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Umstrittener Besuch
Zehntausende protestieren in Köln für und gegen Erdogan

Mit Bangen erwartet Köln den heutigen Besuch des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdogan. Bereits zur Mittagszeit hatten sich Zehntausende Menschen in der Domstadt versammelt. Einige wollen für den Politiker aus Ankara demonstrieren, anderen gegen ihn - mit teils scharfen Parolen.

    Tausende Demonstranten protestierten gegen den Köln-Besuch von Recep Erdogan.
    Seine Gegner empfangen ihn auch in Köln mit teils scharfen Vorwürfen. (Deutschlandradio / Panajotis Gavrilis)
    Mehrere zehntausend Menschen haben gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Besuch in Köln protestiert. Bereits am Mittag versammelten sich laut Polizeiangaben rund 30.000 Demonstranten, die durch die Innenstadt zu einer Kundgebung marschieren wollten. "Stoppt den Diktator Erdogan", forderten die Teilnehmer auf Plakaten. Erdgoan habe Blut an seinen Händen, hieß es. Manche skandierten sogar "Mörder" und "Faschist". Aufgerufen zu dem Protest hatte die Alevitische Gemeinde.
    Zugleich trafen auf der anderen Rheinseite mehr als zehntausend Anhänger des türkischen Regierungschefs ein. Manche hatten schon seit den frühen Morgenstunden ausgeharrt. Vor der Lanxess-Arena, in der Erdogan sprechen sollte, drängten sich unübersehbare Menschenmassen. "Wir stehen hinter Erdogan, wir sind immer bei ihm", erklärten drei seiner Anhängerinnen. Viele Teilnehmer meinten, Erdogan gebe ihnen etwas, das ihnen in Deutschland fehle: Zugehörigkeit. Erdogan wollte am Abend eine Rede vor seinen Landsleuten halten, wenige Monate vor der Präsidentenwahl in der Türkei.
    Menschen warten vor der Lanxessarena in Köln
    Erdogan-Anhänger warten auf Einlass in die Lanxess-Arena. (Deutschlandradio/Schillmöller)
    Kritik auch von deutschen Politikern
    Deutsche Politiker übten ebenfalls massive Kritik an dem Besuch. Viele hatten eine Absage seines Redeauftritts verlangt. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Erdogan mehrfach zur Zurückhaltung auf. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl warf Erdogan vor, den politischen Konflikt in seinem Land in die Bundesrepublik zu tragen. Im Deutschlandfunk sagte er, er hoffe, dass sich Erdogan bei seinem heutigen Auftritt in Köln wie ein Gast benehme und keine polarisierende Rede halte.
    Auch der CDU-Politiker Bülent Arslan kritisierte den Auftritt. Ebenfalls im Deutschlandfunk sagte er, die Bundesrepublik habe es versäumt, den türkisch-stämmigen Bürgern ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Diese Lücke fülle Erdogan nun aus. Ähnlich äußerte sich die SPD-Politikerin Lale Akgün im Deutschlandradio Kultur.
    30.000 auf jeder Seite
    Veranstalter beider Lager und die Polizei hatten sich auf rund 30.000 Anhänger und 30.000 Gegner des Ministerpräsidenten eingestellt. Auch aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Österreich und den Niederlanden reisten Kundgebungsteilnehmer an. Die Polizei war mit Hundertschaften vertreten, um Zusammenstöße zwischen beiden Gruppen zu verhindern. "Aber es wird nicht einfach sein", sagte Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) im Südwestrundfunk.
    Viele Gegendemonstranten warfen dem türkischen Regierungschef vor, Menschenrechte einzuschränken und Minderheitenrechte zu missachten. Der CDU-Bundestagabgeordnete Heribert Hirte appellierte an ihn umfassende Religions-, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit zu gewähren. Dass sich Erdogan keine zwei Wochen nach dem schweren Grubenunglück von Soma mit 301 Toten nun Zeit für einen Deutschland-Trip nehme, sei unverzeihlich, meinten viele. „Der Umgang mit der Katastrophe ist schrecklich. Die Menschen trauern, und Erdogan macht Propaganda in Köln", kritisierte Taylan Can, einer der Demonstranten.
    Drei Frauen halten türkische Flaggen hoch
    Viele Erdogan-Befürworter meinten, er gebe ihnen etwas, was ihnen in Deutschland fehle: Zugehörigkeit. (Deutschlandradio / Jörg-Christian Schillmöller)
    Offiziell sollte Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sprechen, die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt. Die Türkische Gemeinde in Deutschland und die meisten anderen gehen aber davon aus, dass Erdogan Wählerstimmen sammeln will. Denn es gilt als wahrscheinlich, dass er im August für das Präsidentenamt in der Türkei kandidieren wird. Dabei können erstmals auch fast 1,5 Millionen Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben.