Nach der Ära von Karl Heinz Bohrer startet die neue Führung der Zeitschrift "Merkur" mit einem Europa-Schwerpunkt. Christian Demand, der neue Herausgeber, möchte jenseits der - wörtlich gesprochen - "Erbauungsprosa, der Kanzelreden und des Alarmismus" der letzten Wochen einen tiefer gehenden Diskurs über Identität und Zukunft Europas anstoßen.
Unter dem Titel "Hegemon wider Willen" geht dabei Christoph Schönberger, Rechtsprofessor an der Uni Konstanz, auf die "Stellung Deutschlands in der Europäischen Union" ein.
(Die Bundesrepublik) muss führen, wenn überhaupt geführt werden soll. Diese unausweichliche Führungsrolle gewährt große Möglichkeiten zu Gestaltung und Einwirkung, geht aber auch mit erheblichen Pflichten und Lasten einher.
Hegemonie hat nach Schönberger aber nichts mit einem Streben nach "deutscher Dominanz in Europa" oder nationalstaatlicher Interessenpolitik zu tun, sondern mit einem "Voraus- und Mitdenken für Europa insgesamt":
Die Hegemonie ( ... ) fordert von den deutschen Eliten und der deutschen Öffentlichkeit im Grunde etwas, das Deutschlands Lage in der Mitte Europas von ihnen schon immer verlangt hat: den Verzicht auf nationale Introvertiertheit; die aufmerksame Kenntnis, Beobachtung und Beeinflussung der europäischen Nachbarn, die Definition des eigenen Interesses unter Einbeziehung der Interessenlage der Partner.
In den "Blättern für deutsche und internationale Politik" wird dagegen getitelt: "Europa unter deutscher Fuchtel". Der Grund: Die Stabilitäts- und Fiskalunion, wie sie von Bundeskanzlerin Merkel angestrebt wird. Stephan Kaufmann, Wirtschaftsjournalist der Redaktionsgemeinschaft um Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung, attackiert dieses Projekt:
Die Politik setzt ( ... ) - auf deutschen Druck - ganz auf Maßnahmen zur Erhöhung der internationalen "Wettbewerbsfähigkeit". Diese Maßnahmen orientieren sich an der deutschen "Agenda 2010" und beinhalten vor allem eins: die Senkung der Lohnstückkosten. Ziel ist eine Verbilligung der Produktion und dadurch eine Steigerung der Ausfuhren ( ... ) So sieht sie also aus, die "Stabilitätsunion" nach deutschem Bilde: Stabilität entsteht demnach als quasi automatisches Ergebnis von Haushaltsregeln.
Die CDU-nahe Zeitschrift "Politische Meinung" bezieht Gegenposition, auch wenn dort zugegeben wird, dass die Verstöße in einigen Mitgliedstaaten die Wirksamkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingeschränkt hätten. So unterstützt der Publizist Werner Langen die Forderung der deutschen Bundesregierung, die Schuldenbremse in den Verfassungen der Euromitgliedstaaten zu verankern:
Die Überwindung der Staatsschuldenkrise erfordert mehr europäische Kompetenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, Vertragsänderungen und damit verbundenen nationalen Souveränitätsverzicht ( ... ) Von den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten ist ein mutiger Schritt zu mehr Europa gefordert, der die 27 Mitgliedstaaten nicht auseinandertreibt, sondern die bewährte "Gemeinschaftsmethode" stärkt.
Doch die Politik der Bundesregierung in Brüssel ist umstritten, vor allem die Rolle der Kanzlerin. So befürchtet die vormalige Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan in der SPD-nahen "Neuen Gesellschaft", dass Deutschland unter Merkel in "eine Art deutschen Isolationismus" zurückfallen könnte;
Die gegenwärtige Bundesregierung, insbesondere die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Rhetorik und ihrer Unterstreichung deutscher Überlegenheit einen empirisch erkennbaren Trend unter den Deutschen befördert, ihre Angewiesenheit auf Freunde nicht mehr zu erkennen und sich allein auf die eigene Stärke verlassen zu wollen( ... )Damit handelt sie nicht nur gegen Europa, sondern auch gegen die langfristigen wohlverstandenen Interessen der Deutschen, denen es historisch nie bekommen ist, wenn sie meinten, sich allein auf sich selbst verlassen zu können.
Je mehr die Eurokrise sich zuspitzt und die Kanzlerin bei der Bewältigung eine führende Rolle spielt, desto schneller wachsen im Ausland alte Ressentiments. "Deutschland über alles" und "Achtung Deutschland" lauten Angsttitel in Italien.
In Frankreich warnt man derweil vor deutschem Nationalismus, einer Bismarckschen Politik und einer neuen Version des Münchener Abkommens von 1938. Und in Großbritannien unterstellt die Londoner "Times" der deutschen Politik die "Unterwerfung fremder Völker".
Dabei können nur alle verlieren, wenn Deutschland sich kleiner macht als es ist. Analysiert der freie Publizist Reinhard Mohr im "Cicero" dem "Monatsmagazin für politische Kultur":
Das demokratische Deutschland ist erwachsen geworden und hat sich, zusammen mit Frankreich, als entscheidende Kraft in der Existenzkrise Europas zu bewähren, selbst wenn es dann nur noch das zweitbeliebteste Land der Welt sein sollte. Es gibt auch eine Feigheit vor Freunden. Wer sich kleiner macht als er ist, verhält sich gerade nicht demütig und bescheiden, sondern wie ein opportunistischer Heuchler, der keine Verantwortung übernehmen will. Ihm würde zu Recht niemand trauen.
Unter dem Titel "Hegemon wider Willen" geht dabei Christoph Schönberger, Rechtsprofessor an der Uni Konstanz, auf die "Stellung Deutschlands in der Europäischen Union" ein.
(Die Bundesrepublik) muss führen, wenn überhaupt geführt werden soll. Diese unausweichliche Führungsrolle gewährt große Möglichkeiten zu Gestaltung und Einwirkung, geht aber auch mit erheblichen Pflichten und Lasten einher.
Hegemonie hat nach Schönberger aber nichts mit einem Streben nach "deutscher Dominanz in Europa" oder nationalstaatlicher Interessenpolitik zu tun, sondern mit einem "Voraus- und Mitdenken für Europa insgesamt":
Die Hegemonie ( ... ) fordert von den deutschen Eliten und der deutschen Öffentlichkeit im Grunde etwas, das Deutschlands Lage in der Mitte Europas von ihnen schon immer verlangt hat: den Verzicht auf nationale Introvertiertheit; die aufmerksame Kenntnis, Beobachtung und Beeinflussung der europäischen Nachbarn, die Definition des eigenen Interesses unter Einbeziehung der Interessenlage der Partner.
In den "Blättern für deutsche und internationale Politik" wird dagegen getitelt: "Europa unter deutscher Fuchtel". Der Grund: Die Stabilitäts- und Fiskalunion, wie sie von Bundeskanzlerin Merkel angestrebt wird. Stephan Kaufmann, Wirtschaftsjournalist der Redaktionsgemeinschaft um Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung, attackiert dieses Projekt:
Die Politik setzt ( ... ) - auf deutschen Druck - ganz auf Maßnahmen zur Erhöhung der internationalen "Wettbewerbsfähigkeit". Diese Maßnahmen orientieren sich an der deutschen "Agenda 2010" und beinhalten vor allem eins: die Senkung der Lohnstückkosten. Ziel ist eine Verbilligung der Produktion und dadurch eine Steigerung der Ausfuhren ( ... ) So sieht sie also aus, die "Stabilitätsunion" nach deutschem Bilde: Stabilität entsteht demnach als quasi automatisches Ergebnis von Haushaltsregeln.
Die CDU-nahe Zeitschrift "Politische Meinung" bezieht Gegenposition, auch wenn dort zugegeben wird, dass die Verstöße in einigen Mitgliedstaaten die Wirksamkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingeschränkt hätten. So unterstützt der Publizist Werner Langen die Forderung der deutschen Bundesregierung, die Schuldenbremse in den Verfassungen der Euromitgliedstaaten zu verankern:
Die Überwindung der Staatsschuldenkrise erfordert mehr europäische Kompetenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, Vertragsänderungen und damit verbundenen nationalen Souveränitätsverzicht ( ... ) Von den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten ist ein mutiger Schritt zu mehr Europa gefordert, der die 27 Mitgliedstaaten nicht auseinandertreibt, sondern die bewährte "Gemeinschaftsmethode" stärkt.
Doch die Politik der Bundesregierung in Brüssel ist umstritten, vor allem die Rolle der Kanzlerin. So befürchtet die vormalige Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan in der SPD-nahen "Neuen Gesellschaft", dass Deutschland unter Merkel in "eine Art deutschen Isolationismus" zurückfallen könnte;
Die gegenwärtige Bundesregierung, insbesondere die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Rhetorik und ihrer Unterstreichung deutscher Überlegenheit einen empirisch erkennbaren Trend unter den Deutschen befördert, ihre Angewiesenheit auf Freunde nicht mehr zu erkennen und sich allein auf die eigene Stärke verlassen zu wollen( ... )Damit handelt sie nicht nur gegen Europa, sondern auch gegen die langfristigen wohlverstandenen Interessen der Deutschen, denen es historisch nie bekommen ist, wenn sie meinten, sich allein auf sich selbst verlassen zu können.
Je mehr die Eurokrise sich zuspitzt und die Kanzlerin bei der Bewältigung eine führende Rolle spielt, desto schneller wachsen im Ausland alte Ressentiments. "Deutschland über alles" und "Achtung Deutschland" lauten Angsttitel in Italien.
In Frankreich warnt man derweil vor deutschem Nationalismus, einer Bismarckschen Politik und einer neuen Version des Münchener Abkommens von 1938. Und in Großbritannien unterstellt die Londoner "Times" der deutschen Politik die "Unterwerfung fremder Völker".
Dabei können nur alle verlieren, wenn Deutschland sich kleiner macht als es ist. Analysiert der freie Publizist Reinhard Mohr im "Cicero" dem "Monatsmagazin für politische Kultur":
Das demokratische Deutschland ist erwachsen geworden und hat sich, zusammen mit Frankreich, als entscheidende Kraft in der Existenzkrise Europas zu bewähren, selbst wenn es dann nur noch das zweitbeliebteste Land der Welt sein sollte. Es gibt auch eine Feigheit vor Freunden. Wer sich kleiner macht als er ist, verhält sich gerade nicht demütig und bescheiden, sondern wie ein opportunistischer Heuchler, der keine Verantwortung übernehmen will. Ihm würde zu Recht niemand trauen.