Das hat es noch nie gegeben: dass ein Lehrschreiben eines Papstes schon vor seinem Erscheinen gelobt, gefürchtet, kritisiert wird. Kritik kommt vor allem aus den USA. Hier sind es konservative Kreise, die fürchten, der Papst könne in seiner Umwelt-Enzyklika dem Menschen die Schuld geben am Klimawandel und zu Verzicht, statt zu Wachstum aufrufen. Für eingefleischte Neokonservative eine Horrorvorstellung. Jeb Bush, Präsidentschaftskandidat der Republikaner und Katholik will so etwas von einem Papst nicht hören.
"Ich hoffe, ich werde dafür von meinem Pfarrer nicht gegeißelt, aber ich erhalte meine Wirtschaftspolitik nicht von meinen Bischöfen, meinen Kardinälen oder meinem Papst. Aber bevor ich ein Urteil fälle, möchte ich erst einmal lesen, was er sagt, wie all das mit dem Klimawandel zusammenhängt."
Wer des Italienischen mächtig ist, kann bereits seit Montag nachlesen, was der Papst zum Thema Klimawandel und Umweltschutz sagt. Das Magazin "Espresso" hat auf seiner Onlineseite den Textentwurf der Enzyklika veröffentlicht, obwohl der Vatikan ein strenges Embargo bis heute zwölf Uhr verhängt hat. Dem Vatikankorrespondenten der Zeitschrift wurde daraufhin umgehend die Akkreditierung entzogen und seine Kollegen rätseln, wer denn ein Interesse daran haben könnte, dem Papst die Schau zu stehlen. Giacomo Galeazzi, Vatikanexperte der Turiner "Stampa", vermutet, dass vatikaninterne Kritiker den Text geleakt haben. Vatileaks Teil 2:
"Es gibt Kritik aus dem konservativen Umfeld, das den Papst schwächen will, so wie man es bereits bei der Familiensynode versucht hat. Erreicht wurde das Gegenteil: Die Menschen fühlen sich doch dem Papst umso näher, je mehr der Apparat und konservative Strukturen in ihm eine Gefahr sehen."
Dass Franziskus eine ganze Enzyklika ausschließlich dem Thema Umweltschutz widmet, gilt vielen in der katholischen Kirche bereits als revolutionärer Akt. Dabei will der Papst kein Strategiepapier liefern, keine konkreten politischen Empfehlungen abgeben, sondern eine Art ökologische Bekehrung beim Einzelnen bewirken. Am Sonntag bereits warb Franziskus um eine "neue Aufmerksamkeit" für die Zerstörung der Umwelt und ihre Rettung.
"Diese Enzyklika richtet sich an alle: Beten wir dafür, dass alle ihre Botschaft erhalten. Möge ihre Verantwortung für das gemeinsame Haus wachsen, das Gott uns allen anvertraut hat."
"Über die Sorge für das gemeinsame Haus" steht über diesem Schreiben. Nach den Indiskretionen der vergangenen Tage wird deutlich, wie der Papst das versteht: die Erde als Mülldeponie, Wasser als Ware, Erderwärmung als Fluchtursache. Der Raubbau des einen geschieht auf Kosten des anderen.
"Unser Haus wird zerstört, und das fügt allen Schaden zu, vor allem den Ärmsten. Mein Appell richtet sich an die Verantwortung, es geht um die Aufgabe, die Gott dem Menschen in der Schöpfung gab: den Garten, in den er ihn gesetzt hat, zu bebauen und ihn zu hüten."
Von einer grünen Enzyklika, von einem grünen Papst war im Vorfeld der heutigen Veröffentlichung die Rede. Doch der Ansatz von Franziskus geht über ökologische Fragestellungen hinaus und ist in erster Linie sozialkritisch. Und auch das wird vielen Kritikern des Papstes nicht gefallen.