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Umstrittene Fusion von Bayer und Monsanto
Neue Ära für die Landwirtschaft – oder veraltetes Modell?

Monsanto ist weltweit einer der größten Hersteller des Herbizids Glyphosat, das vor allem zur Unkrautvernichtung eingesetzt wird. Die deutsche Bayer AG will den US-Konzern übernehmen. Die EU prüft derzeit, ob das gegen das Kartellrecht verstößt. Die angestrebte Fusion wirft aber noch eine weitreichendere Frage auf: Welche Landwirtschaft wollen wir?

Von Jantje Hannover und Ulrich Detsch |
    Blick auf ein Feld mit gentechnisch manipulierten Sojabohnen in den USA; undatiertes Foto
    Blick auf ein Feld mit gentechnisch manipulierten Sojabohnen in den USA; undatiertes Foto (picture-alliance / dpa)
    Martha Young startet ihren Achtzylinder-GMC-Truck und macht sich auf den Weg raus aufs Feld, wo ihr Mann Ron gerade Sojabohnen drischt. Die beiden sind bald 70, eigentlich im Ruhestand, aber ihr Sohn Josh braucht ihre Mithilfe. Die US-amerikanische Farmerfamilie bewirtschaftet rund 900 Hektar Ackerland unweit der Kleinstadt Carlinville, mitten in Illinois.
    Seit der Agro-Chemiekonzern Monsanto 1996 die ersten Roundup-ready Gentechnik-Sojabohnen auf den Markt gebracht hat, nutzt die Farmerfamilie diese, denn - nach Ansicht von Senior-Chef Ron Young – hätten sie nur Vorteile.
    "Bevor wir mit Roundup-ready Sojabohnen anfingen, war die Unkrautbekämpfung sehr schwierig. Für uns Farmer war es jedes Jahr das gleiche Ritual: Wir mussten mit der Unkrauthacke übers Feld laufen und das Unkraut mühevoll entfernen, weil wir keine Spritzmittel hatten, die alle Unkräuter vernichtet hätten. Plötzlich – mit Roundup ready - hatten wir bessere Erträge und kein Unkraut mehr. Außerdem können wir mehr Geld damit verdienen als jemals zuvor."
    Sohn Josh steigt auf den Mähdrescher und löst den Senior ab. Die Gentechnik sieht auch der 40-Jährige als Segen für seine Arbeit an, auch für seine Gesundheit.
    "Die Unkrautspritzmittel, die wir früher benutzten, waren viel giftiger mit vielen Rückständen. Sie leisteten keine gute Arbeit bei der Unkrautbekämpfung. Sie waren gefährlich für den Anwender und Leute, die in der Umgebung lebten. Denn die Mittel blieben länger im Boden."
    Dicamba gelangt über die Luft auf andere Kulturen
    Josh zeigt auf seinem Handy Einträge von US-Farmern, die sich zum Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat äußern. Es sind fast nur Lobeshymnen zu lesen über Agrar-Chemiefirmen wie Monsanto, Pioneer oder DowDuPont.
    Auch Jim Bellm, ein Freund der Youngs, der ein paar Autominuten entfernt seine 200 Hektar große Farm hat, hat umgedacht. Bis vor kurzem war er der Einzige noch, der auf Gentechnik-Saaten verzichtete – aus Überzeugung.
    "Wir haben bislang gentechnikfreies Getreide angebaut, dafür gab es einen Markt. Sie zahlten einen Aufschlag für solchen Mais und Soja. Dieser Aufschlag war anfangs attraktiv. Mit der Zeit aber nahm die Akzeptanz von Gentechnik zu und die Aufschläge für gentechnikfreies Getreide sanken. Außerdem machten uns Insekten und Unkraut Probleme. Die bekamen wir mit gentechnikfreien Sorten nicht so gut in den Griff wie mit Gentechnik-Saaten."
    Jim hat in diesem Jahr mehr geerntet als all die Jahre zuvor. Aber er beobachtet, dass Glyphosat allein nicht mehr mit allen Unkräutern fertig wird. Resistenzen nehmen zu. Einer von Jims Nachbarn hat deshalb die neue Wunderwaffe aus den Monsanto–Labors gesät: eine Soja-Sorte, die gentechnisch so verändert ist, dass sie nicht nur den Wirkstoff Glyphosat verträgt, sondern zusätzlich das Herbizid Dicamba. Die Äcker des Nachbarn sind frei von Unkraut. Aber Dicamba ist extrem flüchtig und gelangt über die Luft auf andere Kulturen und schädigt sie, sofern sie nicht auch gentechnisch auf Dicamba abgestimmt sind.
    Pflanzen entwickeln Resistenzen gegen das Pestizid Roundup des US-Agraunternehmens Monsanto; Aufnahme aus Santiago del Estero, Argentinien
    Pflanzen entwickeln Resistenzen gegen das Pestizid Roundup des US-Agraunternehmens Monsanto; Aufnahme aus Santiago del Estero, Argentinien (imago/imagebroker)
    "Wir haben ein geschädigtes Feld, weil der Nachbar Dicamba gespritzt hat. Gut möglich, dass ich künftig selbst Dicamba-resistente Sojabohnen säen muss. Wenn ich dann Dicamba zur Unkrautregulierung nutze, wird vielleicht auch das Unkraut gegen Dicamba resistent."
    Wenn alles so läuft wie von Bayer geplant, werden Josh Young und Jim Bellm aus Illinois in der nächsten Ernteperiode nicht mehr von Monsanto, sondern von Bayer beliefert. Denn der deutsche Konzern will Monsanto bekanntlich übernehmen. Bayer bietet in seinem Portfolio dann alles, was den amerikanischen Bauern offenbar gute Gewinne beschert. Es sei wichtig, dass sich die großen Player im Saatgut- und Pestizidmarkt gut aufstellen, zum Beispiel durch eine Fusion, findet Bernd Naaf, Kommunikationsleiter der Division CropScience von Bayer. Nur so seien die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen:
    "Laut Vorhersage der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der FAO, müssen im Jahr 2050 bis zu 3 Milliarden Menschen mehr ernährt werden. Der Klimawandel und Wetterextreme bedrohen Ernten, das verfügbare Ackerland pro Kopf nimmt ab durch die Urbanisierung, und auch natürliche Ressourcen wie Wasser werden immer knapper. Wir sind davon überzeugt, dass es vieler neuer Ansätze bedarf, um auf eine nachhaltige Weise die Ernährung für die wachsende Weltbevölkerung sicherzustellen."
    Die Bedeutung des Themas Ernährung ist für die Bayer AG in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Bayer wurde vor mehr als 150 Jahren als Farbenfabrik gegründet. Inzwischen gliedert sich der Chemie- und Pharmakonzern in drei Abteilungen. Eine davon ist die Agrarsparte unter dem Namen Cropscience, die vor allem Pflanzenschutzmittel herstellt.
    In den 90er Jahren kaufte Bayer zahlreiche Saatgut-Firmen auf, bis der Konzern mit der Übernahme von Aventis Anfang des Jahrtausends zu einem Global Player im Saatgut- und Agrarchemiesektor aufstieg. Im letzten Jahr hat Bayer CropScience einen Umsatz von knapp 10 Milliarden Euro erzielt. Das ist deutlich mehr als ein Viertel des gesamten Konzernergebnisses. Wenn die Fusion mit Monsanto klappt, wäre Bayer weltweit die Nummer eins beim Geschäft mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Bernd Naaf von Bayer Cropscience:
    "Letztendlich ist es ja unser aller Ziel, mit weniger Input mehr Output zu erreichen. Dazu sind innovative Technologien, leistungsfähige Saatgutsorten aber auch wirksamer chemischer und biologischer Pflanzenschutz nötig – aber auch die Anwendung guter landwirtschaftlicher Praktiken wie beispielsweise Fruchtwechsel bei gleichzeitiger Förderung der Artenvielfalt sind hierbei sehr, sehr wichtig."
    Das sind neue Töne, denn bisher war der frühere Konkurrent der Bayer AG kaum als Förderer der Artenvielfalt aufgefallen. Und nicht wenige Kritiker einer Fusion bezweifeln, dass Bayer mit Monsanto, das schon häufiger zum unbeliebtesten Konzern der Welt erkoren wurde, tatsächlich diese Wende vom Saulus zum Paulus gelingt – oder dass diese Wende von Bayer überhaupt auch nur ernsthaft angestrebt wird.
    "Glyphosat ist der Hauptwirkstoff in so genannten Totalherbiziden"
    Wer an Monsanto denkt, denkt an gigantische Felder mit gentechnisch verändertem Soja oder Mais. Er denkt an superresistente Unkräuter nach jahrelanger Glyphosat-Behandlung und an den immer wiederkehrenden Verdacht, Monsanto habe prüfende Behörden und Gesetzgeber beeinflusst, um Genehmigungen für seine Produkte durchzusetzen.
    "Monsanto ist einer der größten Produzenten von Glyphosat, Glyphosat ist der Hauptwirkstoff in so genannten Totalherbiziden, die alles pflanzliche Leben abtöten."
    Sagt Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen.
    "Sehr effizient, wie die das nennen, also sehr umfangreich abtötet und damit Insektenleben, infolge davon Vogelleben gefährdet und die Artenvielfalt bei uns in der Landschaft droht mit zu zerstören."
    Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, spricht am 30.09.2017 in Berlin beim Länderrat (Kleiner Parteitag)
    Grünen-Politiker Anton Hofreiter: "Glyphosat tötet Insektenleben sehr umfangreich ab." (dpa-Zentralbild)
    "Bayer und Monsanto setzen beide ja auf ein Agrarmodell, das für industrialisierte Landwirtschaft steht."
    Ergänzt Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz BUND:
    "Industrialisierte Landwirtschaft bedeutet, große Flächen werden mit Monokulturen bepflanzt, es wächst aber kein Baum, es wächst kein Strauch, Insekten haben keine Nahrung und Vögel auch nicht. Und wir befürchten, dass es einen weiteren Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft durch diese Fusion gibt."
    Schon seit vielen Jahren warnt der BUND, dass die intensive Landwirtschaft, unter anderem mit ihren Pestiziden, Bienen und andere Insekten tötet. Erst jetzt, nachdem auch zahlreiche wissenschaftliche Studien das Agrarsystem als Hauptursache für das Insektensterben identifiziert haben, wachen die Pestizid-Produzenten und konventionellen Fachverbände langsam auf.
    "Mit unseren Pflanzenschutzmitteln und unserem Saatgut ermöglichen wir es den Landwirten, höhere Erträge auf ihren Flächen zu realisieren, gleichzeitig verringern wir den Druck, dass naturbelassene Flächen in Äcker umgewandelt werden."
    Hält Bernd Naaf von Bayer Cropscience dagegen. Der Konzern hat ein neues Standbein: computergesteuerte Systeme, mit denen die intensive Landwirtschaft umweltfreundlicher werden soll:
    "Der Einsatz von digitalen Technologien ermöglicht die präzise Ausbringung von der Aussaat über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngungsoptimierung, und unterstützt so Maßnahmen zum Umweltschutz und Förderung der biologischen Vielfalt."
    Der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vom US-Konzern Monsanto
    In den 1960er Jahren baute Monsanto seine Agrarsparte auf und entwickelte dabei auch das heute weltweit meistverkaufte Spritzmittel Roundup mit dem Hauptwirkstoff Glyphosat. (imago/Bildwerk)
    Monsanto soll unter den Fittichen von Bayer umweltfreundlicher werden. Der Konzern startete 1901 als Chemie-Unternehmen, begann in den 60er Jahren, seine Agrarsparte aufzubauen und entwickelte dabei auch das heute weltweit meistverkaufte Spritzmittel Roundup mit dem Hauptwirkstoff Glyphosat. In den 1980er Jahren stieg Monsanto in die Agrar-Gentechnik und die Patentierung dieser neu entwickelten Pflanzen ein, vor allem Soja- und Mais.
    Wenn Unternehmen sich zusammenschließen wollen, tritt das Kartellamt auf den Plan. Es überprüft, ob bei einer Fusion der Wettbewerb geschützt bleibt, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission Justus Haucap:
    "Damit die anderen Marktteilnehmer, also von Unternehmen, nicht durch überhöhte Preise letztendlich zu viel zahlen müssen oder schlechte Qualität kriegen, also dass Unternehmen sich bemühen müssen um die Kunden, indem sie gute Angebote machen."
    30 Kartellbehörden weltweit müssen zustimmen
    Im Fall von Monsanto hat Bayer 59 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt. Das setzt den Konzern unter Druck, diese Gelder auch wieder einzuspielen. Bernd Naaf von Bayer Cropscience sieht da kein Problem:
    "Bayer und Monsanto haben sehr unterschiedliche Schwerpunkte in ihren jeweiligen Produktportfolio und stehen daher nur in einem sehr geringen Umfang im Wettbewerb zueinander."
    Die Wettbewerbsbehörde der EU Kommission war da offenbar anderer Meinung: Glyphosat von Monsanto konkurriere mit Glufosinat von Bayer, beide produzieren Gemüse-, Raps und Baumwollsaatgut, forschen und entwickeln Pflanzeneigenschaften und haben hier weltweit die Nase vorn. Im August verkündete die EU-Kommission daher, man wolle die Fusion genau unter die Lupe nehmen. Insgesamt müssen 30 Kartellbehörden weltweit zustimmen. Justus Haucap kann nicht genau beurteilen, ob der neue Großkonzern den Wettbewerb beeinträchtigen würde:
    "Weil man ja nicht die ganzen Detailinformationen hat, die die Europäische Kommission hat. Die kann ja tiefen Einblick in alle Geschäftsgeheimnisse nehmen, die der außenstehende Beobachter alle nicht hat. Gleichwohl würde ich sagen, das ist schon eine kritische Fusion im Bereich Agrochemie oder Pestizidforschung, und so weiter, da konzentriert sich der Markt tatsächlich sehr stark."
    Werksgelände der Bayer AG in Leverkusen
    Werksgelände der Bayer AG: Bis zum 8. Januar 2018 will die EU-Kommission entscheiden, ob der Leverkusener Konzern mit dem US-Saatguthersteller Monsanto fusionieren darf. (imago/Future Image)
    Neben Bayer und Monsanto wollen sich weitere Agrarriesen zusammenschließen: ChemChina mit dem schweizerischen Saatgut- und Pestizid-Riesen Syngenta, Dow Chemical ist bereits mit Dupont vereint. Justus Haucap:
    "Die Erfahrung zeigt, dass Konzentrationen schädlich sind für den Wettbewerb, auch für Innovation. Kern ist dann immer, welche Auflagen kann die Europäische Kommission verhängen, oder welche Zusagen kriegt sie von den Unternehmen, um das zu verhindern."
    "Ich glaube, dass eine Fusion von Bayer und Monsanto auch positiven Einfluss auf Innovationen haben kann"
    Bayer arbeitet nach eigener Auskunft eng mit der EU-Kommission zusammen. Bereits unterzeichnet wurde ein Vertrag mit der BASF, die für 5,9 Milliarden Euro wichtige Geschäftsanteile übernehmen will. Joachim Pfeiffer von der CDU, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie, hofft, dass der Deal am Ende genehmigt wird. Gerade vor dem Hintergrund der anderen beiden neu entstandenen Riesen im Agrargeschäft:
    "Insofern finde ich es prinzipiell positiv, dass wir auch hier aus Deutschland heraus und in der EU einen Global Player haben, der hier mit in der Lage ist, dieses zentrale Zukunftsproblem der Ernährung der Menschheit mit zu adressieren, sonst würden das andere in der Welt tun. Monsanto gibt, glaube ich, knapp 12 Prozent seines Umsatzes für Innovation, also für Forschung und Entwicklung aus. Und die Dinge werden immer auch schneller, werden auch immer teurer. Deshalb ist es wichtig, wenn man hier nicht den Anschluss verlieren will an die Weltspitze, dass man auch Innovationen entsprechend schafft. Und ich glaube, dass eine Fusion von Bayer und Monsanto hier auch positiven Einfluss auf Innovationen haben kann."
    Das sehen zum Beispiel die Landwirte anders, erklärt Michael Lohse vom deutschen Bauernverband:
    "Hier ist natürlich dann die Gefahr gegeben, dass Pflanzenschutzmittel nur noch für die Kulturen entwickelt und erforscht werden, die halt einen guten Absatz versprechen.
    Ähnliches gelte für den Bereich Saatgut. Große Konzerne investieren vor allem in Cash-Crops, also Mais, Soja und Weizen, die weltweit auf großen Flächen angebaut werden und üppige Gewinne versprechen. Dagegen könnten Marktnischen wie zum Beispiel an hiesige Witterungsverhältnisse angepasste Ackererbsen – für deutsche Landwirte als Zwischenfrucht wichtig – hinten runterfallen. Bis jetzt züchten in Deutschland noch viele mittelständische Unternehmen, erklärt Michael Lohse:
    "Das sind Unternehmer, das sind teilweise auch Landwirte, die züchten und wollen dann ihre Ergebnisse, die häufig fünf, zehn, fünfzehn Jahre dauern, auch vermarkten. Wenn es hier zu einer Konzentration kommt, und Große, die ein ganz anderes Forschungsbudget haben, hier die kleinen, die mittleren Unternehmen vom Markt drängen, dann kann das auch Auswirkungen haben auf die Konkurrenzsituation, auf die Marktsituation."
    "Saatgut, das ist ja eigentlich unsere Lebensgrundlage, also ohne Essen können wir nicht, und Saatgut brauchen wir, um Lebensmittel zu erzeugen."
    Die Umweltwissenschaftlerin Annemarie Volling arbeitet für die 'Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft', kurz AbL:
    "Was brauchen wir in der Zukunft an Saatgut? Wir brauchen vielfältiges, anpassungsfähiges Saatgut, was ressourcenschonend arbeitet. Wir brauchen Fruchtfolgen, wir brauchen Variabilität in den Sorten und halt Standort angepasste Sorten, die auch mit Wetterkapriolen und so weiter fertig werden."
    "Einheitssorten für Monokulturen, die angewiesen sind auf Spritzmittel"
    Standortangepasste Sorten bringen zumeist keinen Höchstertrag. Aber in Zeiten des Klimawandels gedeihen sie wegen ihrer genetischen Vielfalt im Erbgut oft besser als Hochleistungspflanzen, zum Beispiel, wenn Starkregen oder Trockenheit die Ernten dezimieren. Und natürlich sind standortangepasste Sorten nur für kleine, regionale Züchter interessant. Annemarie Volling:
    "Bayer, Monsanto macht genau das Gegenteil: Die machen Einheitssorten für Monokulturen, die angewiesen sind auf Spritzmittel, auf Düngemittel, damit sie den Höchstertrag bringen. Deshalb ist die große Frage, wer hat die Hand auf das Saatgut? Und Chapiro, der damalige Chef von Monsanto, hat mal gesagt, wir wollen die Lebensmittelkette in den Griff bekommen, vom Acker bis zum Teller des Verbrauchers – und genau darum geht es. Wer kontrolliert das, was auf den Acker kommt, und was wir in Zukunft essen? Und das wollen wir nicht einfach den Konzernen überlassen."
    Ackerfläche in Nordrhein-Westfalen nach dem Einsatz des Herbizids Glyphosat
    Ackerfläche in Nordrhein-Westfalen nach dem Einsatz des Herbizids Glyphosat (imago/Marius Schwarz)
    Annemarie Volling hat tatsächlich eine kleine Chance, auf das Fusionsverfahren Einfluss zu nehmen. Denn die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL wurde – gemeinsam mit der Petitionsplattform Avaaz - als Drittpartei im Genehmigungsverfahren der EU-Wettbewerbsbehörde zugelassen. Daher bekommt Volling auch einige Unterlagen zu sehen:
    "Wir kriegen aber nur eine ganz abgespeckte Version, wir kriegen auch nicht zu sehen, was Bayer einbringt als Geschenk an die EU-Kommission, damit sie ihre Fusion doch kriegen."
    Zusammen mit mehr als 200 europäischen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen hatte die AbL im Frühjahr an die EU-Kommission geschrieben und erklärt, warum die Fusion abzulehnen sei. Bei der Sicherung der Welternährung sei der Konzern nicht wirklich hilfreich, so Volling:
    "Derzeit können elf bis zwölf Milliarden Menschen ernährt werden, wir haben eine gewaltige Überproduktion. Das Problem ist, dass das nicht bei den Menschen ankommt. Und das ist nicht unbedingt eine Frage der Ertragshoheit oder aber der Technik, sondern eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit."
    Außerdem produziert die industrielle Landwirtschaft nach den Zahlen der Welternährungsorganisation FAO bisher überhaupt nur etwa ein Drittel der Lebensmittel für die menschliche Ernährung. Denn auf den großen Monokulturfeldern wächst vor allem Tierfutter und Biosprit.
    Heike Moldenhauer vom BUND hat auf der Aktionärsversammlung von Bayer im April versucht, die Aktionäre vor der Übernahme zu warnen:
    "Weil Monsanto ein Unternehmen ist, dass seine besten Tage längst hinter sich hat und ein völlig veraltetes Produkt im Portfolio hat, dazu gehört ja Roundup, also Glyphosat und daran angepasstes gentechnisch verändertes Saatgut, was im Moment schwer unter Beschuss ist in der EU. Es kann sein, dass es keine Wiederzulassung für Glyphosat gibt, und damit wäre der Hauptgeschäftsbereich von Monsanto sehr sehr geschwächt."
    Bringt die Fusion von Bayer und Monsanto eine neue Ära der Landwirtschaft, wie es Geschäftsführer Werner Baumann verkündet, oder handelt es sich ganz im Gegenteil um ein veraltetes Modell, das im Zeitalter der Nachhaltigkeit keine Zukunft hat? Die Bauern aus Illinois werden diese Frage irgendwann einmal beantworten können.