Georg Ehring: Das Zeitalter der Plastiktüte geht zu Ende. Doch das heißt nicht, dass es weniger Verpackungsmüll gibt. Im Jahr 2017 gab es insgesamt 18,7 Millionen Tonnen Verpackungsabfall. Das sind fast vier Prozent mehr als im Jahr zuvor, oder 226 Kilo pro Kopf der Bevölkerung. Die Hälfte davon entfällt auf Endverbraucher, der Rest auf Handel und Industrie. Warum wird immer mehr verpackt und wie lässt sich der Trend umkehren? Diese Frage bespreche ich jetzt mit Gerhard Kotschik. Er ist beim Umweltbundesamt zuständig für den Bereich Produktverantwortung. Guten Tag, Herr Kotschik.
Gerhard Kotschik: Guten Tag!
Ehring: Herr Kotschik, woher kommen die zusätzlichen Verpackungen?
Kotschik: Zum einen wirkt sich natürlich ein Wirtschaftswachstum immer auf den Verpackungsverbrauch aus. Aber gerade bei den privaten Endverbrauchern sehen wir auch Trends wie den Trend zu kleineren Haushaltsgrößen, Ein-Personen-Haushalte, Zwei-Personen-Haushalte, und der Trend zur älter werdenden Gesellschaft, Seniorenhaushalte nehmen zu. Beide Gruppen verwenden häufiger kleinere Lebensmittelverpackungen, kleinere Packungseinheiten, und die führen wiederum zu einem Anstieg der Verpackungsmengen. Wenn man sich den gelben Sack oder die gelbe Tonne ansieht, dann ist da ganz viel Lebensmittel-, Nahrungsmittel- und Getränkeverpackungen drin. Es gibt noch weitere Trends, die da natürlich mit reinspielen. Der Zubereitungsgrad der Lebensmittel nimmt zu und auch da wird dann stärker verpackt. Es gibt den Trend zu To-go-Konsum von Essen und Trinken, zum Beispiel Coffee to go in Einwegbechern, aber auch solche Sachen wie die Zunahme des Online-Handels führt natürlich zu einem Mehr an Verpackungen, weil man ja noch einen Karton zusätzlich hat, den Versandkarton.
"Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff"
Ehring: Papier und Glas werden ja großenteils recycelt. Das klappt nach Ihren Angaben recht gut. Aber beim Kunststoff gibt es Probleme. Warum ist das Recycling da so schwierig?
Kotschik: Ja. Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Es schaut aus wie ein Kunststoff, aber es ist häufig ein Verbund verschiedener Kunststoffe, damit die Funktionen erfüllt werden von der Verpackung. Zum Beispiel bei Lebensmitteln braucht man teilweise eine Barriereschicht darin und wenn da mehrere Kunststoffe miteinander zusammengefügt sind, dann können die manchmal nicht miteinander hochwertig recycelt werden. Das ist ein Grund, aber auch andere Effekte spielen da rein. Manche Hersteller färben ihre Verpackungen schwarz mit Rußfarben und dann können die Sortieranlagen nicht mehr erkennen, aus was für einem Kunststoff das Produkt besteht, und solche Kunststoffe können dann auch nicht recycelt werden. Die Kunststoffart muss erst mal sichergestellt werden können in der Sortieranlage.
"Verbote von einzelnen Materialien lassen sich kaum rechtlich umsetzen"
Ehring: Könnte man das durch Vorgaben für die Sortenreinheit und mit Vorgaben, welche Sorten verwendet werden, eventuell verbessern?
Kotschik: Verbote von einzelnen Materialien lassen sich kaum rechtlich umsetzen, denn es gibt eine europäische Verpackungsrichtlinie. Der Binnenhandel in Europa soll möglich sein. Da kann nicht ein Mitgliedsstaat irgendwelche Kunststoffe oder so verbieten. Wenn, dann müsste das auf der europäischen Ebene geschehen. Wir haben in Deutschland allerdings jetzt einen Mindeststandard zur Bemessung der Recycling-Fähigkeit mit der zentralen Stelle Verpackungsregister erstellt, und das ist so was wie ein Leitfaden. Den kann man dafür verwenden, auf was man achten muss, damit ein Recycling stattfinden kann.
Ehring: Das heißt, das neue Verpackungsrecht, das jetzt in Kraft ist, das bringt durchaus Fortschritte. Erwarten Sie denn, dass der Trend sich dann umkehrt?
Kotschik: Wir sehen auf jeden Fall Fortschritte hinsichtlich der Recycling-Fähigkeit. Viele Handelshäuser und Hersteller achten stärker als vorher auf die Recycling-Fähigkeit und wissen jetzt auch, auf was sie achten sollen. Ob wir zu geringeren Mengen kommen, das ist fraglich. Da hat das Verpackungsgesetz noch keinen Hebel. Da müssen wir alle auch aktiv werden zur Verpackungsvermeidung. Die kann man schwer rechtlich vorschreiben.
"99,5 Prozent der Verpackungen werden innerhalb von Europa recycelt"
Ehring: Viel Müll landet ja auch in Asien. Freuen Sie sich eigentlich darüber, dass immer mehr asiatische Länder das nicht mehr wollen?
Kotschik: Ich finde es gut, wenn Müll und Abfälle nur dorthin gelangen, wo sie auch recycelt werden können. Da, wo sie die Umwelt belasten, da sollten sie nicht hingehen. Es gab jetzt in diesem Jahr ein Zusatzprotokoll zum Baseler Übereinkommen, das Kunststoffexporte in solche Länder verringern soll, die damit nicht umgehen können. Bei dem Dualen System, bei den Verpackungen, die im gelben Sack oder in der gelben Tonne landen, sehen wir aber, dass kaum Mengen in solche Länder gehen. 99,5 Prozent der Verpackungen werden innerhalb von Europa recycelt. Der aller-, allergrößte Teil in Deutschland selber vom deutschen Dualen System. Natürlich gibt es aber auch Mengen, die nicht so gut überprüft sind, wo es keine Mengenstrom-Nachweise gibt. Wie gesagt: Die Dualen Systeme müssen ihre Verwertung nachweisen über Mengenstrom-Nachweise. Über andere Schienen, zum Beispiel übers Gewerbe, kann es sein, da sind die Wege intransparenter.
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