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Umstrittenes Referendum

Am Sonntag stimmen die Rumänen ab, ob der von der Parlamentsmehrheit im Eilverfahren suspendierte autoritäre Präsident Basescu endgültig den Stuhl räumen muss oder nicht. Das Referendum ist umstritten: Die rumänische Opposition ruft zum Boykott auf, die EU stellt die Abstimmung unter Aufsicht.

Von Karla Engelhard |
    "Er hat die dir deine Rente genommen, nimm du ihm jetzt sein Amt - geh zum Referendum!", "

    werben die Gegner des suspendierten Präsidenten Basescu auf riesigen Plakaten am Straßenrand für die Volksabstimmung am Wochenende. Für viele Rumänen steht Basescu für den Sparkurs der vergangenen Jahre, den jeder Rumäne zu spüren bekam - Renten und Löhne wurden gekürzt, die Mehrwertsteuer angehoben.

    Die Mitte-links-Regierung verspricht mehr Rente, höhere Löhne und Stabilität - Wahlversprechen, die sich doppelt auszahlen könnten. Am Wochenende bei der Abwahl des Präsidenten und im November bei der regulären Parlamentswahl.

    Die konservative Partei PDL, die dem Präsidenten nahe steht, ruft zum Boykott des Referendums auf. Traian Basescu, dessen Zukunft als Präsident von dieser Volksabstimmung abhängt, will nicht abstimmen gehen.

    " "Ich war zuerst ganz und gar entschlossen, die Rumänen zu überzeugen, ihre Stimme abzugeben. Aber nun gibt es eine Bewegung, die die Rumänen zum Boykott auffordert. Eine Umfrage hat festgestellt, dass bereits 700.000 Menschen boykottieren wollen, die sagen: Wir wollen diesen Staatsstreich mit unserer Wahlteilnahme nicht legitimieren."

    Ein Boykott könnte Basescu nützen, wenn dadurch die Beteiligung unter 50 Prozent der Stimmberechtigten käme. Dann wäre die Abstimmung ungültig und er könnte im Amt bleiben. Die Mehrheit der Rumänen ist - laut Umfragen- jedoch für den Abtritt Basescus.

    In dessen acht Jahren Amtszeit zwar die Justiz unabhängiger wurde und Wissenschaft wie Kultur sich frei entwickeln konnten. Doch in die Politik mischte sich der autoritäre Präsident stets ein. Seine Gegner sehen darin "einen schwerwiegenden Verfassungsverstoß". Allen voran die Sozialdemokraten unter Premier Viktor Ponta. Mit Notverordnungen betrieben sie die Suspendierung von Präsident Basescu und schränkten die Befugnisse des Verfassungsgerichtes ein - insgesamt rund 40 Dringlichkeitsverordnungen in nur wenigen Wochen - fast alle Institutionen brachten sie unter Kontrolle. Das EU-Mitgliedsland Rumänien erntete massive Kritik aus Brüssel dafür und konkrete Auflagen.

    Kein Tag vergeht seitdem in Rumänien ohne gegenseitige Beschuldigungen und Anfeindungen der regierenden sozialliberalen Union und den Basescu-treuen Konservativen.

    Auf den Straßen treffen sich Unermüdliche, trotz der Hitze und Urlaubszeit, zu Demonstrationen. Die Landeswährung Lei rutschte auf einem vorläufigen Tiefpunkt. Nur die Wirtschaft gibt sich optimistisch. Unternehmensberater Werner Stein, seit 20 Jahren in Rumänien, erklärt dieses Phänomen so:

    "Die Wirtschaft hat sich freigemacht von diesen politischen Spielereien, weil sie eben gelernt hat, die Minister kommen, die Minister gehen, und wir müssen uns konzentrieren auf die Wirtschaft, sprich auf das, was in Rumänien los ist, in Europa, auf der Welt."

    Alle Branchen melden Wachstum. Den Rumänen steht wohl nun der umstrittenste Urnengang seit der Wende von 1989 bevor. Ana-Maria, die eine eigene Produktionsfirma für Filme betreibt, spricht für viele:

    "Ich werde für die Amtsenthebung Basescus stimmen, obwohl ich die Art, wie dieses Verfahren durchgesetzt wurde, für eine Sauerei halte, aber wohl eine notwendige Sauerei. Für Rumänien ist es wichtig, das diese spannungsgeladene Situation endlich zu Ende geht. Es muss ein Neuanfang gemacht werden."

    Ob der wirklich kommt, ist offen.