Das Interview bezieht sich auf folgendes "Dokument der Woche".
Marco Bertolaso:Die Umweltprobleme in der DDR waren offenkundig. Die Qualität der Luft, der Zustand der Gewässer, sie waren in vielen Fällen mehr als bedenklich. Und doch: Offiziell durfte es all das nicht geben, denn die Umweltzerstörung war aus Sicht der SED eher typisch für den Kapitalismus.Es kann so auch nicht überraschen, dass ökologische Fragen in den 80er-Jahren einen wichtigen Antrieb für die DDR-Opposition bildeten. Anfang 1990, als unser "Dokument dieser Woche" ausgestrahlt wurde, da war die Einheit noch Zukunftsmusik. Aber es gab immer stärker den Versuch, die Umweltfragen in Deutschland ganzheitlich in den Griff zu bekommen. Unter anderem darüber möchte ich jetzt sprechen mit meinem Kollegen Günter Hetzke aus der Wirtschaftsredaktion. Günter Hetzke hat im Deutschlandfunk lange auch die Umweltsendungen geprägt, und jetzt sage ich erst mal guten Tag!
Marco Bertolaso:Die Umweltprobleme in der DDR waren offenkundig. Die Qualität der Luft, der Zustand der Gewässer, sie waren in vielen Fällen mehr als bedenklich. Und doch: Offiziell durfte es all das nicht geben, denn die Umweltzerstörung war aus Sicht der SED eher typisch für den Kapitalismus.Es kann so auch nicht überraschen, dass ökologische Fragen in den 80er-Jahren einen wichtigen Antrieb für die DDR-Opposition bildeten. Anfang 1990, als unser "Dokument dieser Woche" ausgestrahlt wurde, da war die Einheit noch Zukunftsmusik. Aber es gab immer stärker den Versuch, die Umweltfragen in Deutschland ganzheitlich in den Griff zu bekommen. Unter anderem darüber möchte ich jetzt sprechen mit meinem Kollegen Günter Hetzke aus der Wirtschaftsredaktion. Günter Hetzke hat im Deutschlandfunk lange auch die Umweltsendungen geprägt, und jetzt sage ich erst mal guten Tag!
Günter Hetzke: Guten Tag, Herr Bertolaso.
Bertolaso: Smog und Waldsterben, sie wurden in der DDR verschwiegen und kamen fast nur im Westfernsehen vor. Wie war denn wirklich 1990 die ökologische Schlussbilanz der DDR?
Hetzke: Na ja, aus meiner Sicht kann man da wirklich nur einen Begriff für gebrauchen, nämlich tatsächlich katastrophal. Alle drei wesentlichen Elemente, also Wasser, Boden, Luft, waren hochgradig belastet. Das kann man gar nicht beschönigen. Und worauf man immer auch mit dem Umweltfinger zeigte, es war sofort eine Wunde da. Als Umweltredakteur war das eigentlich ein Eldorado für die Berichterstattung, aber es war schlimm.
"Der ganz besondere Geruch aus Kohle und Trabi-Gemisch"
Bertolaso: Sie kennen das ja auch aus eigenem Augenschein. Sie haben mir verraten, dass Ihre Familie und auch Sie selbst Wurzeln in Thüringen haben und dann in den Westen gegangen sind, aber immer wieder auch da gewesen sind. Haben Sie da auch persönliche Eindrücke an die Umweltbelastung?
Hetzke: Na ja. Ein persönliches Ereignis war natürlich: Ich habe lange Zeit in Westberlin gearbeitet und gelebt, bis 1989, und da konnte man ja auch mal Tagesbesuche nach Ostberlin machen, oder auch später in die DDR selber. Und alleine schon diese spezielle Luft, wenn man rübergefahren ist - die haben natürlich wie auch in Westberlin mit Kohle geheizt, aber die hatten auch immer noch dieses Trabi-Gemisch, die Abgase, und das hat sich natürlich über die ganzen Städte immer gelagert und das war ein ganz spezieller DDR-Geruch, den ich nicht vergessen werde und an den sich bestimmt auch viele andere in meinem Alter, die damals in Berlin oder Ostberlin zu Besuch waren, erinnern werden. Das war schon ganz schön prägend, würde ich mal sagen, für die Zeit.
Bertolaso: Diesen Geruch habe ich auch noch ein wenig in der Nase und ich denke, einigen Hörerinnen und Hörern von uns wird das auch so ergehen. Aber dennoch, Günter Hetzke: In unserem „Dokument der Woche" zum Beispiel hat der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer gesagt, die DDR, die habe den Umweltschutz vernachlässigt und die kümmere sich nicht darum. Das mag ja stimmen, auch so, wie Sie das berichtet haben. Aber war das nicht vielleicht auch ein bisschen arrogant aus westlicher Sicht, denn die DDR hatte ja beachtliche Probleme? Sie hatte eine alte Industrie. Was hätte sie anders machen können?
Hetzke: Nein, arrogant würde ich das nicht bezeichnen. Das war schon eine ganz nüchterne Bestandsaufnahme. Man muss hier einfach sehen, dass die DDR-Regierung bemüht war, der Bevölkerung zu liefern, was sie liefern konnte, beispielsweise im Bereich der Lebensmittel. Deswegen wurden die Böden in der Agrarwirtschaft entsprechend gedüngt, damit auch die Erträge groß waren. Es wurde überwiegend mit Kohle und oft auch mit minderwertiger Kohle geheizt, die dann die Luft belastet hat. Alles was in der Industrie hergestellt wurde, wurde ungefiltert in die Flüsse geleitet, und es gab schlicht und einfach auch kein Geld für den Umweltschutz und das spielte tatsächlich keine Rolle. Ich finde, das ist schon eine richtige Aussage, die er getroffen hat.
Hauptgrund für Deutschlands Vorreiterrolle im Umweltschutz - der Zusammenbruch der DDR-Industrie
Bertolaso: Deutschland, das vereinte Deutschland sieht sich ja gerne als Vorreiter beim Klimaschutz und viele, die ganz wichtig sind in der Politik - denken wir mal an Frau Merkel, denken wir an Herrn Gabriel -, waren ja auch mal Umweltminister, scheint also in Deutschland inzwischen ein wichtiges Ministerium an Sachgebiet zu sein. Und die sagen, Deutschland ist Vorreiter. Kritiker meinen aber, dass eigentlich all das, was wir erreicht haben in der Reduktion, im Wesentlichen daraus besteht, dass die DDR-Industrie zusammengebrochen ist und damit die Emissionen weggefallen sind. Ist das so, oder ist das eine zu einfache Gleichung?
Hetzke: Na ja, all das, was wir erreicht haben, stimmt sicherlich nicht. Aber in der Tat, die Älteren von uns wissen das noch, man kann über den Daumen sagen: Zehn Prozent der Leistung, die eingespart wurde beim Ausstoß von Kohlendioxid, geht zurück auf den Zusammenbruch der DDR-Industrie. Wenn wir jetzt sagen, wir haben 20 Prozent erreicht, dann ist das aus eigener Leistung tatsächlich nur zehn Prozent, was wir erreicht haben. Der Rest ist einfach zurückzuführen auf den Zusammenbruch der DDR-Industrie. Mittlerweile ist das leider schon in Vergessenheit geraten und man sonnt sich da immer in diesem Erfolg, der aber so wirklich gar nicht da ist.
Bertolaso: Das heißt, Deutschland Vorreiter im Umweltschutz auch eine Folge der deutschen Einheit?
Hetzke: In dem Fall ja.
Bertolaso: Nun ist der Mauerfall schon mehr als 25 Jahre her. Da kann man durchaus schon mal eine Zwischenbilanz wagen. Wie fällt die für den Umweltschutz im gesamten Deutschland aus Ihrer Sicht aus?
Hetzke: Na ja, es hat sich wirklich sehr viel getan. Wenn wir mal schauen: Das Land ist geprägt durch riesige Naturschutzgebiete. Die ehemaligen Truppenübungsgelände der NVA, der Nationalen Volksarmee, sind genutzt worden, um da Naturschutzgebiete einzurichten. Ostdeutschland ist ein Land, in dem Biolandwirtschaft sehr ausgeprägt ist. Es gibt sehr große Flächen, in denen das gepflegt wird. Die Wasserqualität hat sich deutlich verbessert. Mittlerweile sieht das wirklich schon ganz anders aus. Ich war jetzt im Sommer des vergangenen Jahres erst in der Mecklenburger Seenplatte im Urlaub und ich muss sagen, es ist wunderschön geworden zum Teil.
Umweltjournalismus hat an Bedeutung gewonnen
Bertolaso: Wunderschön - da klingt ja Begeisterung mit, Günter Hetzke. - Ich möchte Sie noch was fragen zu unserem gemeinsamen Sender und auch zu dem Sender der Hörerinnen und Hörer, dem Deutschlandfunk. Der DLF ist ja bekannt für Nachrichten, politische Interviews, aber eben auch für eine profilierte Umweltberichterstattung, durchaus auch im Vergleich zu anderen Medien. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass sich hier die Umweltredaktion so kompetent und stark herausgebildet hat?
Hetzke: Na ja, man darf nicht vergessen: Umweltschutz war damals ein Thema, das wirklich breite Teile der Gesellschaft schon erfasst hatte, dass nicht nur in der Politik stattfand, sondern auch letztendlich am Stammtisch diskutiert wurde. Wir erinnern uns: Mitte der 80er-Jahre kamen die Grünen das erste Mal in den Bundestag. Wir hatten mit Joschka Fischer wenig danach einen ersten Landesminister in Hessen in der Regierung. Bündnis 90 hat sich in der DDR auch _89 gegründet und wir hatten wirklich viele Themen, vom großflächigen Waldsterben bis zur Versauerung der Seen, über Verpackungsverordnung, wie gehen wir mit unserem Verpackungsmüll um. Da wurde viel diskutiert und das musste sich natürlich auch irgendwo im Programm niederschlagen. Deshalb wurde im April 1989 hier im Deutschlandfunk die Umweltsendung eingeführt und auch viele andere ARD-Anstalten haben dann im selben Zeitraum Umweltsendungen eingeführt und selbst in den Tageszeitungen gab es plötzlich spezielle Seiten „Umweltschutz und Natur".
Bertolaso: Im April 1989 führt der Deutschlandfunk die tägliche Umweltsendung ein, genau rechtzeitig, um die ökologischen Fragen des neuen gesamten Deutschlands zu begleiten. Das ist ziemlich gut gelaufen.
Hetzke: Absolut perfekt, ja.
Bertolaso: Die Älteren von uns, die wissen ja noch: Früher gab es ganz oft da, wo jetzt die Umweltsendungen sind, Landwirtschaftssendungen.
Hetzke: Die Landwirtschaft ist ein Teil der Wirtschaft und kann getrost in den Wirtschaftssendungen aufgefangen werden. Da sehe ich gar kein Problem. Und es gibt ja nach wie vor Schnittstellen zwischen Umweltschutz, Naturschutz und Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist nicht untergegangen in der Berichterstattung, sie ist nur einfach in die breite Fläche übergegangen.
Fisch aus dem Rhein oder aus der Elbe?
Bertolaso: Okay. - Zum Schluss, Günter Hetzke, Hand aufs Herz: 25 Jahre nach der Einheit, würden Sie jetzt eher einen Fisch aus dem Rhein bei Köln essen oder, sagen wir, aus der Elbe bei Dresden, oder einen Seefisch aus der Nordsee oder aus der Ecke von Rügen?
Hetzke: Da haben Sie den falschen gefragt. Ich bin nicht so der Fischfreund. Ich esse gerne Fischstäbchen.
Bertolaso: Der kommt noch mal von ganz woanders her!
Hetzke: Genau, der kommt von ganz anders her. Insofern bin ich aus dem Schneider. Die Frage kann ich und will ich nicht beantworten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.