Vor wenigen Minuten in Osnabrück: Aktivisten von Campact suchen die versammelten Minister mit einer monströsen Giftspritze heim. Die NGO mit Sitz in Verden hat abertausende Unterschriften gesammelt. Mit Internet-basierten Aktionen setzt sich die Organisation aus Verden dafür ein, das Pflanzenschutzmittel Glyphosat von deutschen Äckern zu verbannen. Das Verbot ist überfällig, sagt Campact-Campaigner Gerald Neubauer:
"Gerade in der Gentechnik wurden bestimmte Pflanzen resistent gegen dieses Glyphosat gemacht. Deshalb wird es besonders im Gen-Anbau eingesetzt, aber auch in anderen Anwendungen auf unseren Äckern und bei den Privatverbrauchern. Das Glyphosat landet letzten Endes in unseren Nahrungsmitteln"
Ursprünglich zur Unkrautvernichtung konzipiert, wirkt Glyphosat in immer größeren Mengen auch auf Kulturpflanzen ein. Landwirte sprühen den Wirkstoff auf ihre Felder, damit das Getreide kontrolliert und gleichmäßig reift. Das erleichtert die Ernte, der Zeitpunkt der eintretenden Reife lässt sich mithilfe des sogenannten Totspritzens schon im Vorfeld recht verlässlich planen.
Rückstände in Backwaren
Glyphosat wurde bei Stichproben bereits in Backwaren, selbst im menschlichen Urin nachgewiesen. Es gibt Forscher, die seit Jahren vor schädlichen Folgen warnen, auch für den Menschen. Seinen neuerlichen Vorstoß für ein weitgehendes Verbot begründet Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer von den Grünen mit neuen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO hatte das Pflanzenschutzmittel kürzlich als "wahrscheinlich krebserregend" beim Menschen eingestuft.
"Es gibt ja schon erhebliche Umweltrisiken durch Glyphosat: Das ist ein Mittel, was alle Pflanzen in einem bestimmten Bereich abtötet. Das ist ein Totalherbizid, deshalb gibt es schon lange negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Und die Gefahren für den Menschen sind anscheinend nach Weltgesundheitsorganisation – das nehmen wir sehr ernst – sehr hoch. Und deshalb wollen wir da eine deutliche Einschränkung des Glyphosat-Einsatzes haben, was das am häufigsten verwendete Pflanzenschutzmittel in Deutschland, in Europa ist."
Kommunen halten mit dem Wirkstoff ihre Grünflächen unkrautfrei, die Bahn setzt ihn ein, um dem Wildwuchs rund um Gleisanlagen zu begegnen. Mit Erlassen auf Landesebene müht sich Meyer, das Glyphosat aus öffentlichen Grünflächen zu verbannen. In Gärten, Parks und auf Kinderspielplätzen habe Glyphosat nichts zu suchen, wettert der Minister. Hobbygärtnern will er den Gebrauch verbieten, bislang ist der Stoff in jedem Baumarkt zu haben. Vor allem aber der Gebrauch in der Landwirtschaft sei deutlich zu begrenzen. Meyer weiß für seinen Vorstoß auch die grünen Amtskollegen in anderen Bundesländern hinter sich.
Umweltminister entscheiden am Freitag
Doch die Aussage, dass Glyphosat offenbar doch gefährlicher ist als bislang angenommen, ist in Wissenschaft und Politik umstritten. Bundesbehörden reagierten zurückhaltend auf den Befund der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer WHO-Einrichtung. Das in Zulassungsfragen federführende Bundesinstitut für Risikobewertung etwa verweist auf eigene epidemiologische Befunde, bei denen wesentlich mehr Studien ausgewertet worden seien. Das BfR hat bereits grünes Licht dafür gegeben, die in diesem Jahr auslaufende Zulassung von Glyphosat in der EU wie angestrebt um zehn Jahre zu verlängern. Auch die Bundesregierung setzt sich dafür ein.
Die Protestierenden vor dem Tagungshotel in Osnabrück hoffen auf einen Sinneswandel. Die Zeit für ein Verbot drängt, mahnt Gerald Neubauer von Campact: "Deutschland hat da einen besonderen Einfluss, denn Deutschland ist Berichterstatter in diesem Verfahren. Und deswegen fordern wir von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, dass er in Brüssel sich mit aller Macht für ein EU-weites Glyphosat-Verbot einsetzt!"
Beschlüsse wollen die Minister erst zum Abschluss ihrer Konferenz am morgigen Freitag kundtun, bis dahin haben sie strikte Vertraulichkeit zu einzelnen Positionen und zum Stand ihrer Beratungen verabredet.