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Umstrittene Staatsgelder Italiens für katholische Schulen

Am Sonntag stimmt die Bevölkerung Bolognas über die finanzielle Unterstützung katholischer Bildungseinrichtungen durch den Staat ab. Das Votum dürfte Signalwirkung für das ganze Land haben - die Mehrheit ist nach Umfragen für die Abschaffung.

Von Thomas Migge |
    Bologna, eine Straße am Stadtrand. Einige Bürger machen mit einem Lautsprecher auf sich aufmerksam. Es geht um die städtische Volksbefragung am kommenden Sonntag zur Finanzierung konfessioneller Schulen. Carla Moreni, Mutter zweier schulpflichtiger Kinder, weiß schon, wie sie sich am 26. Mai entscheiden wird:

    "Ich werde wählen gehen, klar, und zwar für die staatlichen Schulen, denn die haben so gut wie kein Geld mehr. Da werden keine Ausflüge mehr organisiert, nichts."

    So denken Umfragen zufolge rund 70 Prozent aller Bolognesen. Marta Simonetti gehört zu den Mitorganisatoren der städtischen Volksbefragung:

    "Wir wollen, dass sich hier etwas entschieden ändert. Das Geld aller Bürger, also unsere Steuern, soll nicht an private, das heißt in Italien konfessionelle, Schulen gehen. Der Staat und die Kommunen sollen nur laizistische, öffentliche und nicht religiöse Schulen finanzieren, die von Eltern Gebühren verlangen."

    Bei dem Referendum in Bologna geht es um eine für ganz Italien grundsätzliche Frage. Zum ersten Mal überhaupt wird in einer Kommune darüber abgestimmt, ob öffentliche - in diesem Fall städtische - Gelder auch weiterhin an konfessionelle Schulen gezahlt werden sollen. Es geht um rund eine Million Euro pro Jahr. Aber nicht nur darum, erklärt der prominente Journalist und Volksbefragungsbefürworter Giglietto Chiesa:

    "An die erste Stelle unseres Einsatzes für eine Zivilgesellschaft müssen wir die Verteidigung der öffentlichen Schule setzen. Es geht doch nicht an, dass konfessionelle Schulen Jahr für Jahr mit Abermillionen Euro aus Steuermitteln finanziert werden. Unsere Verfassung untersagt die staatliche Finanzierung privater Schulen ganz klar. Angesichts unserer hohen Staatsschulden ist diese Problematik mehr als aktuell."

    Die Volksbefragung in Bologna sorgt landesweit für Aufsehen. Promiente wie Krimiautor Andrea Cammileri, der Verfassungsrechtler Stefano Rodota, er war Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten und die Astrophysikerin Margherita Hack unterstützen die Initiative. Sie fordern die große Koalition in Rom dazu auf, endlich die staatliche Ko-Finanzierung konfessioneller Schulen zu streichen und das eingesparte Geld den an Finanzmitteln schwachen öffentlichen Schulen zu überweisen, die oft nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.

    Italiens Bischofskonferenz ist angesichts der Forderungen besorgt. Zum ersten Mal regt sich in ganz Italien Widerstand gegen ein Finanzierungsmodell, das seit Jahrzehnten existiert. Die christdemokratische Abgeordnete Paola Binetti von der Partei UDC kann den Widerstand nicht nachvollziehen:

    "Wir müssen das Thema Schule wieder ins Zentrum der Diskussionen bringen, damit allen klar wird, dass die konfessionellen Schulen einen ausgezeichneten Dienst für die Gesellschaft leisten. Konfessionelle Schulen bereichern die italienische Bildungslandschaft und geben Eltern die Möglichkeit, dass ihre Kinder in einem religiösen Kontext unterrichtet werden. Konfessionelle Schulen gehören zu unserer kulturellen Tradition."

    Eine kulturelle Tradition, die sich der nach der Verfassung laizistische italienische Staat pro Jahr rund 500 Millionen Euro kosten lässt. Damit werden zirka 7.200 katholische Schulen finanziert. Die Verfassung selbst ist, was die Finanzierung privater und damit vor allem konfessioneller Bildungseinrichtungen angeht, widersprüchlich. Zum einen heißt es in Artikel 33, dass private Schulen, deren Ausbildung und Bildungsabschlüsse vom Staat voll anerkannt werden, diesen nichts kosten dürfen.

    Gleichzeitig heißt es dort aber auch, der Staat solle solchen Schulen helfen, ihren Bildungsauftrag auszuüben. Die italienische Bischofskonferenz interpretiert diesen zweiten Teil des Verfassungsartikels als Verpflichtung des Staates, konfessionellen Schulen finanziell entgegenzukommen. Laizisten aber auch kritische Katholiken sehen das ganz anders.

    Die staatliche Finanzierung erfolgt durch Direktüberweisungen mithilfe der Unterstützung bestimmter Bildungsprogramme und in Form von Geldspritzen für Familien, bis zu 300 Euro monatlich, wenn diese ihre Kinder auf konfessionelle Schulen schicken wollen, aber nicht die dafür notwendigen monatlichen Gebühren aufbringen können.

    Mariella di Croce, deren Familie seit Generationen ihre Kinder ausschließlich auf konfessionelle Schulen in Rom schickt, verteidigt die staatliche Finanzierung solcher Bildungseinrichtungen:

    "Hier wird ja der Kirche dabei geholfen, ihre Arbeit zu machen. Wenn sich praktizierende Katholiken sicher sein wollen, dass ihre Kinder auch garantiert mit christlichen Lehrinhalten aufwachsen, dann bleibt ihnen doch nur die private katholische Schule. Lediglich aus Spenden kann die Kirche ihre vielen Schulen nicht finanzieren."

    Kritiker dieses Finanzierungsmodells beklagen nicht nur die jährlichen Überweisungen durch die öffentliche Hand, sondern auch die finanzielle Umverteilung zugunsten konfessioneller Schulen. So kürzten Silvio Berlusconis Regierungen rund 100 Millionen Euro im staatlichen Bildungsbereich, um diese Gelder privaten, also primär katholischen Schulen zukommen zu lassen.

    Das staatliche Finanzierungsmodell für konfessionelle Schulen wird auch von der italienischen Waldenserkirche kritisiert, wie Paolo Ricca, Theologe an der römischen Waldenseruniversität, sagt:

    "Die Waldenser weisen schon seit Längerem darauf hin, dass es sich hier um Geldmittel der italienischen Bürger handelt, die für öffentliche Ausgaben und nicht für private, konfessionelle Einrichtungen ausgegeben werden müssen. Wir hoffen deshalb, dass die neue Regierung auch dieses Problem aufgreifen wird. Es ist nicht richtig, wenn private Schulen staatliche Gelder für ihre Zwecke erhalten."

    Doch die neue Regierung, eine große Koalition aus Sozialdemokraten und Rechtsliberalen, wird sich nicht mit der katholischen Kirche anlegen wollen – und deshalb das Thema gar nicht erst aufgreifen. Es sei denn der – wie ihn die katholische Zeitung "Avvenire" nennt – "Bologna-Virus" breitet sich auch auf andere Großstädte aus.