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Umstrittene Fütterung von Wildvögeln im Sommer

Die meisten Menschen füttern Wildvögel nur im Winter – wenn die Temperaturen unter null Grad sinken oder wochenlang Schnee liegt. Ob sie darüber hinaus im Frühling und Sommer mit Futter versorgt werden sollten, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Von Anna Florenske |
    Ennepetal bei Hagen an der Grenze zum Sauerland. Es ist acht Uhr morgens. Am Futtersilo im Garten von Bernd Jellinghaus herrscht Hochbetrieb.

    "Das ist ein Buchfink Weibchen. Und unten sitzt die Goldammer. Und die Spatzen kommen jetzt aber auch von hinten. Ein Rotkehlchen sitzt da. Da kam wieder der Dompfaff.
    Der Kleiber! Da ist einiges los!"

    Unzählige Vögel picken sich die Körner aus der röhrenförmigen Futterstelle. Wenn schon füttern, dann so, erklärt Bernd Jellinghaus von Naturschutzbund, kurz NABU.

    "Beim Silo haben wir immer den Vorteil, dass die Reste nach unten fallen und vor allen Dingen die Vögel nicht ins Futter koten können."

    Trotzdem ist der Vogelkundler nicht wirklich begeistert über die Futterstelle in seinem Garten - denn immerhin ist es schon Mai!

    "Das ist mehr oder weniger ein Versuch meines Sohnes. Der wollte sich halt so ein bisschen durchsetzen. Ich persönlich habe eigentlich mit der Fütterung immer aufgehört, wenn das Wetter schöner wurde, wenn die Temperaturen höher wurden – aber da wir hier Feldsperlinge hatten, die lange Jahre nicht da waren, ja gut, da haben wir gesagt: Die lassen wir mal hängen, dass die noch eine Nahrungsbasis vorfinden."

    Für die seltenen Feldsperlinge macht der Vogelschützer also eine Ausnahme. Doch ob Wildvögel grundsätzlich über den Winter hinaus gefüttert werden sollen, darüber gehen die Meinungen auseinander.

    "Ich hänge jetzt ab und zu noch mal Meisenknödel auf und ich finde das einfach ganz schön, wenn die Vögelchen bei mir vor dem Küchenfenster rumfliegen und dann habe ich ein bisschen was zu beobachten. Ich mache mir da keine Gedanken drum, ob die nicht auch in der freien Natur was zu futtern kriegen."

    Anders sehen das diese Gartenbesitzer:

    "Im Winter ist es ja nun wirklich so, dass sie durch Schnee, Eis usw. sehr wenig finden – also die brauchen da schon etwas an Zufütterung. Aber wenn dann nachher der Frühling kommt und die Erde wieder offen ist und alles wieder wächst – dann gibt es genug für die Tiere zu finden. Also da füttern wir nichts mehr dazu, das ist dann vorbei.

    "Ich kann das ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum man jetzt füttern sollte. Ich verstehe das nicht, weil das die Natur doch nicht vorgesehen hat, dass wir die jetzt noch füttern."

    Auch unter Vogelkundlern ist das Thema umstritten. Die Befürworter einer ganzjährigen Fütterung argumentieren: Durch Bebauung und industrielle Landwirtschaft biete unsere Landschaft für Singvögel zu wenig Nahrung und Lebensraum– zum Beispiel in Form von Wildstauden und einheimischen Sträuchern. Viele Arten sind inzwischen so stark dezimiert, dass sie auf der Liste für bedrohte Tierarten stehen – zum Beispiel das Blaukehlchen und die Feldlerche. Das Füttern mit Körnern, Haferflocken oder Apfelschnitzen helfe, ihr Aussterben zu verhindern. Bernd Jellinghaus vom NBAU sieht das differenzierter:

    "Normal, um diese Jahreszeit, nicht mehr füttern. Es sei denn, dass man besondere Umstände hat. Dass man zum Beispiel wirklich ein Feldsperlingspaar hat und hat sonst keine Möglichkeit, denen Futter zukommen zu lassen. Aber normal finden die Vögel um diese Jahreszeit hinreichend Nahrung."

    Denn: Insgesamt bringt eine ganzjährigen Fütterung aus Sicht des Naturschutzbundes neue Probleme: Sie stört das biologische Gleichgewicht unter den Singvögeln:

    "Die werden ein bisschen faul. Und man muss natürlich auch sehen: Die Vögel, die ans Silo rangehen, haben einen gewissen Vorteil. Die kommen halt besser durchs Jahr, ohne große Anstrengung. Und sind dann auch dominanter gegenüber Vögeln, die jetzt erst ankommen."

    Und so ist die Botschaft des Vogelschützers ganz klar:

    "Unser Ziel kann eigentlich nur sein, eine lebenswerte Umwelt zu schaffen, in der die Vögel auch so das Ganze Jahr Nahrung finden. Das heißt durch entsprechende Bepflanzung in den Gärten, durch entsprechende Bewirtschaftung der Wälder. Und das ist aus meiner Sicht auch vorrangig."