Fronten sind dennoch nicht eindeutig. Ausgerechnet in der linksalternativen "Tageszeitung" wird die Kampagne der Grünen gegen Jünger als einseitig kritisiert, weil sich der Dichter ab 1933 jeder Zusammenarbeit mit dem NS-Regime verweigert habe. Und die Idee, Jünger für den Goethepreis vorzuschlagen, kommt von Rudolf Hirsch, einem jüdischen Schriftsteller, der 1933 aus Deutschland emigrierte und in Jünger einen inneren Widerständler des NS-Regimes sieht.

    Jünger war kein Nationalsozialist, aber er war ein Nationalist, der in beiden Weltkriegen befürchtete, eine entscheidende Schlacht zu verpassen. Dass er bei aller Distanz zu den Nazis als Offizier dem Regime diente, hat er nie hinterfragt – da galt, was er in jedem Krieg für richtig hält:

    "Wir wollten den Krieg gewinnen, und das halte ich für die Pflicht des Soldaten. An anderes hat er während des Krieges nicht zu denken."

    Zur Preisverleihung schreitet Jünger durch ein Spalier von Demonstranten, in der Paulskirche selbst fehlt fast die gesamte politische Prominenz. Zwar haben Jüngers Kritiker die Preisvergabe nicht verhindern können, aber die Absage der wichtigsten Politiker wirkt demonstrativ. Es ist der letzte große Streit um Jünger. Seine nächsten Bücher finden fast einhellige Zustimmung, zu seinem 90. Geburtstag drei Jahre später macht der Bundeskanzler seine Aufwartung:

    "Alles Gute zu Ihrem 90. Geburtstag – danke für Ihren hohen Besuch. In meiner Jugend hätte man gesagt, Sie kommen mit Kaiserwetter – Ja, es ist aber auch ein republikanisch gutes Wetter."

    Anfang der 90er Jahre wird Jünger von Autoren wie Botho Strauß und Heiner Müller als Moderne- und Kapitalismuskritiker wiederentdeckt. Und zu seinem 100. Geburtstag, am 29. März 1995 , wird er wie ein Nationalheld geehrt. Ernst Jünger hat, wie die "Zeit" schreibt, gegen die Geschichte recht behalten, allein, weil er sie überlebt hat. Den Orden "pour le mérite", den ihm Kaiser Wilhelm II. 1918 verliehen hat, trägt er auch an diesem Tag um den Hals.