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Umstrittenes "Schwarzbuch Leiharbeit"

Die IG Metall sieht einen ungebrochenen Trend zur Leiharbeit und kritisiert deren Schattenseiten. Die Eindämmung der Leiharbeit und die gleiche Bezahlung zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeit macht die Gewerkschaft auch zum Thema der laufenden Tarifrunde.

Von Brigitte Scholtes |
    Im "Schwarzbuch Leiharbeit" schildern Betroffene ihre alltäglichen Erfahrungen.

    'Ich habe die Nase voll von Leiharbeit', schreibt da einer.

    'Ich bin 30 Jahre alt, verheiratet und kann mir keine Zukunft aufbauen, weil ich alle drei Monate, wenn mein Vertrag ausläuft, nachdenken muss: Habe ich morgen noch Arbeit oder nicht mehr?',

    und ein anderer schreibt:
    '
    'Mein Leiharbeiterstatus besteht seit nunmehr sechs Jahren bei einer Einsatzfirma. Was hat das mit Auftragsspitzen oder Saisonarbeit zu tun?'

    Das ist auch die wesentliche Kritik der IG Metall an der Leiharbeit. So sagt deren Zweiter Vorsitzender Detlef Wetzel:

    "Leiharbeit dient längst nicht mehr zum Abfedern von Produktionsspitzen, sondern sie ist eine auf Langfristigkeit angelegte personalpolitische Strategie. Das unternehmerische Risiko tragen die Leiharbeiter. Und die wissen das auch."

    "Unredliche Stimmungsmache" werfen hingegen die Arbeitgeber von Gesamtmetall der Gewerkschaft vor. Wer gegen die Zeitarbeit zu Felde ziehe, nur um vor einer Tarifauseinandersetzung Stimmung zu machen, füge der Metall- und Elektroindustrie und deren Beschäftigten Schaden zu. Und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister warf der IG Metall vor, sie verzerre das Bild der Branche. Zeitarbeit sichere die Stammbeschäftigung.

    Die IG Metall hingegen zitiert Experten, die bestätigen, dass in immer mehr Betrieben Leiharbeiter oft über mehrere Jahre die gleiche Arbeit verrichteten und sie zum Teil 30 bis 40 Prozent der Gesamtbelegschaft ausmachten. Das trifft zumindest auf das BMW-Werk in Leipzig zu, sagt Jens Köhler, Betriebsratsvorsitzender dort. Die Leiharbeiter dort erhielten zumindest seit vier Jahren den Grundlohn der Metall- und Elektroindustrie. Über eine Begrenzung der Leiharbeit verhandelt der Betriebsrat derzeit mit BMW, eine Einigung ist offenbar in Sicht. Jens Köhler:

    "BMW hat aus der Historie heraus eine jahrzehntelange ausgeprägte Vertrauenskultur zwischen Management und Arbeitnehmervertretern. Trotz dieser Vertrauenskultur ist es zu sehen, wie schwierig es ist, in so einem Betrieb eine Regelung zur Leiharbeit hinzubekommen, weil ganz einfach die gesetzliche Basis fehlt."

    Diese gesetzliche Basis fordert die IG Metall nun ein. Vor allem aber steht die gleiche Bezahlung im Vordergrund der Gewerkschaftsforderungen. Detlef Wetzel:

    "Die Löhne in der Leiharbeit sind so niedrig, dass ein ganz erheblicher Teil der Leiharbeiter auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen ist. Es ist einfach entwürdigend für einen Menschen, der einen ordentlichen Beruf erlernt hat, 30 oder 40 Stunden in der Woche arbeitet und der dann selbst und seine Familie nicht davon leben kann."

    Die Zeitarbeitsbranche sei hoch subventioniert, in den letzten zehn Jahren seien wegen schlecht bezahlender Firmen 60 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen geflossen, sagte Wetzel:

    "Wenn die Arbeit nicht den Lebensunterhalt sichert, wird die Rente erst recht nicht reichen. Und deswegen ist hier festzustellen, dass die heutige junge Generation doppelt betrogen wird. Sie wird heute schlecht bezahlt als Leiharbeiter, und sie wird später den sozialen Sicherungssystemen zur Last fallen, weil die Art Beschäftigten nicht in der Lage sind, ihr eigenes Sozialversicherungssystem zu finanzieren."

    Eine Reform der heutigen Praxis der Leiharbeit könne dazu beitragen, das Sozialsystem zukunftssicher zu gestalten.