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Umstrittenes Modell

Die rot-grüne Landesregierung in NRW will jedem Schulabgänger ein Ausbildungsangebot machen. Doch dieser Plan überzeugt viele Schulleiter nur bedingt.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 12.12.2012
    Schulleiter Manfred Lebeck im Beratungsgespräch mit seinem Schüler Daniel Kaiser. Der 17-Jährige besucht die Katholische Hauptschule Großer Griechenmarkt in Köln und würde nach der 10. Klasse am liebsten bis zum Abitur in der Schule bleiben - auch, weil er mit der Lehrstellensuche bisher gemischte Erfahrungen gemacht hat. Rund 15 Bewerbungen hat Daniel schon geschrieben:

    "Zwei haben abgesagt und die anderen sind einfach verschwunden. Dann schickst Du noch weitere ab, denn Du willst ja unbedingt eine Ausbildungsstelle haben, deswegen schickst Du immer mehr und mehr. Ich kenne Kollegen, die haben schon über hundert Bewerbungen abgeschickt und immer noch nichts abbekommen."

    "Es ist eigentlich nicht o. k., überhaupt nicht zu reagieren, aber es ist Praxis",

    so beobachtet Schulleiter Lebeck bei vielen Betrieben. Umso mehr bemüht sich seine Schule um Hilfestellung. Es gibt ein Berufsorientierungsbüro, externe Berater, Berufseinstiegsbegleiter und Betriebspraktika. Die sogenannte Ausbildungsgarantie, die die rot-grüne Landesregierung in NRW seit Langem bewirbt, überzeugt den Schulleiter nur bedingt:

    "Eine Garantie ist so eine Theorie. Das heißt, wenn wir die Kinder und Jugendlichen haben mit den schlechten Noten, muss man gut überlegen, was passt da für die Zukunftsplanung eines Jugendlichen, der mit solchen Voraussetzungen kommt. Ob dann die Ausbildungsgarantie das richtige Mittel ist, weiß ich nicht."

    Auf Nachfrage rückt das Arbeits- und Sozialministerium in Düsseldorf von dem Begriff ab und erklärt, es handele sich nicht um eine Ausbildungsplatz-, sondern lediglich um eine Ausbildungsgarantie. Die sei das Ziel, wichtiger aber sei der Weg dorthin. Nach dem Motto "Kein Abschluss ohne Anschluss" plant NRW deshalb bis 2018 landesweit weitere Beratungsangebote für Achtklässler in ganz NRW. Ein Ansatz, den Axel Plünnecke vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln befürwortet. Wichtig ist aus Sicht des Arbeitsmarktexperten allerdings auch, Schulabgänger ohne Lehrstelle nicht in staatlichen Maßnahmen zu parken, wie es bundesweit weit verbreitet ist:

    "Das ist nicht die goldene Lösung, vor allem nicht für die Zukunft. Denn wir sehen in den nächsten Jahren stark sinkende Schülerzahlen, Absolventenzahlen, und altersbedingt scheiden mehr und mehr Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt aus, sodass die Engpasssituation sich ändert und Unternehmen händeringend in den nächsten Jahren Azubis suchen werden. Von daher ist es wichtig, diese möglichst fit und ausbildungsreif in der Schule zu machen, und dann den Übergang durch Berufsorientierung zu verbessern, damit die Ausbildungsplätze dann auch besetzt werden können."

    Die Unternehmen, so hat Axel Plünnecke beobachtet, halten von Schlagworten wie einer Ausbildungsgarantie wenig - qualifizierte Schulabgänger sind für sie entscheidend:

    "Das Thema für Unternehmen ist die Ausbildungsreife. Wir wissen aus früheren PISA-Studien, dass etwa 20 Prozent der jungen Menschen in Deutschland Probleme haben mit dem Textverständnis, mit Mathe, aber auch soziale Kompetenzen häufig noch Verbesserungspotenzial haben."

    Hauptschulleiter Manfred Lebeck aus Köln sieht allerdings auch die Betriebe in der Pflicht:

    "Schule muss sicherlich noch mal ein Stückchen genauer vorbereiten. Genauso gut müssen aber auch die Betriebe, Handwerks- und Industrie- und Handelskammern gucken: Wie können wir die Ausbildungsgänge so gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler das auch leisten können?"

    Lebecks Hauptschule leistet ihren Teil bereits. Von rund 65 Schulabgängern sind dieses Jahr nur drei seiner Schäfchen ohne Lehrstelle geblieben. Die größten Probleme haben junge Migranten und Alleinerziehende. Überhaupt hat sich die Lage auf dem Jugendarbeitsmarkt seit 2005 deutlich entspannt - deshalb würden andere EU-Länder, die mit hoher Jugendarbeitslosigkeit kämpfen, das deutsche Modell der dualen Ausbildung jetzt gerne kopieren, nachdem es früher gerade im angelsächsischen Raum eher belächelt wurde. Hauptschüler Daniel Kaiser würde gerne Automatisierungstechniker werden. Sein Schwärmen über die Technik klingt besser als jede Bewerbung:

    "Ich mag einfach alle Sachen mit Elektronik. Vom Handy bis zur Waschmaschine - alles, was automatisiert ist, ist einfach total spannend. Denn man weiß ja nicht, was da alles drinnen steckt. Es kommt einfach: Man drückt auf die Tasten, es passiert, keiner wundert sich!"