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Umstrittener Kandidat
AfD beharrt auf Albrecht Glaser als Bundestagsvize

Er gilt bei den anderen Fraktionen als nicht mehrheitsfähig, doch die AfD hält an ihrem Kandidaten Albrecht Glaser für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten fest. Umstritten ist dessen Forderung, dem Islam das Recht auf Religionsfreiheit zu entziehen.

Von Gudula Geuther |
    Das Mitglied des Bundestages und der Bundestagsfraktion der AfD, Albrecht Glaser, spricht in Berlin während einer Pressekonferenz am Rande der Fraktionssitzung seiner Partei. Glaser wird von der Alternative für Deutschland als Kandidat zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages aufgestellt.
    Hofft im Bundestag auf Fairness und Anstand: Der AfD-Politiker Albrecht Glaser (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Der Streit ist programmiert und vielleicht auch gewollt. Die AfD beharrt auf Albrecht Glaser als ihrem Kandidaten für das Amt des Bundestags-Vizepräsidenten. Vertreter fast aller anderen Fraktionen hatten angekündigt, den früheren Frankfurter Stadtkämmerer nicht wählen zu wollen. Grund sind vor allem Äußerungen zum Islam wie im April auf einer Parteiveranstaltung in Oestrich-Winkel. Der Islam sei eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kenne und da, wo sie das sagen habe, die Religionsfreiheit im Keim ersticke.
    "Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen."
    Jeder Fraktion steht ein Vizepräsidentenposten zu
    Wer die Religionsfreiheit in Frage stellt, hat sich disqualifiziert, betonte nun der Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen Cem Özdemir. Auch führende Vertreter von SPD, FDP und Linkspartei signalisierten gegenüber der FAZ Ablehnung, während sich die Führung der Unionsfraktion nicht äußern wollte. Die Frage ist heikel. Denn die Geschäftsordnung des Bundestages gesteht jeder Fraktion mindestens einen Vizepräsidentenposten zu. Glaser selbst hatte nach der konstituierenden Fraktionssitzung schon Szenarien des Boykotts gegen die AfD durchgespielt.
    "Ich werde mich im Bundestag zur Wahl stellen und hoffe darauf, dass so viel Fairness und politischer Stil und Anstand im Parlament besteht, dass die Geschäftsordnung nicht geändert wird."
    Mehrheitswahl - Kandidat kann scheiterm
    Das soll nun auch nicht geschehen. Die Ablehnung gilt nicht dem Posten für die AfD an sich, sondern der Person Glaser. Die Fraktionen seien gehalten, mehrheitsfähige Personen vorzuschlagen, betont etwa der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann. Tatsächlich steht auch das in der Geschäftsordnung: Die Vizepräsidenten werden mit Mehrheit gewählt. Erst mit qualifizierter, wenn das scheitert, mit einfacher Mehrheit. Trotzdem scheiterte 2005 der Kandidat der Linkspartei.PDS, der Parteivorsitzende Lothar Bisky, in den vorgesehenen drei Wahlgängen und auch in einem von Parlamentspräsident Norbert Lammert angesetzten vierten in der zweiten Sitzung. Erst fünf Monate später wählte der Bundestag schließlich Petra Pau. Bei der Frage, wer Vizepräsident wird, gehe es nicht nur um Symbolik, betont gegenüber unserem Hauptstadtstudio der frühere langjährige Amtsinhaber, der SPD-Politiker Wolfgang Thierse:
    "Die Vizepräsidenten repräsentieren mit dem Präsidenten insgesamt das Parlament. Das ist schon eine Verpflichtung zu einer gewissen parteipolitischen Zurückhaltung. Und darüber hinaus – natürlich: Ein Vizepräsident amtiert, er leitet Sitzungen. Und er muss das im Sinne des Gesamtparlaments tun. Und das ist halt die Gefahr. Das muss man wissen. Wir wissen ja nicht, wie die AfD als Fraktion agieren wird, ob sie sich so verhält wie in den Landtagen."
    Die Macht des Amtes ist groß
    Gerade wenn der Sitzungsleiter gegen Provokationen nicht vorgehe, sei die Handhabung schwer, die Macht des Amtes sei praktisch unumschränkt. Die Frage des Umgangs mit der AfD im Parlament stellt sich auch in anderen Fragen. So wurde die Bestimmung des Alterspräsidenten so geändert, dass nicht der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete die erste Bundestagssitzung eröffnet. Im Fall von mehreren Ausschüssen wird diskutiert, ob ein Vorsitz durch AfD-Politiker verhindert werden sollte. Wasser auf die Mühlen der AfD, hatte Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, schon im Vorfeld gewarnt.
    "Das verschafft der AfD immer die Möglichkeit, sich in dieser Opferrolle hineinzuinterpretieren und damit zu zeigen, dass man anders ist als die anderen Parteien."
    Ob die AfD – wie vor zwölf Jahren die Linkspartei – einen mehrheitsfähigen anderen Kandidaten finden kann, ließ Parteichef Alexander Gauland gegenüber der Agentur Reuters offen. Er machte Türen aber eher zu. Zu Glasers Haltung zum Islam, die Stein des Anstoßes ist, sagte er: In der Bewertung sehen wir das alle so wie Herr Glaser.