Es ist nicht gut für den Ruf, wenn man auf der Liste einer Behörde auftaucht, die aus verdächtigen Personen besteht, die dem organisierten Verbrechen zugerechnet werden. Doch das ist Gafur Rachimow im Dezember des vergangenen Jahres widerfahren, als er mit einer berüchtigten kriminellen Vereinigung in Verbindung gebracht wurde. Sie ist in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion aktiv und wird übersetzt "Diebe im Gesetz" genannt.
Das amerikanische Finanzministerium schrieb dazu:
"Rachimow hat mit den 'Dieben im Gesetz' geschäftlich zusammengearbeitet und ihnen geholfen, in dem er sie vor Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden warnte, Treffen organisierte und sich mit anderen Problemen befasste. Rachimow wurde als jemand beschrieben, der auf dem Weg über Erpressung und Autodiebstahl zu einem der führenden Kriminellen in Usbekistan wurde und als wichtige Person im Heroinhandel involviert ist."
IOC droht mit Entzug des Olympia-Status
Die unmittelbare Folge dieser offiziellen Mitteilung: Kein Amerikaner darf mit dem Usbeken Geschäftsbeziehungen unterhalten. Das gilt unter anderem für die Banken. Etwaige Konten sind seitdem eingefroren. Wie weit das Ganze allerdings wirklich reicht, wurde wenig später klar. Als Rachimow von seinem Posten als Vize-Chef des internationalen Amateurboxverbandes zum Interimspräsidenten aufstieg. Er soll im November in Moskau beim AIBA-Kongress fest installiert werden.
Die heftigste Reaktion kam aus dem Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees. Mitte der Woche drohte man da, Boxen wegen der Zustände im Verband im Fall einer Wahl von Rachimow den Status als olympischer Sportart zu entziehen.
Rachimow bestreitet die Vorwürfe
Dabei schien die Personalie Rachimow bislang kein Problem zu sein. Obwohl der bereits im Jahr 2000 von australischen Behörden die Einreise zu den Olympischen Spielen in Sydney verweigert bekam, nachdem in den Medien erstmals Quellen zitiert wurden, die den in Dubai lebenden Usbeken als führende Figur im organisierten Verbrechen seines Heimatlandes bezeichneten. Der kam trotzdem über die Hintertreppen des asiatischen Boxverbandes Schritt für Schritt nach oben.
Rachimow selbst bestreitet die Vorwürfe. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich alles in den nächsten drei bis sechs Monaten aufklären wird", sagte er jetzt der Nachrichtenagentur AFP.
Das IOC hat lange gebraucht, um sich mit den Interna des hoch verschuldeten Amateur-Verbandes AIBA zu beschäftigen. Seit Jahrzehnten – insbesondere bei Olympischen Turnieren – sind Korruption, Betrug und verschobene Kämpfe an der Tagesordnung, bilanziert Box-Experte Bertram Job:
"Schon vor 70 Jahren beim olympischen Boxturnier in London sind damals von den 85 Offiziellen 66 vorzeitig nach Hause geschickt worden."
Unendliche Geschichte von Korruption und Betrug
Der Journalist Job, einer der besten Kenner des Boxsports und Autor mehrerer Bücher zum Thema, hat sich immer wieder mit der unendlichen Geschichte beschäftigt.
"In Mexico City ist jeder zweite Kampf- oder Punktrichter nach Hause geschickt worden. In Montreal sind über 80 afrikanische Boxer vorzeitig abgereist, weil sie das Gefühl hatten, dass sie gar nicht gewinnen können."
Weshalb das, was 1988 im Finalkampf im Leichtmittelgewicht in Seoul passierte, niemanden mehr wirklich überraschte: Der Amerikaner Roy Jones jr. landete viermal so viele Treffer wie sein südkoreanischer Gegner Park Si-hun, der insgesamt zweimal vom Ringrichter angezählt wurde. Trotzdem wurde Park Goldmedaillengewinner.
Konsequenzen? Keine.
"Es hat wenig bis gar keine unabhängigen Untersuchungen gegeben. Der Verband hat immer wieder darauf gepocht, dass er die Hoheit hat und hat nicht wirklich aufgeräumt."
Zweiter Kandidat könnte Ausweg sein
Eine Haltung, die sich in den Personalentscheidungen an der Spitze niederschlug, sagt Bertram Job. So wurden immer wieder gut vernetzte Funktionäre nach oben gelobt, die versprachen, den defizitären Laden in Schwung zu bringen.
"Man hat immer gedacht, man hat dann einen starken Mann, einen Pseudo-Charismatiker, der Geld locker machen kann oder selber welches besitzt. Und dann hat man irgendwann im Laufe der Zeit entdeckt, dass der vermeintliche Retter selber den Verband wieder heruntergezogen hat. Am deutlichsten ausgeprägt bei Wu Ching-Kuo aus Taiwan, der nach unterschiedlichen Schätzungen 24 bis 30 Millionen Dollar Schulden angehäuft hat. Ohne die leiseste Ahnung, wie man da vielleicht wieder herauskommen könnte "
Nun haben die Verbandsgremien nach guter alter Tradition dafür gesorgt, dass kein anderer Kandidat für das Präsidentenamt zugelassen wurde. Dabei könnte dies der Ausweg aus der Zwickmühle sein. Auch Rachimow hofft nach eigener Aussage inzwischen, dass sein Name im November nicht als einziger auf dem Stimmzettel steht.