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Umstrittene Einbürgerungszeremonie
Däne werden nur gegen Handschlag

Dänemark verlangt von Neu-Dänen Köperkontakt: Wer eingebürgert werden will, muss diese Entscheidung per Handschlag besiegeln. Die Regierung macht keinen Hehl daraus, dass das Gesetz auf Muslime abziele. Viele finden die Regelung übertrieben.

Von Jana Sinram |
Dänemarks Integrationsministerin Inger Støjberg gibt einer frisch eingebürgerten Dänin die Hand
Integrationsministerin Inger Støjberg (r.) gibt einer Neu-Dänin die Hand (Liselotte Sabroe / imago)
Es ist eine Ehre und ein Privileg, dänischer Staatsbürger zu werden, sagt Dänemarks Integrationsministerin Inger Støjberg. Das Medieninteresse ist riesig, als die Politikerin Mitte Januar höchstpersönlich zur ersten sogenannten "Grundlovsceremoni" geladen hat. Unter dem Klicken Dutzender Kameras geht ein Neu-Däne nach dem anderen auf Støjberg zu. Eine blonde Frau schüttelt ihr als erstes die Hand, dann ein dunkelhaariger Mann, beide bekommen anschließend die Einbürgerungsurkunde ausgehändigt.
Kirsten Kock besitzt schon seit 2016 eine solche Urkunde. Der 49-jährigen Deutsch-Dänin ist sichtlich unwohl, als sie sich das Video des dänischen Fernsehens von der Zeremonie ansieht.
"Ja, den Satz hab ich schon öfter gehört. Das ist eine so furchtbare Inszenierung der Person der Ministerin und dieses neuen Gesetzes. Und mir sträuben sich die Nackenhaare wenn ich das sehe. Der Ausschnitt zeigt dann leider nur eine Person, die sich dazu äußert, dass es nicht so schlimm ist. Aber dass es ganz viele Leute gibt, die sich auch negativ geäußert haben, wird da leider nicht dargestellt."
"Ich denke, das ist eine politische Entscheidung"
Seit Kirsten Kock selbst das Verfahren für die 2015 eingeführte doppelte Staatsbürgerschaft durchlaufen hat, lässt sie das Thema Einbürgerung nicht mehr los. Sie hat eine Facebook-Gruppe mit inzwischen 2.000 Mitgliedern gegründet, in der sie anderen hilft und über die gerade geltenden Regeln informiert. Die liberal-konservative Minderheitsregierung hat die Bedingungen mehrfach geändert und verschärft - gemeinsam mit den Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei, und oft auch gemeinsam mit den Sozialdemokraten.
"Ich denke, das ist eine politische Entscheidung. Ich sehe es gewollt, dass man da den Leuten so viel wie möglich in den Weg legt, um die Staatsbürgerschaft zu erreichen."
Kirsten Kock in der Parteizentrale von "Alternativet" in Kopenhagen. Kock besitzt seit 2016 neben der deutschen auch die dänische Staatsbürgerschaft.
Kirsten Kock in der Parteizentrale von "Alternativet" (Deutschlandradio / Jana Sinram)
Kock sitzt in der Parteizentrale von Alternativet in Kopenhagen, grüßt freundlich auf Dänisch die anderen Mitglieder, die kommen und gehen. Alternativet ist die grüne Partei in Dänemark und hat nichts mit der Alternative für Deutschland zu tun, wie Kirsten Kock betont. Vor 16 Jahren ist sie von Hamburg nach Dänemark gezogen, der Liebe wegen. Sie blieb – und kann dank ihrer doppelten Staatsbürgerschaft jetzt für das Parlament kandidieren. Bei der Wahl 2015 durfte sie nicht mitbestimmen, wer im Folketing sitzt. Ein wichtiger Grund für ihre Entscheidung, sich einbürgern zu lassen:
"Ich sehe es als mein demokratisches Recht und eigentlich auch als meine demokratische Pflicht, zu einer Parlamentswahl zu stimmen, in dem Land, wo ich lebe und meine Steuern zahle."
Über Einbürgerung entscheidet das Parlament
Große Chancen, gewählt zu werden, rechnet sich Kock nicht aus. Es geht ihr vor allem darum, auf das Thema aufmerksam zu machen, das sie in die Politik getrieben hat: die restriktive Einbürgerungspraxis. Bewerber müssen heute höhere Sprachanforderungen erfüllen und einen schwierigeren Einbürgerungstest bestehen. Den gab es zwar auch schon vor 2015, aber die Fragen drehten sich damals eher um den Alltag in Dänemark, um das Schulsystem zum Beispiel. Heute geht es in einem Drittel der Fragen um die dänische Geschichte. Die Regierung argumentiert, dieses Wissen sei wichtig für die Integration, sagt Kirsten Kock:
"Ich bin da teilweise einig, natürlich ist es wichtig, dass man Verständnis hat für die demokratischen Prozesse in einem Land. Aber ob ich weiß, ob irgendein geschichtliches Ereignis 932 oder 964 passiert ist, finde ich persönlich ziemlich egal."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Unter Dänen. Über die Grenzen der Integration".
Schloss Christiansborg, Sitz des dänischen Parlaments in Kopenhagen. Hier wird zweimal im Jahr per Gesetz darüber entschieden, wer die Staatsbürgerschaft erhält. Der Entwurf enthält ein paar Hundert Namen von Personen, die die Voraussetzungen erfüllen, und durchläuft ganz regulär drei Lesungen im Parlament. Ein Verfahren, das ziemlich einzigartig ist in der Welt.
"Das ist ja hier sehr nobel."
"So ist das halt mit Schlössern, ne?"
Niels Rohleder ist politischer Berater für Migration bei der Einheitsliste, einer kleinen Linkspartei im dänischen Parlament. Mit seiner Funktionshose und dem karierten Hemd sieht er deutlich lockerer aus, als die repräsentative Umgebung erwarten ließe.
Soll die Händedruck-Zeremonie Muslime abschrecken?
Die Einheitsliste ist seit 2015 in der Opposition und gehört zu den Kritikern der restriktiven Einbürgerungspraxis und des neuen Einbürgerungstests – obwohl die Prüfung eigentlich gar nicht so schwierig sei, sagt Rohleder:
"Man kriegt ja das ganze Material, muss das auswendig lernen, und das steht alles drin im Material. Bloß: Wenn man hierhergekommen ist mit einer schlechten Schulbildung, oder mit einer Sprache mit einem anderen Alphabet, dann ist man natürlich benachteiligt."
Unter anderem deshalb habe sich in den letzten Jahren die Zusammensetzung der Eingebürgerten geändert, meint Rohleder.
"Vor 2015 war der Anteil von arabischen Namen – also Irakern und so weiter – viel höher als heute."
Die Regierung will die Zahl der Neu-Dänen aus sogenannten nicht-westlichen, muslimischen Ländern möglichst klein halten – so erklärte es Integrationsministerin Støjberg vor einem Jahr ganz offen in einem Zeitungsinterview. Die neue Händedruck-Zeremonie sei Teil dieser Strategie und ziele allein auf Muslime, sagt Rohleder.
"Und dabei gibt es ja ganz wenig, die sich überhaupt überlegen würden, einer Person des anderen Geschlechts nicht die Hand zu geben. Das geht also nicht um ein reales Problem oder Phänomen in irgendeiner Weise, sondern ist reine Symbolpolitik, wie so viel unter dieser Regierung."