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Umstrittene Milliardeninvestition
Das digitale Klassenzimmer

Geld für Rechner, Tablets, Breitbandanschlüsse und WLAN will Bildungsministerin Wanka den deutschen Schulen zur Verfügung stellen. Profitieren sollen alle Schulen, die sinnvolle pädagogische Konzepte für die Internetnutzung im Unterricht vorlegen. Der Lehrerverband hält wenig davon.

Von Stefan Maas |
    Friedrich-Gymnasium in Freiburg / Baden-Württemberg: Physiklehrer Patrick Bronner unterrichtet seine Klasse in einem Pilotprojekt mit einem Tabletcomputer. Die Schüler erarbeiten Ergebnisse mit dem Smartphone.
    Friedrich-Gymnasium in Freiburg / Baden-Württemberg: Physiklehrer Patrick Bronner unterrichtet seine Klasse in einem Pilotprojekt mit einem Tabletcomputer. Die Schüler erarbeiten Ergebnisse mit dem Smartphone. (picture alliance / dpa)
    Sie halte nicht sehr viel von manchen internationalen Rankings, erklärt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka am Morgen in Berlin, dennoch komme sie um eine Erkenntnis aus diesen Untersuchungen nicht herum:
    "In der Spitzenkategorie sind wir da nicht. Weder was die IT-Ausstattung deutscher Schulen noch was die digitale Kompetenz unserer Schüler anbetrifft."
    Das will die Ministerin mit der Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft ändern. Deshalb, so der Plan der CDU-Ministerin, sollen Schulen über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Euro erhalten.
    "Gedacht ist an alle Schulen. Also, nicht Gießkanne, aber dass alle Schulen davon profitieren können. Alle Schulen heißt ab Grundschule, das heißt natürlich auch Förderschulen, auch Hauptschulen, das heißt insbesondere auch Berufsschulen. Und es geht nicht nur um staatliche Schulen, ich würde das dann auch – jedenfalls ist das die Vorstellung, das muss ja noch verhandelt werden – auch für private Schulen möglich machen."
    Wanka: "Technik ist kein Selbstzweck"
    Dieses Geld sollen die Schulen in die technische Infrastruktur investieren. Rechner, Tablets, Breitbandanschlüsse, WLAN. Damit hat die Ministerin dann die ihr vom Kooperationsverbot gesetzten Grenzen erreicht. Geld darf sie in diesem Fall geben. Für die Inhalte sind die Länder zuständig. Die sollen im Gegenzug entsprechende pädagogische Konzepte erarbeiten, die Aus- und Fortbildung der Lehrer anpassen und gemeinsame technische Standards umsetzen. Denn, so Wanka:
    "Technik ist kein Selbstzweck. Man kann die tollste Technik haben, wenn es keine pädagogisch geeigneten Konzepte gibt, dann ist das rausgeschmissenes Geld."
    Um die fünf Milliarden Euro, eine hochgerechnete Summe, um den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Schulen und Schultypen gerecht zu werden, wie die Ministerin erklärt, müsse der Bildungsminister oder die Bildungsministerin in den kommenden Koalitionsverhandlungen ringen. Losgehen könnte es dann, wenn es nach ihr ginge, bereits 2018.
    "Das hängt nicht nur von mir ab, das hängt auch von der Gesprächsbereitschaft der Länder ab."
    Die sollen dann, wenn alles nach Wankas Plan läuft, das Geld zweckgebunden erhalten. Und Schulen müssten, um Geld zu bekommen, ein Konzept vorlegen.
    "Es ist nicht die Intention, dass wir sagen, die 25 Prozent der besten Schulanträge oder 50 Prozent werden realisiert, sondern die Zielstellung ist schon, dass wir es ermöglichen, allen Schulen. Aber das Geld gibt es nicht, wenn nicht ein Antrag ....Fünf Milliarden , der deutlich macht, damit kann man in dieser Schule was anfangen, das ist nicht nur abschöpfen einer bestimmten Summe, sondern da ist eine bestimmte pädagogische Vorstellung, was geschieht an dieser Schule, was will man einrichten."
    Noch ist vieles ungeklärt, doch die Kritik an den Plänen der Bundesbildungsministerin kommt aus vielen Richtungen. So kritisiert der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, das Geld solle besser in die Sanierung der Schulgebäude gesteckt werden, hier gebe es Bedarf in dreistelliger Milliardenhöhe. Schulen mit mehr Technik auszustatten bringe für den Unterricht kaum etwas. Marlis Tepe, die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW verweist darauf, dass es für verschiedene Altersklassen unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten gebe:
    "Das heißt, wir werden die Technik dann eben nicht sofort einsetzen, nicht für jedes Alter einsetzen."
    Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der Rheinischen Post, wahrscheinlich sei mehr Geld nötig als von der Ministerin angesetzt. Rund 2,5 Milliarden pro Jahr. Statt fünf Milliarden über fünf Jahre. Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates wirft ebenfalls die Frage auf, ob die Prioritäten stimmen, nimmt die Ministerin jedoch gleichzeitig in Schutz.

    Grüne: "Kooperationsverbot in der Bildung abschaffen"

    "Ich glaube, dass die Bildungsministerin daran unschuldig ist, weil, sie muss das Grundgesetz so nehmen wie es ist."
    Das Kooperationsverbot müsse endlich fallen, fordert auch Kai Gehring, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Hochschule, Bildung und Forschung. Dabei sei auch Wanka in der Pflicht:
    "Statt über Umwege Geld an die Schulen zu geben, sollte sie mit uns endlich das Kooperationsverbot in der Bildung abschaffen und einen echten Bildungspakt für Chancengerechtigkeit und Schulmodernisierung schmieden."
    Christine Lambrecht, die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, ruft deshalb noch für diese Legislaturperiode zu einer Grundgesetzänderung auf. Das Aus für das Kooperationsverbot dürfte aber spätestens im Bundesrat scheitern.