Gegen das Votum seiner Bundespartei entschied sich der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, in letzter Minute für den Kompromiss: Das Südwestland brachte seine fünf Stimmen im Bundesrat für das Gesetz ein, das Serbien, Bosnien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt - und damit Asyl für Angehörige dieser Staaten erschwert. Im Bundesrat begründete Kretschmann den Schritt mit Zugeständnissen der Bundesregierung zugunsten anderer Asylbewerber - und damit, dass die vor allem betroffenen Roma aus den Westbalkanstaaten schon bisher keine guten Aussichten auf Asyl haben:
"Wir wissen um die Diskriminierungen, Ausgrenzung und Drangsalierung von Roma in den Staaten des westlichen Balkans. Wir wissen auch um ihre schlimmen wirtschaftlichen Nöte. Nichtsdestotrotz können diese Menschen unter den bisherigen Verfahrensbedingungen in der Regel nicht als Flüchtlinge anerkannt werden."
Die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Emily Haber begründete erneut die Asylrechtsverschärfung: Ein Viertel der Asylbewerber sei im vergangenen Jahr aus den drei Westbalkanstaaten gekommen. Neunundneunzig Prozent der Anträge seien abgelehnt worden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière setzt offenbar auf eine abschreckende Wirkung der Regelung. Er sagte am Rande des deutschen Juristentags in Hannover:
"Zunächst ist wichtig, dass wir diese Botschaft, dass Menschen, die aus Serbien und den anderen beiden Staaten kommen, hier keinen erfolgreichen Asylantrag stellen können, dass wir diese Botschaft auch in diese Länder transportieren."
Residenzpflicht entfällt nach vier Monaten
Die unmittelbare Wirkung der Gesetzesänderung dürfte dagegen begrenzt sein. Sie bedeutet, dass Antragsteller die Vermutung widerlegen müssen, dass in ihren Herkunftsländern keine Verfolgung besteht. Schon jetzt allerdings werden Anträge aus den Westbalkanstaaten in beschleunigten Verfahren erledigt.
Seit Wochen, verstärkt in den letzten Tagen, hatte vor allem Kanzleramtsminister Peter Altmeier mit den Ländern mit grüner und linker Beteiligung verhandelt. Das Angebot, auf das Baden-Württemberg nun einging, sieht zum einen vor, dass nach vier Monaten Aufenthalt in Deutschland die sogenannte Residenzpflicht entfällt. Flüchtlinge dürfen dann zwar nicht umziehen, aber in anderen Teilen Deutschlands als dem, dem sie zugewiesen sind, zum Beispiel Verwandte besuchen - oder auch über Landesgrenzen hinweg Bildungseinrichtungen. Nach 15 Monaten entfällt die Vorrangprüfung. Anstellungswillige Arbeitgeber müssen dann nicht mehr nachweisen, dass sich kein Deutscher für die Tätigkeit findet. Und das Sachleistungsprinzip, wonach Sachleistungen Vorrang vor Geldleistungen haben, entfällt.
"Es geht darum, die Lebenssituation von Flüchtlingen bei uns im Land ganz konkret zu verbessern und den Kommunen Hilfestellungen anzubieten."
So Kretschmann. Während die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl einwendet, alle drei Prinzipien hätten ohnehin schon Lücken gehabt.
"Menschenrechte für einen Appel und ein Ei verdealt"
Kritik kommt auch von Teilen der SPD, so von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Thorsten Albig:
"Die Tinte, mit der dieser Kompromiss geschrieben wurde, sie kommt grade aus dem Gefrierschrank. Es lässt einen frieren."
Aber vor allem Grünen-intern kündigen sich Diskussionen an. "Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt", beklagte der innenpolitische Sprecher Volker Beck. Und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth befand:
"Ich bedaure das. Ein schwarzer Tag für das Asylrecht, für die Flüchtlinge, aber auch für die Grünen."
Welche Erleichterungen Länder und Kommunen nun bekommen sollen, ist noch offen. Als Teil des Kompromisses hat der Bund in Aussicht gestellt, ihnen in den anstehenden Finanzverhandlungen entgegenzukommen.