Über Jahrzehnte zählte der "Stern" neben dem "Spiegel" zu den führenden Nachrichtenmagazinen in Deutschland. Branchenkenner bewerten es daher als einen massiven Einschnitt, wenn das Blatt seine redaktionelle Autonomie bei zentralen Themen verliert und sein eigenes Politik- und Wirtschaftsressort aufgibt.
Das Verlagshaus Gruner und Jahr (G+J) bündelt von März an die Berichterstattung in diesen Bereichen für die Medien "Stern", "Capital" und "Business Punk" in seinem Berliner Hauptstadtbüro. Die Leitung übernimmt nach Verlagsinformationen der langjährige "Capital"-Chefredakteur Horst von Buttlar, der zukünftig auch Mitglied der "Stern"-Chefredaktion wird. "In der Berliner Redaktion werden rund 35 Journalistinnen und Journalisten in Print und Digital über das Geschehen in der deutschen Politik und in der Wirtschaft berichten", hieß es in einer Pressemitteilung.
"Konsequenter Schritt"
Der Journalistik-Professor Frank Lobigs bezeichnet die Entscheidung als konsequenten Schritt. Im Deutschlandfunk sagte er, G+J-Chefin Julia Jäckel habe 2013 einen Prozess der Transformation und Konsolidierung eingeleitet, "indem sie 'Communities of Interest' eingerichtet hat".
Lobigs erwartet, dass es ähnliche weitere Schritte innerhalb des Verlagshauses geben wird: "Das ist der Startschuss dazu, dass man zentrale Themenredaktionen auch in nächster Zeit dann sehen wird bei Gruner und Jahr."
Die "Stern"-Redaktion erfuhr in einer Videokonferenz am Dienstag von der Entscheidung, ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburg soll andere Aufgaben innerhalb der Redaktion übernehmen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen weitestgehend vermieden werden, hieß es. Die Strategie sei allerdings darauf angelegt, "dass sie parallel zur Marktschrumpfung bei diesem alten Geschäft läuft", erwartet Medien-Ökonom Lobigs.
Veränderungen bei Bertelsmann-Töchtern
Der "Stern" ist Teil des Verlagshauses Gruner und Jahr, das wiederum zum Medienkonzern Bertelsmann gehört. Frank Lobigs erklärte im Deutschlandfunk, dass auch bei der Bertelsmann-Tochter RTL (RTL/ntv) zunehmend auf Zentralredaktionen gesetzt wird.
"Ich sage voraus: Am Ende wird es sogar konzernübergreifend eventuell Themenredaktion-Zusammenführung geben. Das ist nicht ganz leicht, wie man bei RTL gesehen hat, aber das ist die Richtung."