Es ist matschig geworden zwischen den Stelen, die in Richtung des Hauses ausgerichtet sind, in dem der AfD-Politiker Björn Höcke mit seiner Familie lebt. Nach einem Monat, nach Hunderten Besuchern, nach Regen und Schnee ist nichts mehr von einem Garten zu erkennen. Wer die vom Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" als "Außenstelle des Holocaust-Mahnmals" stilisierten Stelen in Beton-Optik in Bornhagen in Thüringen sehen will, sollte am besten Gummistiefel mitbringen. Aber daran hat keiner derer gedacht, die hier für Kunstfreiheit und gegen Nazis demonstrieren wollen. Vor der Demo steht die Besichtigung, wenn auch im Dunkeln.
Herbert: "Ich finde das einfach eine schöne Möglichkeit, gegen Nazis vorzugehen, ohne so aggressiv wie möglich zu sein. Deswegen bin ich hier."
Einer, der sich Herbert nennt, stapft fröhlich zwischen den 21 Stelen durch den kalten Matsch.
Reporter: "Und Björn Höcke ist für sie ein Nazi?"
Herbert: "Björn Höcke ist für mich ein Nazi, weil er sich unter verschiedenen Decknamen schon in anderen Parteien gezeigt hat. Und demnach gibt es für mich einfach nur einen Grund zu sagen, OK, ich bin dagegen! Und nicht zu sagen: Ich nehm das hin."
Es gibt schwerwiegende Indizien, die darauf hinweisen, dass Björn Höcke früher unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" für NPD-Blätter geschrieben hat. Bewiesen ist es nicht.
Herbert: "Das ist bei Kunst immer schwierig zu sagen: Wann ist es ein Eingriff in die Privatsphäre und wann nicht? Ich finde, Kunst hat den Anspruch, aufzuwecken, zu rebellieren. Und demnach ist Kunst für mich immer so ein witziger Grenzfall, mit dem man viel machen kann."
Nur lokale Unterstützer lassen Besucher ein
Die Kunstbetrachtung währt nicht allzu lange, dann geht es für die vor allem aus Nordhessen, aber auch aus Thüringen angereisten Antifaschisten wieder durch das vom "Zentrum für politische Schönheit" angemietete Haus nach draußen. Von den Aktions-Künstlern ist keiner aus Berlin angereist, nur lokale Unterstützer lassen die Besucher ein und bewachen die Stelen, an denen es auch schon Vandalismus gab.
Draußen auf der Straße verschluckt die dörfliche Dunkelheit schnell die fast ausnahmslos schwarz gekleideten Antifaschisten. An der Straßenecke stehen ein paar neugierige Einheimische. Die wenigsten wollen mit Journalisten reden.
"Ich weiß ja nicht, ob das Kunst ist. Es ist komisch."
…sagt eine ältere Frau, die mit einer jüngeren zusammensteht.
Reporter: "Haben Sie es schon mal gesehen?"
"Ja klar! Wir sind doch von hier. Wir waren richtig drin. Gleich den ersten Tag, wo sie es enthüllt haben."
"Wir haben es uns angeguckt, ja.
Reporter: "Was halten sie davon?"
Ach, ich find’s nicht schlecht. Also es ist halt…keine Ahnung."
"Es ist halt ein Nachbau! Aber so eine Idee muss man erst mal haben!"
"Als Mahnmal kann man das ja nicht bezeichnen."
… geht ein älterer Mann dazwischen.
"Wirklich nicht! Das ist kein Denkmal; das sind einfach ein paar billige Betonklötze, die nicht in die Welt passen. Das ist kein Denkmal."
Reporter: "Können sie denn verstehen, dass man gegen Björn Höcke sich politisch so stark engagiert?
"Na, er hat da so ein paar blöde Sätze gesagt. Das war wohl sein Verhängnis. Mit seinem Schandmal da und noch so einiges. Nach dieser Rede!"
Reporter: "Nach der Dresdner Rede?"
"Nach der Dresdner Rede, ja. Ich finde es halt nur nicht in Ordnung, dass Politiker dann – auch egal, wer es ist! – dass die dann hier so belagert werden."
"Sie sind nicht Teil der Demo"
Ein paar Hundert Meter weiter, die Straße runter, an Kneipe und Wurstmuseum vorbei, sammelt sich die Demonstration. Etwa 100 meist junge Leute sind gekommen, fast ebenso viele Polizisten. Fackeln werden angezündet. Musik dröhnt und hält die Dorfbewohner auf Abstand.
Eine Ein-Mann-Gegendemo steht am Rand. Martin Dellemann hält ein Plakat vor der Brust: "Gegen jede Form von Faschismus – ob von rechts oder links", steht darauf. Ein junger Mann, das Gesicht fast völlig schwarz vermummt, spricht ihn an.
Eine Ein-Mann-Gegendemo steht am Rand. Martin Dellemann hält ein Plakat vor der Brust: "Gegen jede Form von Faschismus – ob von rechts oder links", steht darauf. Ein junger Mann, das Gesicht fast völlig schwarz vermummt, spricht ihn an.
"Sie sind nicht Teil der Demo, deshalb würde ich Sie bitten, sich einfach von der Demonstrationsfläche zu entfernen!"
Martin Dellemann: "Wo ist hier …?
Antifa: "Das ist hier Demonstrationsfläche, Sie sind nicht Teil der Demo, und deshalb würde ich Sie bitten, sich zu entfernen!"
Martin Dellemann: "Das ist öffentliche Straße, die ich auch mitfinanziere! So seid ihr: Andere Meinungen nicht zulassen!"
Antifa: "Aber AfD …
Martin Dellemann: "Habe ich irgendwas von AfD gesagt? Die sind mir genauso suspekt wie ihr auch!"
Antifa: "Na dann ist doch gut! Dann frage ich mich, warum du hier bist!"
Ein Polizist erklärt ihm, dass er nicht näher an die Demonstration heran darf. Er bleibt stehen.
"Höcke streichelt auch mal meinen Dackel"
Sprechchöre:
"Siamo tutti antifascisti!"
"Nie, nie, nie wieder Deutschland!"
Die Sprechchöre richten sich auf Deutsch, Englisch und Italienisch gegen Nazis, gegen Deutschland, gegen die Staatsmacht überhaupt, gegen Grenzen, gegen Abschiebungen, gegen Nazipropaganda – für offene Grenzen, für ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge. Das Demonstrations-Thema "Kunstfreiheit" kommt nicht vor. Wohl aber in der Ansprache einer Bundestagsabgeordneten der Linken. Martina Renner ist gekommen …
"Um einfach mal danke zu sagen für die Aktion des "Zentrums für politische Schönheit" und Solidarität auszudrücken. Solidarität für die Künstlerinnen und Künstler, die in den letzten Wochen wirklich nicht nur massiv beleidigt wurden, verhetzt wurden, sondern eben auch insbesondere in den sozialen Medien tatsächlich persönlich bedroht wurden."
Ein paar Dorfbewohner stehen interessiert in der Nähe, auch die beiden Frauen. Sie finden die Demonstration …
"Friedlich, es geht. Nee, ist OK!"
Und die ältere Dame, die die Idee mit dem Stelenfeld eigentlich ganz gut findet, kann gegen den Nachbarn Björn Höcke nichts sagen.
"Aber ich sage mal: Wir sehen ihn ja jeden Tag; er joggt jeden Tag. Er ist immer nett und freundlich. Streichelt auch mal meinen Dackel."