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Umweltexperte: Geringe Aussicht auf Verlängerung des Kyoto-Protokolls

Auf der Klimakonferenz in Durban seien die Fronten festgefahren, sagt Stefan Krug. Eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls oder einen Ersatz hält der Greenpeace-Experte für unwahrscheinlich.

Stefan Krug im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Das Klima können nur alle gemeinsam retten - das ist wohl der einzig bekannte gemeinsame Nenner, wenn wir über gemeinsame Klimaziele sprechen. Das Problem: Ende nächsten Jahres läuft das inzwischen betagte Kyoto-Protokoll aus und um ein mögliches Folgeabkommen wird seit Jahren heftig gestritten. Da gibt es die relativ klimafreundlichen Europäer auf der einen Seite, die mürrischen USA auf der anderen und inzwischen das übergroße und aufstrebende China, das immer weiter in den Vordergrund der Klimagespräche rückt. Es geht nicht ohne die USA und erst recht nicht ohne China.
    Eben dort in Durban mitgehört hat Stefan Krug, er leitet die politische Vertretung von Greenpeace in Berlin und beobachtet die 17. Weltklimakonferenz. Guten Tag, Herr Krug.

    Stefan Krug: Guten Tag.

    Dobovisek: Steht die internationale Klimapolitik vor einem Scherbenhaufen?

    Krug: Das muss man im Moment leider so sagen, wobei wir hoffen, dass dieser Scherbenhaufen irgendwie wieder gekittet wird. Es ist richtig, wie in dem Beitrag schon zu hören war: die Situation ist sehr verfahren. Wir haben festgefahrene Fronten auf fast allen Themen, die hier behandelt werden, vor allem aber natürlich bei der Frage, wer mindert seine CO2-Reduktion um wie viel und bis wann. Und die Situation ist dadurch natürlich langsam eng und dramatisch, dass der einzige Klimavertrag, der existiert, das Kyoto-Protokoll, Ende nächsten Jahres ausläuft und bisher kein Ersatz in Sicht ist, vor allem auch kein Ersatz, der die mittlerweile ja sehr groß gewordenen Emittenten aus den Schwellenländern, aber auch den leider, muss man sagen, ewigen Klimaschutz-Problemfall USA in irgendeiner Weise mit einbindet. Insofern: wir hoffen sehr, dass es bei dieser Konferenz trotzdem Fortschritte in Richtung eines Verhandlungsmandates gibt.

    Dobovisek: Wie stark müsste der Aufbrechhammer sein, der die verhärteten Fronten aufbrechen könnte?

    Krug: Das Problem ist, dass sich hier bei der Klimakonferenz so viele verschiedene Politikbereiche mischen. Das ist schon längst kein Umweltthema mehr oder keine reine Umweltkonferenz, trotzdem sitzen hier nur die Umweltminister. Faktisch geht es um das Recht auf Wachstum, um Wirtschaftspläne, um Wirtschaftsperspektiven für Länder, die bisher das Gefühl haben, im Hintertreffen gewesen zu sein. Indien etwa argumentiert sehr stark moralisch und sagt, die Atmosphäre ist bisher von den Industrieländern als Müllplatz für CO2 sozusagen benutzt worden, jetzt ist nur noch ein kleiner Teil frei, wenn man die Klimakatastrophe, die vorhergesagt wird von der Wissenschaft, in diesem Jahrhundert noch abbiegen will, und dieser kleine Teil gehört uns und wir sind erst mal lange nicht bereit, auf die nächsten Jahre, bis unsere Bevölkerung aus der Armutsgrenze hinausgekommen ist, diesen Raum freizugeben. Das ist natürlich eine moralische Diskussion, die dann wiederum konterkariert wird durch Diskussionen seitens der Industrieländer, die sagen, mittlerweile ist zum Beispiel China ja der größte Emittent weltweit und hat auch ein beachtliches Wachstum nach wie vor von CO2-Emissionen, da kann es nicht nur um Moral gehen, wir müssen hier auch über Wirtschaft reden. Insofern: hier sind viele Ebenen vermischt und vieles ist einfach in sich verkeilt, so dass es sehr, sehr schwierig ist.

    Dobovisek: Was könnten oder was müssten denn die Industrieländer den Schwellenländern wie Indien oder China bieten, damit dort Bewegung hineinkommt?

    Krug: Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich zu bewerten. China etwa hat zum Beispiel sehr große Währungsreserven, hat natürlich ein unglaubliches wirtschaftliches Potenzial, ein unglaubliches Volumen. Für China wäre es sicher wichtiger, Technologiekooperationen zu etablieren, während es für Länder wie Indien, wo der Pro-Kopf-Ausstoß deutlich geringer ist als in China, aber auch die Armutssituation zum Teil wesentlich dramatischer ist, sehr, sehr wichtig ist, auch finanzielle Hilfe zu bekommen. Aber es gibt natürlich auch den großen Block der kleinen Entwicklungsländer, die wirklich als erste natürlich den Klimawandel zu spüren bekommen, also etwa die Inselstaaten, oder auch afrikanische Staaten, die selber kaum Möglichkeiten haben, aus eigener Kraft Klimaschutz zu betreiben, für diese Staaten ist es sehr, sehr wichtig, dass jetzt der grüne Klimafonds in Durban endlich etabliert wird, also in Gang gesetzt wird. Bisher steht er nur auf dem Papier und bisher ist er auch leer. Das heißt, er müsste gefüllt werden im Laufe des nächsten Jahres mit beträchtlichen Summen, aus denen und mit denen dann konkret Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern in Gang gebracht werden könnten. Das ist die eine Ebene, Geld für ärmere Länder. Aber natürlich ist es auch wichtig, klar zu machen, dass verlorenes Vertrauen wieder hergestellt wird in den Klimaschutzprozess, denn im Moment sieht es so aus, als wäre das doch ein durch Misstrauen zerfressener Prozess. Da muss viel Aufbauarbeit geleistet werden, und die könnte eben vor allem auch dadurch geleistet werden, dass die Industriestaaten endlich ihre Verpflichtungen deutlich erhöhen. Die sind bisher weit hinter dem von der Wissenschaft vorgegebenen zurück. Wir haben bei den USA seit 1990 einen Anstieg um elf Prozent, wir haben seit 1990 insgesamt einen globalen CO2-Anstieg um 45 Prozent. Die EU verharrt auf einem völlig veralteten Klimaziel von 20 Prozent, das wir schon erreichen werden, wenn wir nur den üblichen Wirtschaftspfad weitergehen. Das heißt, die Anstrengungen seitens der Industrienationen sind der zweite große Punkt, der eigentlich deutlich angehoben werden müsste, um auch bei den Entwicklungsländern das Signal ankommen zu lassen, wir wollen euch helfen finanziell, wir wollen aber vor allem auch selbst vorangehen, weil wir die technischen und finanziellen Möglichkeiten dazu ja bereits haben.

    Dobovisek: Defizite, sagen Sie, also auf beiden Seiten, auf Seiten der Industrieländer wie auch der Schwellenländer. Was, wenn sich beide Seiten jetzt nicht aufeinander zubewegen innerhalb dieser nächsten zwei Wochen? Was, wenn Kyoto nicht verlängert wird und wir vor einem Vakuum stehen? Wer füllt dieses Vakuum?

    Krug: Gut, das Vakuum wird konkret erst entstehen, wenn das Kyoto-Protokoll ausläuft. Ende 2012 gibt es ja wieder eine Klimakonferenz, die dann aber wirklich vor der extremen Notsituation im Grunde steht, entweder wir einigen uns jetzt, oder das Protokoll stirbt sozusagen. Es gibt natürlich Übergangsformen: man kann sagen, man setzt es provisorisch fort, ohne einen Prozess in den einzelnen nationalen Parlamenten, man einigt sich zunächst mal darauf, es weiterlaufen zu lassen. Man müsste sich aber vor allem darauf einigen, wie soll es denn mit einem neuen Klimavertrag vorangehen, der eben alle Emittenten einbindet. Dazu müsste man hier in Durban, selbst wenn das Protokoll noch nicht verlängert wird, einen Fahrplan beschließen. Man müsste also konkret sagen, wir wollen bis Ende nächsten Jahres umsetzungsfähige Beschlüsse haben, die deutlich machen, wie der Weg weitergeht. Dann würde etwa nach allen Erfahrungsregeln bis 2015 ein neues Abkommen stehen, das dann auch kurz danach über die Parlamente ratifiziert und in Kraft treten könnte. Das wäre der Weg: man braucht einen Fahrplan, man braucht dann bis zu diesem Übergang eine Verlängerung des Protokolls. Es ginge, es ist durchaus möglich. Die Frage ist, ob der politische Wille dazu da ist.

    Dobovisek: Aber, Herr Krug, es ist ein sehr weiter Weg. - Stefan Krug von Greenpeace auf der Klimakonferenz in Durban. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.